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Unter der Lupe: Die Rekonstruktion von Washington, DC in Division 2

Division im Vergleich zur Realität

Kürzlich schrieb ich ein Review über den postapokalyptischen RPG-Shooter Division 2 und lobte dabei das Spiel in den höchsten Tönen. Heute geht es um einen einzelnen Aspekt, der auch für Nicht-Spieler interessant sein könnte: Nämlich den Nachbau der US-Hauptstadt Washington, DC für das Spiel. Wie realistisch ist die Rekonstruktion, und kann ein Spiel es ermöglichen, eine echte Stadt glaubwürdig wiederzugeben?

Washington im Vergleich: Division 2 im Vergleich mit Google Street View
Links siehst du Division 2, rechts die gleiche Ansicht aus Google Street View in der Realität. Das ganze übereinandergeblendet mit etwas Photoshop-Magic :D

In Washington spielt sich die ganze Geschichte ab, und die Division 2-Website spuckt recht große Töne über diese Stadtrekonstruktion:

Washington, D.C. ist in The Division 2 1:1 nachempfunden worden und stellt die Stadt so realistisch dar wie niemals zuvor. Diese authentische Spielwelt bietet unübertroffene Nahansichten von Sehenswürdigkeiten, Landschaften, Stadtvierteln und feindlichen Verstecken.

Division 2-Website

Wenn wir den Spielaspekt weglassen und die herumstreitenden Rowdys ausblenden, ist es ziemlich interessant zu schauen, wie so eine Rekonstruktion gelingt. Denn nichts anderes ist es ja, wenn ein großer Bereich einer Innenstadt „1:1 nachempfunden wird“. Und das ist von Bedeutung, wenn wir uns vorstellen, ob, wie und wann in Zukunft bestimmte Orte virtuell zu bereisen sind.

Wäre das Division 2-Washington, DC eine virtuelle Reise wert? In meinem Review hatte ich erwähnt, dass in den begehbaren Museen der Stadt ganze Infotafeln problemlos lesbar sind und teilweise sogar Filme ablaufen. Damit rutschen wir sogar schon in die Nähe einer kleinen Bildungsreise nach DC :D

In diesem Beitrag geht es also darum,

  • wie realistisch und wahrheitsgetreu diese Rekonstruktion tatsächlich geworden ist,
  • wie die Entwickler die Rekonstruktion bewerkstelligt haben und
  • worauf sie bei der „Ruinierung“ der virusverseuchten Stadt Wert gelegt haben

Keine Frage, die Stadt sieht auf jeden Fall wahnsinnig gut aus. Aber wie nah an der Realität ist das Pixel-Washington wirklich? Glücklicherweise gibt es heutzutage Mittel und Wege, sowas nachzuprüfen, ohne dort zu sein – mit der Satellitenansicht und Street View kann Google Maps oft schnell Aufschluss geben.

[toc]

Eine Tour durch das Division-Washington macht sowieso schon riesigen Spaß und man kann viel über die Stadt und ihre Geschichte lernen. (Fast) der einzige Unterschied zu einem Städteurlaub ist, dass patrouillierende Feinde dich schnell beim Lesen und im Foto-Modus über den Haufen schießen können. Ist eben ein bisschen wie Safari: Schauen, staunen, aber auf der Hut bleiben :D

Wie realistisch ist der Nachbau von Washington, DC?

Auf meinem Streifzug ging es nicht darum, die zahlreichen Monumente im Spiel neben ihre Originale zu stellen – gerade die speziellen, herausragenden Bauwerke ziehen natürlich alle Blicke auf sich und müssen daher perfekt sein, wenn es um Realitätstreue geht. Nein, ich habe mir stichprobenweise und rein zufällig einzelne, ganz normale Straßen und Gebäude angeschaut und dabei wirklich beeindruckende Übereinstimmungen gefunden!

Meine Erwartungen an die Rekonstruktion von Washington: Ich ging davon aus, dass

  • die Straßenzüge stimmen,
  • markante Gebäude nachmodelliert wurden (schau dir auf dieser Seite einen Vergleich einiger Monumente an)
  • und vielleicht Gebäude an Kreuzungen einigermaßen stimmen, so dass man sich als Einheimischer in den Straßen tatsächlich orientieren kann

Aber diese Erwartungen wurden bei weitem übertroffen!

Der Washington-Rebuild hat nicht nur die Grundrisse der Bauwerke in den einzelnen Straßenblöcken übernommen, sondern berücksichtigt auch viele Details. Das reicht von Straßenlampen und Mülleimer in der richtigen Form an der richtigen Stelle über nachempfundene markante Glasüberdachungen bei U-Bahn-Eingängen bis hin zu Straßenmarkierungen an entsprechenden Straßenübergängen.

Als ich am Anfang mal geschaut und dadurch Blut geleckt habe, wollte ich nur prüfen, ob die Gebäude eines Straßenblocks ungefähr mit denen in der Realität übereinstimmen. Das sah zuerst nicht so aus: Ich stand in einem Durchgang zwischen zwei hohen Gebäuden. In der Google Maps-Satellitenansicht sollte es da aber keinen Durchgang geben. Schade. Aber dann schaute ich im Spiel nach oben und bemerkte, dass die beiden Häuser über mir durch einen breiten, zum Gebäude gehörigen Übergang miteinander verbunden sind. In der Satellitenansicht sieht man eben so einen Durchgang nicht. Wow!

Bildergalerie: Washington in der Realität und in Division 2

Wenn man sich das Spiel genau anschaut, wird klar, dass die Rekonstruktion weit über den Nachbau der Straßenzüge hinaus geht. Die Entwickler von Massive Entertainment haben vor allem auch Wert auf die Details gelegt. Auf meinen Vergleichsstreifzügen habe ich gemerkt, dass die einzelnen Hausfronten durchaus zu erkennen sind. Selbst, wenn nicht immer die Anzahl der Fenster stimmt, statt eines Rundbogens über einem Fenster eben ein Sims eingebaut ist oder vielleicht auch mal ein Dachtürmchen zu sehen ist, was dort nicht hingehört – dafür stimmt dann wieder die Farbe der Haustür oder die Backsteinfassade und es steht das gleiche Parken verboten-Schild vor der Einfahrt.

Hausfront in Washington
Hier gibt es deutliche Unterschiede, aber diese Straßenecke ist deutlich erkennbar! Z.B. an der blauen Tür und am Parken verboten-Schild
Straßengabelung in Washington
Eine Straßengabelung – links das Original, rechts in Division (etwas näher an der Gabelung dran)
Überbrückte Straße
Straßenbrücke: Die großen Bäume sind in der Realität noch sehr klein, aber es gibt auch ähnliche Speed Limit-schilder und selbst die Straßenlaterne im linken Bild gibt es in Division (wegen Blättern kaum zu sehen)

Eine hunderprozentige Übereinstimmung ist natürlich nicht möglich – nicht mit dem Anspruch, ein Action-Spiel zu gestalten. Dafür wäre es unmöglich, tausende individuelle Fensterformen nachzubilden, jeden Vorgarten zu kopieren und alle Hinterhöfe zugänglich zu machen. Etwas Fiktion und künstlerische Freiheit sind auch deswegen nötig, um dem Spieler Zugänge und Kletterflächen zu bieten. In Division 2 sind viele Eingänge auch durch Müllhaufen oder sonst wie versperrt, denn irgendwo muss man der Bewegungsfreiheit Einhalt gebieten, um irgendwann das Spiel abliefern zu können.

Trotz dieser Kompromisse würde der der Washingtoner „sein“ Washington wiedererkennen. Die Stadt ist keine exakte Kopie geworden, sondern eher eine „alternative Realität“: Ähnlich, aber nicht exakt gleich. Und das ist wirklich erstaunlich genug, denn man könnte meinen, dass die Stadt doch „nur“ Kulisse ist für die Scharmützel, die die Spieler sich leisten. Man merkt beim Vergleich aber an jeder Ecke, dass sich die Designer wirklich Fotos angeschaut haben und individuelle Merkmale mit ins Spiel eingebaut haben. Das ist wirklich sehr beeindruckend!

Mit Lidar-Daten zur digitalen Stadtrekonstruktion

Für das grundlegende Design der Stadt kam ein alter Bekannter zum Einsatz: Lidar-Daten. Das ist keine Überraschung und auch nichts Neues: Schließlich ist genau das ein typischer Einsatz von Lidar-Daten, und auch die 3D-Ansicht in Google Maps wurde mithilfe von Lidar angefertigt – allerdings ziemlich grob. Mit sehr fein aufgelösten Lidar-Daten erhält der Nutzer eine extrem detaillierte Landschaft: Schau es dir mit dem Programm planlauf/TERRAIN selbst an.

Was sind Lidar-Daten? Einfach gesagt fliegt ein Flugzeug über die zu erfassende Landschaft und misst beim Flug mit Millionen von Laserpunkten die Höhe der Oberfläche aus, auf die die Laserstrahlen treffen. Daraus wird dann ein digitales Oberflächenmodell berechnet, mit dem man nicht nur die Grundrisse und Höhe von Gebäuden schon als Modell dargestellt bekommt, sondern gleichzeitig auch die Position von Bäumen, Bänken und viel mehr direkt erkennen kann.

The Division 2

Für den Washington-Nachbau war das laut Creative Director Julian Gerighty von großer Bedeutung, denn das Entwicklerteam hat keinen Aufwand gescheut, um die Stadt so akkurat wie möglich 1:1 zu rekonstruieren (Quellen findest du ganz unten). Deswegen haben sie wenn möglich diese Daten auch genutzt, um dort Bäume zu setzen, wo sie sich in der Realität auch befinden. Mir ist aber aufgefallen, dass zwar die Position meistens passt, aber die Größe des Baums nicht immer. Auf dem Vergleichsbild mit der überbrückten Straße ist zu sehen, in der Realität das Bäumchen noch ganz klein und frisch angepflanzt ist, aber in Division stehen dort große, ausgewachsene Bäume. Können wir trotzdem so gelten lassen, der Wille zählt :D

So oder so ist es faszinierend, die Gemeinsamkeiten des virtuellen Washingtons und der echten Stadt zu finden, und es sind wohl gerade diese kleinen Dinge wie Bäume, Mülleimer und Straßenmarkierungen, die Details eben, die die Umgebung so glaubwürdig machen. Deswegen haben die Hausfassaden und sogar die Zebrastreifen auch die richtigen Farben :D

Erst der Aufbau, dann die Zerstörung

Trotz dieses enormen Aufwands und des Detailreichtums sei der Nachbau der Stadt dank der Lidar-Daten aber noch die einfachere Aufgabe gewesen. Um die Stadt danach verwildern zu lassen, war großer Rechercheaufwand nötig. Immerhin herrscht im Division 2-Washington seit sieben Monaten der Ausnahmezustand, nachdem die meisten Menschen von einer Seuche dahingerafft wurden. Nichts wird mehr instand gehalten, niemand beseitigt mehr den Dreck und die Natur kann sich fast ungehindert wieder ausbreiten. Wie würde das alles vonstatten gehen und wie könnte die Stadt dann aussehen?

Weil die Details so wichtig sind, haben die Entwickler auch mit Feuerwehrleuten, Polizisten und Kräften aus dem Krisenmanagement, aber auch mit Botanikern und Forschern über den Vorgang der „Überwilderung“ und Zerstörung gesprochen. So haben sie beispielsweise erfahren, welche Gebiete von Überflutungen durch die Gezeiten und durch schlechtes Wetter besonders betroffen wären. Und dass die Mall, also der 3,5 Kilometer lange Grünstreifen zwischen dem Kapitol und dem Lincoln Memorial, sich besonders für Feldlazarette und militärische Befestigungen eignen würde – logisch, da ist genug Platz.

Verwilderte Straße
Eine verwilderte Straßenszene.. Im Hintergrund der Eingang zur Dark Zone East

Die Entwickler wollten wissen, was mit der Stadt passieren würde, wenn es tatsächlich zu einem solchen Szenario kommen würde. Daher finden sich in Division überwucherte Straßen und Plätze vor allem dort, wo es bereits einen Park oder eine Grünfläche gibt, von wo der Dschungel sich ausbreiten kann. In anderen Bereichen, in denen es keine solchen Grünflächen gibt, bleiben auch Stein und Beton vorherrschend, weil es hier einfach länger dauern würde, bis die Natur sich ihren Raum zurückerobern kann. Ich könnte mir vorstellen, dass bei der Recherche noch viele weitere interessante Erkenntnisse herausgekommen sind – sowas sollte gleich mit veröffentlicht werden :D

Auch die Natur-Geräuschkulisse des Spiels ist sehr gelungen, das ist kein Zufall: Das Team wollte den „Sound von Washington“ einfangen und wir hören im Spiel daher tatsächlich echte Hintergrundgeräusche aus der Stadt! Dazu haben sie nachts auf der autofreien, naturbelassenen Insel Roosevelt Island (die wir im Spiel auch betreten können) Aufnahmen gemacht. Im Spiel hören wir verschiedene Vögel zwitschern und fliegen, Insekten summen, Bäume rauschen im Wind – was echt ziemlich interessant ist, weil wir uns ja eigentlich in einer Großstadt befinden. Gerade die natürliche Geräuschkulisse trägt viel dazu bei, die Rückeroberung der Stadt durch die Natur erfahrbar zu machen.

Fazit zum Washington-Stadttrip in Division 2

Alles in allem spüre ich ein wenig Neid auf diejenigen, die sich im echten Washington auskennen :D Wenn es für uns „Fremden“ schon toll ist, durch die Rekonstruktion zu laufen – wie spannend muss das für jemanden sein, der dort lebt, arbeitet oder studiert?

Außerdem finde ich es interessant, dass das Entwicklungsstudio so einen Aufwand betrieben hat, um die Rekonstruktion so realistisch wie möglich zu machen – für ein Spiel. Man hätte schließlich auch eine fiktionale Stadt errichten können, damit hätte man sich viel Mühe erspart. So ist aber schon die „Kulisse“ ein gutes Argument für Divsion 2 und könnte sogar – zusammen mit anderen spannenden Rekonstruktionen (wie zB. das antike Ägypten in Assassin’s Creed Origins) die Grundlage für eine „virtuelle Weltreise“ sein.

Ich hoffe, dass in Zukunft noch viele weitere so spannende „alternative Realitäten“ auf den Markt kommen :D Und die Chancen stehen gut, dank Lidar lässt sich die Stadttopographie ja fast schon problemlos importieren und sicherlich wird es in kurzer Zeit KI-Lösungen geben, die bspw. direkt Street-View-Daten als Texturen anwenden können.

Quellen

Die Infos, die ich hier zum Entwicklungsprozess wiedergebe, stammen aus Interviews direkt mit den Spielentwicklern und du kannst alles hier nachlesen:

  • William Vitka: How The Division 2 video game recreated and destroyed DC auf WTOP
  • Dean Takahashi: The Division 2 interview: how Ubisoft brought the pandemic to D.C. auf Venturebeat
  • Gillen McAllister: How The Division 2’s new Washington DC location makes for a deeper, more varied shooter auf PlayStation.Blog

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