Blood and Wine ist nach Hearts of Stone die zweite Erweiterung für The Witcher 3. Für eine Erweiterung können sich die Inhalte richtig sehen lassen. CD Project Red hat nicht nur jede Menge neue Quests und eine neue Rahmenstory spendiert, sondern mit Toussaint auch ein komplett neues Gebiet. Toussaint wirkt wie eine Mischung der schönen Seiten Südfrankreichs und der Toskana, gepaart mit einer Prise Mittelaltermarkt.
DLC-Release: 31.05.2016. Ich weiß, ich bin spät dran mit diesem Review. Aber besser spät als nie – und Blood and Wine ist eine umfangreiche Vorstellung definitiv wert!
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Blood and Wine – So geht’s los
Wir können den DLC direkt aus der Witcher 3-Geschichte starten, dazu muss man lediglich die Quest „Ein Poet in Nöten“ absolviert haben. Alternativ geht es auch, für Blood and Wine eine neuen Charakter zu starten. Wir bekommen dann einen frischen Geralt auf Level 34. Man muss also die Hauptgeschichte aus Witcher 3 nicht durchgespielt haben.
Das hatte ich aber und ich startete mit meinem weitgereisten und oftmals blutig befleckten Hexer Geralt von Riva ins Spiel. Die Startquest für Blood and Wine wird direkt ins Questlog eingefügt.
Eine freundliche Aufforderung von Anna Henrietta
An einem Bekanntmanchungsbrett finden wir nun einen Aufruf, der direkt an Geralt persönlich gerichtet ist. Die gnädige Herrscherin des Fürstentums Toussaint, Anna Henrietta, bittet ihn um seine Hilfe. Ihre beiden Gesandten, zwei edle Ritter in strahlender Rüstung und mit buntem Helmfederschmuck, warten im Dorf Hohlweg auf sein Erscheinen. Als Geralt eintrifft, versuchen die beiden Ritter die örtliche Bevölkerung gerade davon zu überzeugen, ihr gegen lokale Banditen beizustehen – obwohl die Dörfler in ihrer armen Kleidung sie bitten, sich herauszuhalten.
Kopfschüttelnd über diese beiden merkwürdigen Theatergestalten treten die einfachen Leute staunend beiseite, als Geralt eintrifft. Nach kurzer Wortplänkelei entrollen die Herren Ritter die pompöse Heroldsschriftrolle der gnädigen Fürstin Anna Henrietta und verlesen der Tradition entsprechend ihr Begehr. Spätestens hier fragt sich auch Gerald, ob er im falschen Film gelandet ist.
Anna Henrietta bittet Geralt um Hilbe bei der Bekämpfung eines gar fürcherlichen Biests, das ihre Untertanen in Angst und Schrecken versetze.
Bei einer so geschliffen von Gesandten vorgetragenen Bitte kann Geralt natürlich nicht nein sagen und packt gleich seine Sachen.
Vom Kriegsschauplatz in einen Ritterroman
Geralt kommt gerade aus dem kriegsgebeutelten Temerien und ist den Anblick von brennenden Hütten und – hexenjägerbedingt – brennenden Büchern und Kräuterkundigen auf Scheiterhäufen gewohnt. In Temerien herrschen, außer in einem Stadtviertel in Novigrad, Armut und Elend. Rohe Gewalt und aufgehängte Leichen gehören zum Bild der Landschaft. In den Straßen Novigrads übergeben sich Betrunkene, Kaufleute und Reisende fluchen und brüllen und an den Straßenecken machen Huren schlüpfrige Angebote.
Von hier kommt Geralt nach Toussaint – es ist der gleiche Kontinent, könnte aber auch eine komplett andere Welt sein. Alles hier ist anders – sogar die Grafik und die Musik.
Grafik und Stimmung in Blood and Wine
Aus Skellige und Velen kennt unser Geralt klare Bäche, Felsen, Lichtstrahlen durch die Bäume, rauschenden Wind und dezent blühende Heidepflanzen. Man kann hier fast schon den Duft tiefer Wälder erahnen. Temerien ist ein urtümliches, brachiales, aber auch klares und einfaches Land. Seine rauhe Natur macht die besondere Schönheit der Landschaft aus.
Zur Erinnerung an Temerien:
Farben und Musik
Toussaint dagegen fühlt sich auf den ersten Blick eher wie eine Art farbenübersteuerter Drogentraum an. Hier scheint es geradezu übertrieben nach Parfum zu duften. Die Grafik ist standardmäßig auf Weichzeichner und Bloom gesetzt, so dass es keine zu scharfen Kanten gibt. Die bunten Blumen, Fahnen und Kleider erschlagen den Besucher aus dem wilderen Norden geradezu. Erinnert sich noch jemand an das Tutorial-Gebiet aus Guild Wars 1 (Prophecies), bevor die Stadt zerstört wurde? An diese Idylle erinnert Toussaint. Dazu wirkt alles ein wenig verschwommen.
In Temerien hat die Hintergrundmusik mit harschen Klängen stets das düstere Umfeld und die Trostlosigkeit des Lebens unterstrichen. Ich wurde fast schon depressiv deswegen ^^ In Toussaint finden sich diese Melodien auch in der musikalischen Untermalung wieder, aber sie schwelt nur im Hintergrund, langsamer und überspielt von einer unbeschwerten Melodie. Wie ein mit Aspirin unterdrückter Schmerz.
Während in Temerien oft starker Wind weht, in dem sich die Bäume biegen und Äste abknicken, geht in Toussaint mehr ein mildes Lüftchen. In den Vordergrund treten andere, weniger dramatische Geräusche: Das Plätschern eines Bachs wirkt lauter, es summen Insekten umher und mehrere Vogelarten zwitschern von unterschiedlichen Bäumen herab. Es ist wie im Paradies.
Dieser weiche, bunte Look und dazu die Musik und Geräusche hinterlassen stark den Eindruck, dass Toussaint ein Land ist, das Sorgen und ein schweres Leben kaum kennt.
Alles ist so bunt!
Geralt trifft hier auf viele Adelige und reiche Bürger. Selbst die einfachen Menschen hungern nicht, und auch sie tragen bunte Kleidung, während in Temerien eher Lumpen die Regel waren.
Mein Recke selbst steckt in der höchsten Rüstungsklasse des Grundspiels, nämlich in meisterlicher Bärenrüstung. Richtig schmuckvoll adelig sah die nie aus, aber im Vergleich zu den bunten Rittern Toussaints fühle ich mich schäbig wie ein Bauerntrampel in einem alten Sack.
Zum Glück gibt es in Blood and Wine eine neue Stufe für die Hexerausrüstung (Großmeister), und zum Glück kann Hexer Geralt nun seine Kleidung auch färben. Dazu benötigt er Färbemittel, die er für teuer Geld kaufen- oder eben auch selbst finden kann.
Aber nicht nur die Kleidung der Menschen ist farbenfroh, sondern auch die Häuser. Temerische Häuser kennen wir als zusammengezimmerte Bruchbuden, schiefe Fachwerkhäuser oder als pragmatische Zweckbauten aus Stein. In Toussaint strahlen uns viele Häuser in türkisem, grünem oder violetten Anstrich entgegen, oftmals noch mit Mustern verziert.
Poesie und Minnegesang
Blood and Wine wirkt wie ein völlig deplatzierter Einbruch in die harte Realität. Die größte Sorge der Menschen hier ist, dass die Seidenkleidung knittern könnte.
Wir finden uns quasi direkt in einem lebendig gewordenen Minnegesang wieder. Die vielen Ritter suchen nach Ruhm und Ehre, und sie handeln stets nach den 5 Tugenden, denen sie sich beim Ritterschlag verschrieben haben. Es geht um Poesie, Turniere und Heldentaten. Guillaume, ein blondgelockter junger Ritter, den Geralt gleich zu Beginn trifft, hat seiner Angebeteten geschworen, ihr den Kopf eines Monsters als Beweis seiner Liebe zu präsentieren.
Über die blühenden Weinterrassen schreiten Pfaue und die Menschen unterhalten sich kultiviert. „Guten Tag Herr Schmied, mein Ross bedarf neuer Hufeisen!“ schallt es Geralt etwa entgegen, als er sich auf einem Turnierplatz dem Schmied nähert. Selbst Flüche und Beleidigungen – „Entschuldige dich, Kanaille!“ klingen in Toussaint mehr wie sanfte Bauchstreichelei.
Temerien fühlt sich an wie die Realität, Toussaint wie ein Rittermärchen. Als Geralt haben wir so viel Elend und harte Realität erlebt, dass uns die Blumenranken, die feine Sprache und dieses niedliche Beharren der Ritter auf ihre Tugenden wie der feuchte Traum eines übereifrigen Dichters vorkommt.
Geschichte und Quests
Das geheimnisvolle Biest von Toussaint
Dass auch in Toussaint nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, zeigt schon die Tatsache, dass Geralt überhaupt dort ist. Zwei Adelige wurden ermordet und keiner weiß, wie und warum. Die Beschreibungen der Tatvorgänge nimmt Geralt am Anfang noch nicht sehr ernst. Aber schon kurz nach seiner Ankunft bekommt er es mit einer Bruxa zu tun, also einer Vampirin, die in einem idyllischen Weingut arme unschuldige Wachen wie blutige Punchingbälle umherschleudert.
Dass wir es bei dem „Biest“ in Toussaint nicht mit irgendeinem Riesenbären zu tun haben, ist daher fast schon klar. Wie von Witcher gewohnt, handelt es sich eher um eine spannende Hintergrundgeschichte, in der es Hexer Geralt schwerfallen wird, gut und böse zu unterscheiden.
Nebenquests
Darüber hinaus gibt es natürlich auch Hexeraufträge und weitere Nebenquests, in der nicht immer Geralts scharfe Klingen das Mittel der Wahl sind.
Die Quest „Papierkrieg“ etwa beginnt überraschend. Geralt trifft auf einen Kaufmann, für den er vor Jahren einen Auftrag erledigt hat, der ihm aber damals die Belohnung schuldig geblieben ist. Nun möchte der Kaufmann seine Schuld begleichen. Er hat für Geralt ein Konto bei der hiesigen Bank eingerichtet, wo er nun seine Belohnung abholen darf.
Das ist aber nicht so einfach. Die Dame am Schalter erklärt Geralt, dass er vor Jahren für tot erklärt wurde. Sein Geld wurde eingefroren und er kommt nur mit Formular A38 wieder ran. Und hier beginnt ein bürokratischer Alptraum, der Geralt durch alle Stockwerke der Bank und sogar auf einen Faustkampf nach draußen führt. Am Ende hilft ihm sein Charme weiter, und es stellt sich heraus, dass der Bankinhaber ein alter Bekannter von ihm ist.
Weitere neue Inhalte
Neu in Blood and Wine ist aber nicht nur das neue Gebiet und die Möglichkeit, Geralts Rüstung umzufärben.
Housing: Geralts eigenes Landgut!
Endlich bekommt der rastlose Hexer auch eigenen Grund und Boden – und zwar geschenkt. Das Anwesen Corvo Bianco, das Geralt nebst Bediensteten gleich beim ersten Treffen mit Anna Henrietta übereignet bekommt, ist ein altes, großes Weingut.
Ein eigenes Bett und eine Truhe für Geralts Siebensachen gibt es natürlich, aber er kann er nun auch Bücher in Regale stellen und Bilder aufhängen. Außerdem ist es gegen bare Münze auch möglich, das etwas renovierungsbedürftige Weingut nach und nach einer Generalüberholung zu unterziehen.
Wie viel Geld man hier versenken kann, will ich mir im Moment noch gar nicht vorstellen. Aber so gemütlich, wie es dort ist, sehe ich meinen Geralt schon mit einem Glas Wein unter Blumengirlanden im Schatten sitzen – ein Ort zum alt werden (und Geld investieren).
Neue Mutationen
Kurz nach Geralts Ankunft in Toussaint erreicht ihn ein Brief von Yennefer, die ihn über die Mutationsstudien eines Professors in Toussaint informiert. Dazu muss er nur dessen versunkenes Labor finden und durchsuchen.
Nach diesen Strapazen kann Geralt in einem neuen Fenster der Charakterübersicht spezielle neue Mutationen freischalten.
Blood and Wine: Fazit
Auch wenn ich hier von Drogentraum, verweichlichten Rittern und parfumgeschwängerter Luft schreibe – Blood and Wine ist unerhört gut.
Die weichgezeichnete und farbenfrohe Optik ist gewöhnungsbedürftig, aber zumindest der Weichnzeichner lässt sich bei Bedarf abschalten. Über allem scheint aber trotzdem ein leichter Gelbstich zu liegen – vielleicht, um die Wärme der Region hervorzuheben.
Die Menschen, denen Geralt begegnet, sind so herrlich naiv und ich bin selbst nach kurzer Zeit in die kultivierte Sprache verfallen. Dementsprechend viel Spaß machen die Dialoge. So erzählt ein Gastwirt, der eine Leiche gefunden hat, erstmal dramatisch mehrmals davon, wie er morgens aufstand und feststellte, dass der Himmel blutrot war. Dabei hatte Geralt nach den Umständen des Leichenfundes gefragt.
Wer The Witcher 3 – Wild Hunt mag, der sollte unbedingt noch ein paar Extra-Euros für Blood and Wine investieren. Für relativ wenig Geld bekommt man in diesem DLC richtig viel Inhalt. Dass da viel Liebe drin steckt, merkt man in jedem Detail! Blood and Wine ist keineswegs nur ein draufgeklatschter Inhalt, um noch ein bisschen Geld mit dem Spiel vom letzten Jahr zu verdienen. Vielmehr ist es eine Liebeserklärung an das Spiel und ein Abschied von Witcher 3 zugleich. Unbedingte Zockempfehlung!
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