Assassins Creed Origins – Zückt die Feder, Schreiber, schreibt es nieder, dieses Spiel verdient ein Denkmal in den Hallen des Ruhms!
Ich bin ja nicht mal Assassins Creed-Fangirl. Um ehrlich zu sein, ist Origins das erste Mal, dass ich einen Assassinen spiele. Wie auch immer die älteren Teile waren – ich kann nur Bayeks Reise durch Ägypten beurteilen, und sie ist äußerst wohlgefällig. Hier kommt alles zusammen: Eine unglaublich schöne Spielwelt, vollkommen ausreichendes Story Telling, ein Kampfsystem, das einfach Spaß macht. Und die Aussichten! Diese Schmeicheleien des Lichts! Das Gleißen des Wassers, das Flimmern der Wüste! Von AC Origins bin ich so begeistert, dass mir fast schon die Worte fehlen.
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Aber ein bisschen was kriege ich für diesen Test zusammen :D Also – um was geht es in diesem wunderbaren Spiel, und was bietet es? Zunächst gibt es hier den Trailer zu Assassins Creed Origins.
https://www.youtube.com/watch?v=vC7Lbn-qeag
Assassine eures Vertrauens: Bayek von Siwa
Nach einer kurzen Filmsequenz, die eine blutige Rache zeigt, wirft Ubisoft euch direkt kompromisslos in einen Kampf. Ohne zu wissen, um was es nun überhaupt geht, bekommt ihr ein paar Hinweise zum Kampfsystem und dürft euch nach dem Sieg gegen einen keulenschwingenden Hünen den Weg durch einen alten ägyptischen Schrein nach draußen in die Wüste suchen. Du bist Bayek, Medjai aus der Oase Siwa im westlichen Ägypten, und du befindest dich auf einem Rachefeldzug. Ein Medjai ist eine Art Beschützer des Pharaos bzw. des ganzen ägyptischen Volkes. Sagen wir einfach, Bayek ist eine Art hoch angesehener Sheriff.
Nach ein paar Quests in der Oase Siwa erfahren wir in einer Rückblenden-Quest mit ziemlich guten Filmsequenzen, was Bayek zum Racheengel gemacht hat. Die maskierten Mitglieder eines geheimen hohen Rates wollten von ihm erfahren, wie sie sich Zugang zu einem alten Schrein verschaffen können. Als Druckmittel haben sie Bayeks jungen Sohn entführt. Da Bayek es selbst nicht weiß, stirbt sein Sohn und Bayek dreht durch. Er schwört, alle Ratsmitglieder ausfindig zu machen und sie zu töten.
So einfach, so gut. Dieser Rachefeldzug führt Bayek dann zunächst in das wunderschön digital rekonstruierte Alexandria, wo er Kleopatra trifft. Kleopatra ist die Schwester von König Ptolemaios XIII und zugleich dessen Widersacherin. Ganz nebenbei können wir dabei auch antike Weltwunder besuchen, darunter natürlich den berühmten Leuchtturm und die Bibliothek von Alexandria, die für die Vielzahl ihrer Schriften berühmt war.
Und so wird Bayek direkt in die politischen Ereignisse der Zeit um 50 v. Chr. hineingezogen. Zu dieser Zeit ist die Welt im Wandel – es entsteht das römische Kaiserreich! Ein bisschen historischer Hintergrund muss natürlich sein :D – Zumal man im Spiel diese Hintergründe teilweise deutlich mitbekommt.
Das Alte Ägypten
Das Alte Ägypten der Pyramidenbauer gibt es zur Zeit Bayeks schon längst nicht mehr. Bayek selbst ist ägyptischer Einheimischer, der mit voller Überzeugung an die (ägyptischen) Götter Amun, Re, Anubis, Osiris, Sachmet und wie sie alle heißen glaubt. Riten, Gebete und Opfergaben spielen eine gewisse Rolle in Bayeks Leben. Allerdings werden die alten Götter von der griechischen Götterfamilie verdrängt, denn in Ägypten leben die Menschen 50 v. Chr. in einer Art Zweiklassengesellschaft: Ägypter und Griechen.
Die einheimischen Ägypter betrachten sich als Nachkommen der Hochkultur am Nil, die bereits 3000 Jahre zuvor schon Pharaonen hervorbrachte und um 2500 v. Chr. die Großen Pyramiden von Gizeh und viele weitere beeindruckende Bauwerke errichtete. Informationen zur Geschichte Ägyptens erhaltet ihr übrigens in einer kostenlosen Erweiterung zum Spiel, dem pädagogischen Entdeckermodus.
Immer wieder stößt Bayek auf halb versunkene Ruinen und Stätten mit umgekippten Säulen, wo er dann selbst zum Archäologe Slash Grabräuber wird. Schon in den ersten Spielminuten fällt ihm auf, dass dieser Tempel schon viele Jahrhunderte alt sein muss. Auch der Spieler merkt, dass man bereits vor 2000 Jahren in Ägypten ähnlich wie wir heute auf eine Kultur zurückblickte, die lange vor der eigenen Zeit präsent war. Man muss sich bewusst machen: Kleopatra ist zeitlich gesehen uns heute näher als den Erbauern der Großen Pyramiden. Zu ihrer Zeit, vor über 2000 Jahren, gab es schon eine Jahrtausende währende Geschichte und damit halb versunkene und vergessene Relikte längst vergangener Königreiche.
Auf diese Geschichte sind die Ägypter natürlich stolz.
Neuankömmlinge: Griechen und Römer
Aber diese Zeit ist vorbei. Um 300 v. Chr. kam der Grieche (bzw. Mazedonier) Alexander der Große und eroberte das Land. Seitdem sitzen auf dem ägyptischen Thron Griechen, die nicht mal die ägyptische Sprache beherrschen, es entsteht die griechische Metropole Alexandria im Norden am Mittelmeer, griechische Architektur sprießt aus dem Boden und die Oberschicht unterhält sich auf griechisch. Bezeichnend ist, dass sich direkt unterhalb der prachtvollen Stadt Alexandria eine Art ägyptischer Slum anschließt, wo die ägyptischen Einheimischen in ihren eng verschachtelten Lehmhütten hausen.
Allerdings waren im Mittelmeerraum nicht die Griechen der allerletzte Schrei um 50 v. Chr., sondern die Römer, die jüngste der drei Kulturen. Die Griechen hatten eigentlich gar keinen Grund, überheblich zu sein, auch ihre eigene Zeit war schon längst abgelaufen: Bereits 100 Jahre zuvor hatten die Römer sich Griechenland einverleibt und dessen Unabhängigkeit beendet. Allerdings basiert die römische Kultur in vielerlei Hinsicht auf der griechischen; die Römer hatten viel aus Griechenland kopiert. Baustile und Götter sind nur zwei Aspekte, die die Römer übernommen und angepasst haben. So hat jeder griechische Hauptgott bei den Römern eine passende Entsprechung: Zeus wird zu Jupiter, Aphrodite zu Venus, Ares zu Mars.
Die Römer versuchten nun, Einfluss auf das reiche Ägypten zu nehmen – was Iulius Caesar, Marcus Antonius und natürlich Octavian (später als Kaiser Augustus bekannt) zwischen 49 und 30 v. Chr. auch gelang. Am Ende wurde Ägypten zu einer abhängigen römischen Provinz. Das wird übrigens auch in der Serie Rome tangiert, die ich nur wärmstens empfehlen kann :D
Aus Sicht der Griechen sind die Einheimischen jedenfalls verwilderte Barbaren, Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit. Das bemerkt man auch in Assassins Creed Origins: Aus Dialogen hört man heraus, wie manche Griechen abwertend über die Ägypter reden: Alles Diebe und Rumtreiber. Weiter südlich in Ägypten, weit weg von der griechisch geprägten Mittelmeerküste, ist der Patriotismus der Ägypter noch deutlicher zu spüren. Verständlich, denn Ägypter werden offenbar auch höher besteuert. Neue griechische Viertel, Bräuche und Tempel lehnen die Menschen ab und ihren Unmut darüber machen sie sich laut Luft.
Auch in Quests schlägt sich das gespannte Verhältnis zwischen „alten Ägyptern“ mit ihren Traditionen und Göttern und „Neuankömmlingen“ nieder. Einmal muss Bayek Morde in einem griechischen Tempel aufklären, die durch radikale Einheimische begangen wurden.
Das Gameplay von AC Origins
Natürlich bleibt es nicht beim friedlichen Aufklären von Morden – Bayek ist schließlich Assassine :D Zum Glück steht er im Kampf gegen machtgierige und skrupellose Mächte nicht allein da, er hat einen treuen Freund und Helfer: Den Adler Senu. Aus der Vogelperspektive können wir viel sehen, was am Boden verborgen bliebe. Senu dient zur Aufklärung, er kann Gegner markieren (und dabei Gesprächsfetzen hören), Schätze finden, Questziele ausmachen. Bevor Bayek einen feindlichen Bereich betritt, sollte er unbedingt vorher mit Senu schauen, was sich dort so tut. Als gewandter Kletterer kann er sich dann einen geeigneten Platz suchen und mit Pfeilen den einen oder anderen Feind schon mal aus dem Leben schießen.
Spielweise als Assassine
Dafür gibt es vier unterschiedliche Bogentypen, die verschiedene Eigenschaften haben. Ich mag den Raubtierbogen: Damit kann man sehr präzise Pfeile verschießen und, wenn geskillt, den Pfeil im Flug sogar leicht steuern, um noch besser den gegnerischen Kopf zu treffen. Mit anderen Bögen kann man Pfeile schnell hintereinander verschießen oder schrotflitenmäßig gleich mehrere auf einmal.
Wer nicht so sehr auf Pfeil und Bogen steht, kann den Assassinen auch super im Nahkampf spielen. Über Dächer und durch hohes Gras kommt Bayek ungesehen nahe an seine Ziele und kann aus nächster Nähe tödliche Attentate verüben. Dazu gehört natürlich auch, danach die Leiche irgendwohin zu tragen, wo man sie nicht sehen kann.
Bayek ist aber nicht nur gut als Assassine, der Attentate aus dem Schatten verübt. Was, wenn die Situation eskaliert und gefühlt eine ganze aufgescheuchte Legion Bayek tot sehen will? In Ubisofts anderem aktuellen Spiel, Ghost Recon Wildlands, artet so eine Situation oft in panisches Geballer und Flucht vor dem Helikopter aus. Bayek aber schafft es mit Leichtigkeit, sich blitzschnell aus dem Kampfgetümmel zurückzuziehen, ein paar Wände hochzuklettern und zu warten, bis sich die Feinde wieder beruhigt haben.
Eskalationsbewältigung
Je nach genutzter Waffe ist Bayek aber auch im Kampf gegen mehrere Gegner sehr agil. Er kann ausweichen und mit zwei Dolchen um die Gegner herumtänzeln, ihnen in den Rücken stechen oder mit einem kraftvollen Axthieb die gegnerische Deckung zerschlagen. Oder er wirft Brandbomben. Dabei sollte er aber aufpassen, wo er das Feuer legt – zu niedrig gezielt breitet sich das Feuer unter seinen eigenen Füßen aus :D Zu schön, wie er dann fluchend – „Scheiße! Scheiße! Ah, Mist, argh… Feuer gefangen! Verdammt, geh aus! “ – hektisch versucht, das Feuer auszuklopfen. Mit Feuer ist allerdings zurecht nicht zu spaßen: Wenn Bayek brennt, nimmt sein Lebensbalken so schnell ab, dass der Brand-Dot ihn ziemlich schnell ins Gras beißen lassen kann.
Wenn alles nichts hilft und keine Mauern zum Verstecken in Sicht sind, dann nehmen wir auch mal die Beine in die Hand und versuchen, den gegnerischen Pfeilen im Zickzacklauf um Bäume herum auszuweichen und Leben zu regenerieren. Hier hat mich schon ein beherzter Sprung ins Wasser mit anschließendem Tauchgang oder ein in der Gegend herumstehendes Pferd gerettet und außer Reichweite gebracht.
Auf jeden Fall: Es macht immer wieder Spaß, ein Lager zu infiltrieren und mit den Feinden Katz und Maus zu spielen :D
Aya und Layla
Bayek ist zweifellos unser Hauptcharakter, den ich inzwischen auch schon ziemlich liebgewonnen habe. Wie es aber wohl in Assassins Creed üblich ist, steht hinter der Geschichte des Assassinen noch eine andere Geschichte, die in unserer Gegenwart spielt (?). Wir sind hier Layla, eine Archäologin (?), die Bayeks Mumie in einer Gruft in Ägypten gefunden hat und sich Zugang zu seinen Erinnerungen verschafft hat. Diese Erinnerungen spielen wir also eigentlich scheinbar. Warum Layla das macht, hat sich mir nach den ersten 30 Spielstunden noch nicht erschlossen, die Spielzeit mit ihr hat sich auch auf etwa eine Viertelstunde beschränkt.
Layla findet auch die Mumie von Bayeks Frau Aya, die Mutter seines getöteten Sohns. Sie ist selbst eine Art Assassine und zugleich eine Vertraute Kleopatras. Auch Aya dürfen wir gelegentlich (ich bisher einmal) spielen.
Eigentlich ist die Story um Layla absolut zu vernachlässigen. Über Aya weiß ich noch nicht genug. Ich wäre jedenfalls auch nur mit Bayek mehr als zufrieden :D
Quests und Aufgaben
Bayeks Hauptantrieb ist sein Wunsch nach Rache für den Tod seines Sohnes. Aber in Ägypten gibt es auch sonst viel zu tun, und als Medjai, also Beschützer, fragen ihn viele verzweifelte Menschen um Hilfe. Wahrscheinlich reicht es schon, nur die Hauptquests zu erledigen, um das Spielerlevel immer passend ansteigen zu lassen.
Da man dann aber wirklich viel verpassen würde, ist es schon empfehlenswert, auch die Nebenquests zu machen und die Fragezeichen auf der Karte abzuklappern. Für meinen Geschmack steigt man im Level zu schnell auf – ich würde gerne mehr Zeit in den Gebieten verbringen, bevor die Hauptgeschichte mich wieder wegschickt.
Haupt- und Nebenquests
Assassins Creed Origins erfindet Quests in Rollenspielen nicht neu. Letztlich läuft es immer, egal in welchem Spiel, darauf hinaus: Gehe irgendwohin, mach irgendwas und bekomm dafür eine Belohnung. Es kommt nur auf die Verpackung dieser Aufgaben an. Nehmen wir das Witcher 3 Story Telling als das obere Ende der Messlatte an und The Division (als semi-RPG) als das untere Ende, dann liegen die AC Originis-Nebenquests irgendwo im oberen Drittel. Gespräche sind alle vertont und recht liebevoll geschrieben. Häufig ergeben sich noch Wendungen, die man nicht erwartet hätte. Beginnt etwa eine Quest damit, dass man jemanden aus der Haft befreien soll, kann es sein, dass man es auf einmal mit einem geplanten Giftanschlag zu tun hat.
Häufig beinhalten diese Quests den Einbruch in ein bewachtes Lager, um dort etwas zu holen, jemanden zu befreien oder zu töten. Häufig geht das so aus, dass Bayek einen Haufen Leichen hinterlässt, aber viele Aufgaben könnte er auch relativ unblutig bewältigen. Schließlich ist er ein geschickter Kletterer und Schleicher.
In Assassins Creed Origins gibt es keine Entscheidungsmöglichkeiten, Bayek hat also keinen Einfluss auf den Ausgang seiner Mikro-Geschichten. Dafür gibt es aber auch immer wieder schöne Videosequenzen. Dabei tollt Bayek mit irgendwelchen Kindern herum oder spricht mit alten Freunden (und verprügelt sie).
Gelegentlich muss Bayek auch einen Tatort untersuchen und Hinweisen nachgehen. Hat allerdings nichts mit eigener Kombinationsgabe zu tun, sondern nur damit, mit Objekten zu interagieren und dann ein neues Ziel zu bekommen.
Immer wieder kommt es auch vor, dass sich ganz spontan Aufgaben ergeben. Irgendwelche Bürger werden von Banditen überfallen oder von Raubtieren angegriffen. Eine arme, blutüberströmte Frau schlägt an einem Flußübergang auf ein Krokodil ein, während die anderen Menschen angstvoll herumstehen. Da muss ein Medjai her! Rettet man die Person, gibt es einige Erfahrungspunkte.
Kopfgeld auf Bayek: Phylakes
In der Hauptgeschichte tötet ihr relativ schnell einen skrupellosen Typen, der Mitglied im Orden der Phylakes ist. Phylakes sind Kopfgeldjäger, und sie sind nicht besonders glücklich, dass Bayek einen aus ihren Reihen umgebracht hat. Sie schwören Rache und ihr bekommt einen ziemlich unerbittlichen Feind. Phylakes durchstreifen als Einzelgänger die ägyptischen Ländereien, und kommt euch einer auf 150 Meter (oder so) nahe, ertönt ein lautes Horn zur Warnung.
Zum Glück für den Spieler tragen Phylakes ein dickes, rotes Symbol auf dem Kopf und sind so leicht auszumachen und leicht zu umgehen. Phylakes sind sehr zähe Gegner, die ihr nicht unterschätzen solltet. Sie hauen ordentlich zu und stecken noch besser ein. Ihr solltet aufpassen, dass sie kein wesentlich höheres Level haben als Bayek, wenn ihr einen Phylakitai stellt. Es handelt sich um einzigartige Gegner mit Namen, und in einer weiteren Nebenquest bekommt ihr die Aufgabe, sie alle zu töten. Gibt auch immer eine gute Belohnung :D
Such-Rätsel
Sehr toll finde ich dagegen die Papyrus-Rätsel. Immer wieder gibt es Schriftrollen zu finden, die Hinweise auf einen Schatz enthalten. Hier muss man tatsächlich selbst nachdenken und ich hab großen Spaß daran, die entsprechenden Orte zu suchen. Da gibt es dann so Hinweise wie „Im Gebiet X findet sich am südlichen Ufer des Sees ein einsamer Wächter. Du findest mich beim Baum in der Nähe.“ Hier muss man also tatsächlich die Karte studieren und sich vor Ort (aus der Vogelperspektive) umschauen.
Zu guter letzt gibt es noch Sternzeichen zu entdecken. Überall in Ägypten versteckt stehen „Steinkreise“ in Form von Sternzeichen herum. Bayek muss sie erst finden, und vor Ort meditiert er dann, um das Sternzeichen am Boden einem Sternzeichen am Himmel zuzuordnen. Ist keine große Sache, trägt aber dazu bei, dass man mal vom Weg abweicht, um irgendwo im hinterletzten Eck zu schauen, ob es vielleicht Steinkreise gibt.
Grafik und Spielatmosphäre
Ubisoft braucht mich nicht mehr davon zu überzeugen, dass sie es verstehen, wahnsinnig tolle offene Spielwelten zu designen. Das wusste ich seit The Division, und Ghost Recon Wildlands ist vermutlich noch immer die schönste Spielwelt, die ich je gesehen habe (auch wenn Witcher 3 dicht auf folgt). Sie tun es aber trotzdem wieder. Assassins Creed Origins spielt im Design der Spielwelt definitiv in der höchsten Liga mit.
Das digital wiederauferstandene Ägypten ist so schön, so farbenfroh, so detailliert, so lebendig! Es fühlt sich so echt an und ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich einfach um die Häuser und durch die Landschaft schlendere, um diese Welt zu genießen. Die integrierte Screenshotfunktion (Taste F3) erlaubt es auch, die Kamerapositionen dafür ganz nach Wunsch anzupassen, so dass es sehr einfach ist, schöne Momente und Motive, oder auch „Actionshots“ perfekt festzuhalten.
Details in der Spielwelt
Bayek selbst sieht klasse und sehr lebensecht aus, genau wie seine Frau Aya. Bei anderen Charakteren wirken die Gesichtszüge aber oft ein wenig matschig, die Gliedmaßen sehen etwas krüppelig aus und auch die Kleidung ist wesentlich weniger detailliert. Das fällt leider schon auf. In Witcher 3 hat jeder Charakter ein akzeptables Aussehen spendiert bekommen. Trotzdem braucht sich Assassins Creed Origins nicht zu verstecken, was die Spielwelt angeht. Lebendig wuseln Tiere und Menschen durch die Gegend, hin und wieder finden sich einzelne singende Priester oder Musik spielende Menschen. Im Vergleich zu Witcher wiederholt sich die Musik auch nicht immer :D Manche Leute summen auch bei der Arbeit vor sich hin.
Außerdem hat sich Ubisoft große Mühe mit den Animationen gegeben. Bayek kann über beide Ohren grinsen, aber auch vor Wut schreien, beides wirkt gut. Manchmal streichelt er außerdem auch Katzen oder tätschelt Kindern den Kopf.
Etwas merkwürdig ist allerdings, dass die meisten normalen Bürger untereinander ihre eigene Sprache, also eben ägyptisch oder griechisch reden. Passt zum Ambiente, aber leider verstehe ich nichts, und mein Bayek sollte es doch verstehen können ^^ So fühlt man sich doch ein wenig fremd im eigenen Land.
Für mich als Semi-Historikerin war auch diese Szene ein Hochgenuss: In Memphis erkundigt sich Bayek nach dem Einbalsamieren von Mumien. Ein Priester erklärt ihm ein bisschen was, hat aber keine große Lust darauf und sagt einfach nur noch: „Wenn du mehr wissen willst, dann lies doch Herodot“. Herodot war ein griechischer Chronist, der im 5. Jahrhundert v. Chr. Ägypten bereiste und seine Beobachtungen aufschrieb. Herodots Glaubwürdigkeit wurde schon in der Antike angezweifelt, und so brummt Bayek als Antwort nur: „Ja, der König der Lügen..“ :D Eher unwahrscheinlich allerdings, dass ein Kämpfer wie Bayek griechische Literatur kennen könnte.
Zu jeder Tageszeit einfach schön
Ganz egal, welche Tageszeit – Ägypten ist immer unglaublich schön.
- Ob in der Mittagssonne die bunten Farben von Säulen und mit Hieroglyphen beschriebenen Wänden leuchten oder die Sonnenstrahlen unter Wasser eine merkwürdig fremde Welt zaubern.
- Oder ob nachts Kerzen und Lampen flackernde Schatten an Wände werfen oder sich das Licht des Vollmonds an einer mit Blattgold beschlagenen Platte spiegelt.
- Oder wenn die untergehende Sonne den Staub über den Straßen zum Leuchten bringt.
- Oder wenn morgens der Nebel über dem Fluss und zwischen den Bäumen hängt…
Ja, Assassins Creed Origins regt zum Schwärmen an!
In Wüstengegenden zieht auch gern mal ein Sandsturm auf, in dem die ganze Welt einfach nur noch orange erscheint. Zwar kann der Sandsturm nicht das Gefühl von fliegendem Sand imitieren, aber definitiv sorgt er für den Verlust der Orientierung und regt dazu an, sich ein geschütztes Plätzchen für die Dauer des Sturms suchen zu wollen ^^
Allein schon wegen dieser Momente lohnt sich Assassins Creed Origins :D
Ansonsten gibt es aber keine großen Wetterumschwünge. Gut, in Ägypten erwarten wir auch keine heftigen Regenschauer, wie etwa im Bolivien von Wildlands. Befremdlich ist dagegen der Vollmond, der einfach nicht abnehmen will. Aber okay, so ist immerhin garantiert, dass man auch nachts noch was sehen kann.
Wasser im Wüstenland
Auch das Wasser und seine Animation haut mich regelmäßig vom Stuhl. Beim Schwimmen schiebt Bayek eine kleine Welle vor sich her, durch die das Licht scheint. Ein Augenschmaus! Das Wasser des Mittelmeers erscheint in einem schönen blau-türkis, während das Wasser des Nils wegen der vielen Algen eher grünlich schimmert. Außerdem hat Ubisoft auch daran gedacht, das Uferwasser des Nils dreckig zu machen, da schwimmen Algen und Palmwedel herum und werden von der Strömung mitgetrieben. Sowas habe ich noch in keinem anderen Spiel gesehen.
Beim Tauchen findet Bayek eine Unterwasserwelt vor, die kein bisschen langweilig ist: Die Strahlen von Sonne oder Mond schmeicheln den Wogen des Wassers, Pflanzen, die sich sanft in der Strömung wiegen, kleine Fische und ein spektakulärer Blick nach oben, wenn an der Wasseroberfläche was zu sehen ist. Dazu kommen manchmal gesunkene Schiffe mit Schätzen, Zugänge zu Grotten (mit Schätzen) und manchmal auch versunkene Ruinen und prachtvolle Säulen.
Außerdem gibt es bissige Krokodile und Nilpferde. Die übrigens auch Weidenboote zerstören können. Ich hab ganz schön blöd geschaut, als ich dachte, ich könnte von meinem Weidenboot aus die Nilpferde erledigen. Sie haben mein Boot erledigt und danach musste ich meine Schlimmflossen auspacken!
Wenn Bayek aus dem Wasser steigt, schüttelt er erstmal seine Klamotten aus, dass die Tropfen nur so fliegen. Danach können wir ihm beim Trocknen zusehen. Nass sind seine Kleider einfach nur dunkel und farblos, aber während die Klamotten und seine Haut langsam trocknen, kehrt die Farbe zurück. Allein wegen solcher Details lohnt es sich schon, ab und zu mal eine Runde schwimmen zu gehen :D
Ägypten vom Mittelmeer bis zum Nil-Oberlauf
Ubisoft hat eine riesige Spielwelt zusammenprogrammiert und dabei Ägypten komplett abgebildet. Im Norden das lebhafte Alexandria, weiter südlich die Pyramiden von Gizeh und am Nil entlang weiter runter Richtung Nubien. Natürlich nicht in 1:1-Größe, sondern stark verkleinert: Vom nördlichsten bis zum südlichsten Punkt sind es „nur“ etwas über 10 Kilometer. So kann man von fast jedem Punkt aus die berühmten Pyramiden sehen und Alexandria nimmt einen großen Teil des Nil-Deltas ein. Aber ein rund 10 x 10 km großes Ägypten ist schon eine ordentliche Spielwiese, auf der wir uns austoben können :D Selbst mit Reittier dauert es eben seine Zeit, Entfernungen zurückzulegen.
Auf diese Weise bleibt Ägypten auch überschaubar, im wahrsten Sinne des Wortes! Von hohen Punkten aus haben wir einen großen Teil des Landes gut im Blick und schauen etwa über das grüne Nil-Delta nach Osten hin zu den Bergen – links das lebendige Alexandria mit seinen Tempeln und Türmen, rechts hinter den großen Dünen die Spitzen der Pyramiden. Wahnsinn!
Auch die Wüste ist toll gelungen. Im rötlichen Sand fühlt man fast die Sonne brennen. In der Ferne flimmert die Hitze und verzerrt irgendeine uralte Ruinenstadt. Über Dünen reiten wir dahin, und wenn wir zu lange in der Sonne stehen – das wissen wir schon seit der Kindheit – dann tut das dem Kopf nicht gut.
Shared Experience
Assassins Creed Origins ist ein Single Player, aber indirekt bekommen wir mit, dass es auch andere Spieler gibt.
Im Circus Maximus bei Alexandria können wir Wagenrennen fahren. Unsere Gegner sind „Schattenspieler“, also Abbilder anderer Spieler, gegen die wir so antreten, ohne sie direkt sehen zu können. Immerhin sehen wir am Ende die Namen der Kontrahenten. Offenbar kann man auch direkt gegeneinander antreten, aber das habe ich bisher nicht probiert. Die Wagenrennen machen auch nicht so viel Spaß.
Die Screenshot-Funktion des Spiels (F3) ist ziemlich gut. Sie ermöglicht es nicht nur, den Ausschnitt in aller Ruhe anzupassen, sondern sie zeigt auf der Weltkarte auch gleich an, wo wir welchen Screenshot gemacht haben. Im Grunde also Geo Tagging für Videospiele :D Aber auch damit nicht genug: Auf der Weltkarte sehen wir auch Screenshots anderer Spieler und können sie liken. Allerdings irgendwie gefiltert, sonst könnte man wohl vor lauter Screenshots die Karte nicht mehr sehen. Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien die Software auswählt, welche meiner Screenshots für andere sichtbar sind.
Eine nette Idee ist auch, dass wir gelegentlich den toten Körper eines anderen Spielers finden. Daraus ergibt sich dann eine Rache-Quest: Wir sollen den/die Schuldigen töten und erhalten dafür Erfahrungspunkte. Wer den armen Toten umgebracht hat, wird auch gleich markiert, so dass da kein Zweifel bestehen kann.
Zusammenfassung
Nach 30 Spielstunden bin ich voll des Lobes – das merkt man auch im Review, denke ich. Assassins Creed Origins strotzt nur so vor schönen Momenten. Die Kämpfe machen Spaß, genauso toll ist es aber auch, Rätsel zu lösen, alte Gräber zu erkunden oder die Landschaft zu erkunden. Dazu kommen noch die schön vertonten Questsequenzen und die Liebe fürs Detail bei der Spielwelt. Wer auf Spiele wie Skyrim und Witcher steht, der sollte hier unbedingt zugreifen!
Für mich ist Origins definitiv ein Highlight der letzten Jahre.
Bildergalerie
Hier nochmal alle Bilder aus dem Artikel zusammen und noch mehr (aktuelle!) zum Durchklicken :D
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