Erst berichten die hervorragend geschriebenen Fantasy-Bücher von Andrzej Sapkowski über den Hexer Geralt von Riva. Dann machte sich das kleine polnische Studio CD Project RED daran, den Stoff in drei Videospielen umzusetzen, die jeweils immer populärer wurden. Heute ist das Studio ein internationaler Player, der AAA-Spieletitel auf den Markt wirft. Zwischendrin erschienen eher unbekannte polnische Verfilmungen sowie Umsetzungen als „offline“ Rollen- und Brettspiele.
Und nun erschien am 20. Dezember 2019 eine hochkarätige Netflix-Serie.
Am „Witcher“ muss also was dran sein. 2007 spielte ich das erste Witcher-Spiel, das mich quasi instant zum Fan machte. Und so verschlang ich auch die Bücher, die ich aber leider nicht rezensierte. Von den Witcher-Spielen stellte ich auch nur den dritten Teil, Wild Hunt, vor.
Und was ist es nun, was am Witcher so fasziniert, egal, ob Buch, Spiel oder Serie?
The Witcher ist düster und episch
Vielleicht ist es die dreckige Fantasy-Welt, in der es keine glänzenden Ritter für die gute Sache gibt. Und wenn, dann sind sie geistig minderbemittelt und werden beim Stuhlgang im Gebüsch von hinten erstochen. Aber immerhin singen Barden Lieder völlig übertriebene Lieder von Heldentaten – für Ruhm, Geld und weibliche Bettgesellschaft.
Die Welt, in der Hexer Geralt lebt, ist hart und voller dunkler Geheimnisse. Hier scheint jeder Leichen im Keller zu haben, die besser unentdeckt bleiben. Da wird auch kein Halt gemacht vor Inzest, massakrierten Kindern und Menschen, die verflucht wurden und als Monster leben.
Grundsätzlich gibt es viel, was es auch in anderen Fantasy-Welten gibt: Magier – aber die sind machtbesessen, intrigant und manchmal auch sehr gelangweilt. Elfen und Zwerge – aber das sind unterdrückte Minderheiten, die dann auch nicht zögern, mal einen Aufstand zu wagen und als Rache für ein Massaker Massaker zu veranstalten. Es gibt Krieg und Gewalt, Macht und Armut, aber auch Mythen und Legenden.
Und eben die Hexer.
Mutierter Monsterjäger auf Reisen
Hexer sind ein spezieller Menschenschlag, obwohl sie streng genommen gar keine echten Menschen mehr sind. Sie werden als Kinder auf die „Hexerschule“ nach Kaer Morhen gebracht, eine Burg im Nirgendwo.
Dort durchlaufen sie ein hartes Training, das schließlich in einer letzten Kräuterprobe endet: Sie unterziehen sich damit einer genetischen Veränderung, einer Mutation, die nur ein kleiner Teil der Jungen überhaupt überlebt. Wer sie überlebt, der darf sich fortan über höhere Widerstandskraft, größere Stärke und verbesserte Reaktionsgeschwindigkeit freuen. Aber auch über Unfruchtbarkeit und – angeblich – die Unfähigkeit, echte Emotionen zu spüren.
Und das alles brauchen sie auch, denn Hexer sind Monsterjäger. Sie sollen sich aus Politik und den Streitereien der Menschen heraushalten und verdienen ihren Lebensunterhalt als reisende Dienstleister, die den Menschen beim Beseitigen von Bestien, Geistern und verfluchten Kreaturen helfen – gegen Bezahlung, versteht sich.
Davon gibt es nämlich nicht wenige. Ob Greifen oder gar Drachen, Gespenster, riesige Spinnen, Ghule oder irgendwelche Untote – wie gesagt, das Leben in des Hexers Welt ist alles andere als sicher.
Die Handlung der Witcher-Serie
Grob gesagt behandelt die erste Staffel von The Witcher das erste Witcher-Buch von Andrzej Sapkowski. Es enthält mehrere Kurzgeschichten über Geralts Abenteuer und die Bekanntschaften, die er in seinem künstlich verlängerten Hexerleben schließt.
Du kannst es dir also denken: Dich erwartet eine bunte Mischung an Schauplätzen und Handlungsfäden. Alles zusammen ergibt einen größeren Sinn und wird am Ende von der Vorsehung – so würde es Geralt vielleicht sagen – zusammengeführt. Wer aber neu ist im Witcher-Universum, der muss sich erstmal mit vielen verschiedenen Namen herumschlagen.
Wer ist nochmal dieser König Foltest? Und was hat der jetzt mit Königin Calanthe zu tun? Was ist mit der buckligen Magier-Novizin? Und mit dem Mädchen mit dem aschblonden Haar? Was genau ist die Bruderschaft der Zauberer? Und warum zur Hölle droht ständig Krieg mit Nilfgaard?
Das kann schon fordern. Zumal sich The Witcher, also die Serie, nicht an eine chronologische Reihenfolge hält und es keinerlei schriftliche Hinweise (wie eine Datumsanzeige) darauf gibt, dass die eine Szene mit dem Mädchen heute spielt und die nächste Szene mit der buckligen Zauberin 90 Jahre davor.
Ohne mehr zu verraten zu wollen, geht es aber grundlegend darum, wie Geralt die Personen kennenlernt, die fortan sein Leben prägen. Das sind Yennefer von Vengerberg, Cirilla, der Barde Rittersporn – und, in Büchern und Spielen, auch weitere Charaktere wie der Zwerg Zoltan und die Zauberin Triss Merigold.
Die Serie ist aber nicht so zu verstehen, dass Geralt Leute trifft und dann sein Leben mit ihnen zusammen verbringt, so eine Art „Friends“ im Witcher-Universum. Nein – sie alle haben ihre eigenen Professionen und Interessen, die sie in immer andere Ecken der Länder führen. Ihre Wege trennen sich auch immer wieder, manchmal treffen sie sich erst mehr aus Zufall nach Jahren wieder.
Daher passt das mit den Kurzgeschichten schon – das sind Schlaglichter aus Geralts Leben, und aus den Leben seiner Freunde. Kleine Puzzleteile sozusagen. Jedes Teil für sich ergibt nicht so viel Sinn, aber zusammengesetzt entsteht eine großartige Geschichte.
Die Charaktere in der Witcher-Serie
Ich kann es nicht anders sagen: Ich bin begeistert! Henry Cavill als Geralt ist ein absoluter Volltreffer. Der Schauspieler wollte unbedingt Geralt spielen, weil er selbst großer Fan von Witcher 3 ist und auch die Bücher gelesen hat. In diesem Interview steht mehr dazu.
Er spielt Geralt so, wie man ihn sich immer vorgestellt hat – aus Büchern und aus den Spielen. Breitschultrig, schroff und dem Adel gegenüber gern etwas rotzig. Er bringt Geralt einfach perfekt rüber, und ich glaube, niemand sonst könnte so schön regungslos „Fuck“ sagen :D
Gerade im Zusammenspiel mit dem Barden Rittersporn – der eigentlich das komplette Gegenteil von Geralt verkörpert – ergeben sich einfach wunderbar humorvolle Situationen. Rittersporn ist ein galanter Kerl, immer auf der Suche nach einer schnulzigen Formulierung, und natürlich nach Helden und Abenteuern für seine Lieder.
Von Rittersporn, gespielt von Joey Batey, war ich zunächst nicht so begeistert. Da sieht man aber mal, dass die Optik nicht so viel zu sagen hat. Hier war ich einfach von den Spielen zu vorgeprägt. Rittersporn erschien mir hier zu sehr wie ein unscheinbares Bürschchen und nicht wie ein stattlicher, gewandter Poser mit teuren Klamotten.
Aber Batey macht seine Sache perfekt. Wenn Rittersporn auftaucht, ist immer klar, dass es hier was zu lachen gibt. Geralt und Rittersporn ergeben hier zusammen ein Gespann, das gleichermaßen schroff und komisch rüberkommt, aber trotzdem von einem engen Band geprägt ist.
Auch bei Yennefer war ich zunächst skeptisch. Von der Dame haben wir durch Witcher 3 schon ein klares Bild vorgeprägt, und ich bin zugegebenermaßen schon immer im „Team Yennefer“, wenn es um Geralts Zauber-Gefährtinnen geht :D
Aber auch wenn Yen deutlich mehr von unserem Bild abweicht als Geralt, passt es doch gut. Anya Chalotra, die Darstellerin, macht sie menschlicher und nahbarer – ohne zuviel preiszugeben, und die Arroganz und Machtbesessenheit der Zauberinnen kommt trotzdem gut durch.
Allerdings trägt sie nicht immer, wie doch allgemein bekannt ist, nur schwarz mit weiß :D
Bei Ciri hat die Serie auch einige Kompromisse gemacht, die aber nicht weiter schlimm sind. Optisch gab es da nicht so viel zu beachten, aber wenn ich mich recht entsinne, war Ciri eigentlich viel jünger, als sie aus Cintra fliehen musste.
Triss Merigold tritt überraschend selten auf – und sie sieht überraschend anders aus. Die Zauberin sollte eigentlich deutlich rotes Haar haben, und wenn man die anderen Figuren doch sehr gut bis einigermaßen erkennen kann, fällt man bei Triss wirklich aus allen Wolken.
Wurf ins eiskalte Wasser
In Bezug auf ein paar Kleinigkeiten hat die Serie allgemein ein paar Dinge unter den Tisch fallen lassen. Wie erwähnt gibt es keine große Einführung in das Witcher-Universum. Keine oder kaum Erwähnung findet etwa Geralts Hexeramulett mit dem Wolfskopf. Für Geralt ist der Anhänger eigentlich ein wichtiger magischer Gegenstand, da es vibriert, wenn Monster in der Nähe sind. In der Serie trägt er es nur einfach.
Auch nicht erwähnt werden seine beiden Schwerter, die ebenfalls nicht aus seiner Ausrüstung wegzudenken sind. Eigentlich hat Geralt, bzw. alle Hexer, immer ein Stahlschwert und ein Silberschwert auf dem Rücken – Stahl für lebendige Monster und Silber für magische, wie z.B. Geister und verfluchte Wesen. Und was es mit Geralts einfachen Zaubertricks, den „Zeichen“ auf sich hat, wird auch nicht erklärt.
Aber ja, so viel Mehrwert würden diese Informationen auch nicht beisteuern. Dass die Tränke, die Geralt vor Kämpfen oft nimmt, manche seiner Fähigkeiten verbessern und für normale Menschen tödlich giftig wären, ist da auch nicht so wichtig.
Wie sieht eigentlich Geralts Welt aus?
Anders sieht es mit Informationen über die Welt, in der Geralt, Yennefer & Co leben, aus. Wir erfahren im Laufe der Serie nur: Es gibt wohl Nördliche Königreiche, darunter Cintra, Temerien und die Skellige-Inseln, und das expansionsfreudige Nilfgaard im Süden mit seinen eroberten Provinzen, wie z.B. Toussaint (bekannt aus dem Blood and Wine-Addon zu Witcher 3). Wo genau das alles liegt, wie groß die Länder sind, wer sie beherrscht, wer die Ordnung erhält, das zeigt die Serie nicht. Wer die Spiele kennt, der hat immerhin schon eine ordentliche Vorstellung.
Da denke ich doch wehmütig an Game of Thrones zurück: Wer sich in der Geografie unsicher fühlte, der musste sich nur das Intro vor jeder Folge anschauen. Eigentlich ziemlich schlau gemacht. So musste HBO das alles nicht sperrig irgendwie am Anfang vorstellen und die Zuschauer wussten trotzdem, woran sie sind. Bei The Witcher bleibt die Orientierung und das Wissen über die Welt ein wenig vage.
Was die im Witcher-Universum Unkundigen in der Serie aber sehen, sind völlig unterschiedliche Regionen. Es gibt ganz offensichtlich Meer, weite Sandwüsten, Gebirge, beeindruckende Städte und natürlich ausgedehnte Wälder.
Die Gebiete und die Kameraeinstellungen, die sie zeigen, erscheinen mir im Vergleich zu Game of Thrones weiter und epischer, sie erinnern fast schon an Mittelerde. Auch in den Herr der Ringe-Filmen, so fällt es mir gerade auf, wird übrigens an Karten und Infos über die Welt gespart, von daher ist The Witcher wohl in guter Gesellschaft :D
Aber wie dem auch sei: Auf jeden Fall gibt es viel Platz für zukünftige weitere Abenteuer!
Fazit zu The Witcher
Wenn wir schon beim Vergleichen sind: The Witcher braucht einen Vergleich mit Game of Thrones und Herr der Ringe keineswegs scheuen. Game of Thrones ist ähnlich dunkel und dreckig wie The Witcher. Dafür legte Autor George R. R. Martin dort den Fokus mehr auf menschliche Intrigen und es gibt, naja, außer Drachen vielleicht, weniger klassische Fantasy in Form von Magie und anderen Rassen wie Elfen und Zwerge. Auf diesem Gebiet brillieren wieder die Welten von Tolkien und eben Andrzej Sapkowski.
Obwohl die Serie anfangs etwas verwirrend ist, selbst für jemanden wie mich, die doch einige Vorkenntnisse hat (wenn auch nicht extrem frisch und präsent), fängt ihr Charme den Zuschauer schnell ein. Wir wollen einfach wissen, was weiter passiert und was die Witcher-Welt noch für uns bereit hält (8 W in einem Satz!).
Die erste Staffel ist fast schon eine Art Teaser, eine Vorschau auf mehr. In nur acht Folgen ist es eben nicht möglich, einen wirklich tiefen Blick in die verschiedenen Zusammenhänge, Völker und Landstriche zu bekommen. So sehen wir hier eher nur, mit was es Geralt alles zu tun bekommen kann. Und es gibt noch so viel mehr zu erfahren!
The Witcher hat also definitiv gute Chancen, meine neue Lieblings-Hype-Serie zu werden <3
Hast du sie schon gesehen? Willst du noch? Kennst du die Bücher und/oder Spiele?
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