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Die wandernde Erde – Sci-Fi auf chinesisch

Erde und Jupiter

Sci-Fi-Geschichten, das bedeutet in der Regel – egal, ob Buch oder Film – westliche Autoren oder eine westlich dominierte Handlung. Dass es auch anders geht, zeigt seit einigen Jahren der chinesische Autor Cixin Liu, der für seine Science Fiction-Buchtrilogie „Trisolaris“ auch renommierte internationale Preise einheimste. Den ersten Band der Trilogie, Die drei Sonnen, habe ich gelesen, aber leider keine Rezension darüber geschrieben, obwohl ich das Buch ziemlich gut fand.

Jedenfalls – Autor Cixin Liu ist schon längst kein unbeschriebenes Blatt mehr, und jetzt wurde eine seiner Kurzgeschichten verfilmt: Die wandernde Erde (englisch: Wandering Earth). Der Film lief Anfang des Jahres wahnsinnig erfolgreich in den chinesischen Kinos und ist seit dem 30. April 2019 nun auch für den Westen auf Netflix verfügbar. Allerdings nur auf chinesisch mit (deutschen) Untertiteln oder in schlechter englisch-Synchro. Macht nichts, dachten wir uns und schauten den über zweistündigen Film vorgestern als Ausklang des Maifeiertags an.

Hier also mein Review zu „Die wandernde Erde“!

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Filmposter Die Wandernde Erde
Die für Filmposter übliche Figurenpyramide für „Die wandernde Erde“ :D

„Raumschiff Erde“ wörtlich gedacht

Triebwerk für Raumschiff Erde
Eines der gigantischen Triebwerke, die die Erde in ein anderes Sonnensystem bringen sollen

Eine Katastrophe epischen Ausmaßes bahnt sich an: Die Sonne beginnt sich ein paar Milliarden Jahre zu früh in einen Roten Riesen zu verwandeln. Das bedeutet: Sie dehnt sich aus und wird in 100 Jahren die Erde verschlucken – und danach wird sie langsam verlöschen. Für die Erde und alle ihre Bewohner wäre das das Todesurteil. Was also tun? Die übliche Taktik bei akuten globalen Bedrohungen ist, die Bedrohung abzuschießen (Armageddon :D), sich in riesigen Bunkern eingraben und auf Besserung warten (Deep Impact) oder eine „Arche“ ausschicken, die zumindest menschliche DNA in Sicherheit bringen soll (teilweise Interstellar).

Abschießen und eingraben geht hier nicht und eine Arche hilft dem Rest der Menschheit nicht – also entscheidet sich die Vereinigte Regierung der Erde (VRE) dazu, alle Ressourcen dafür aufzuwenden, die Erde selbst in ein Raumschiff zu verwandeln.

Sie fasst den kühnen Plan, zunächst die Erdrotation zu stoppen und dann mithilfe von 10.000 riesigen Triebwerken die Erde erst aus ihrer Umlaufbahn zu schieben, dann durch einen Vorbeiflug an Jupiter Schwung zu holen, das Sonnensystem zu verlassen und Kurs auf den nächsten Stern, Proxima Centauri zu nehmen. Der ist etwas über vier Lichtjahre entfernt und die Reise wird 2500 Jahre dauern – aber die Hoffnung ist, dort dann irgendwann wieder eine Heimat für die Menschen zu finden.

Große Opfer: Die halbe Menschheit stirbt

Bis dahin aber wird die Erdoberfläche unbewohnbar sein. Durch das Stoppen der Erdrotation geht das Klima gänzlich den Bach runter (schließlich gibt es keinen Tag-Nacht-Wechsel mehr) und Tsunamis verwüsten die Erdoberfläche. Danach sinkt die Temperatur auf flauschige -80° C, weil sich die Entfernung zur Sonne stetig vergrößern wird.

Das ist schlecht für alle, die nicht in eine der viele Kilometer in der Erdoberfläche gelegenen Städte unterkommen. Ob hier das Los entscheidet, wer Zutritt erhält, oder anders selektiert wird, wurde im Film kurz erwähnt, ich habe es aber vergessen. Harter Fakt ist jedenfalls, dass die Hälfte der Menschheit auf diese Weise der Kälte zum Opfer fällt. Der Rest wird in die neuen unterirdischen Städte unterhalb der gewaltigen Antriebsgeneratoren gebracht, wo die meisten ihr restliches Leben verbringen werden.

Von Kollision und Instabilität in planetarem Ausmaß

17 Jahre später hat die Erde beinahe den Jupiter erreicht, den sie knapp passieren soll, um dabei Schwung für die lange interstellare Reise zu holen
(Swing-by-Verfahren). Doch es stellt sich heraus, dass das Gravitationsfeld des Jupiter unterschätzt wurde und sich die Erde nun auf Kollisionskurs mit dem größten Planeten des Sonnensystems befindet. Die Reise der „wandernden Erde droht ein schnelles Ende zu nehmen: Sobald die Roche-Grenze erreicht wird, wird die Gravitation des Jupiter die Erde zerstören.

Die Roche-Grenze wird im Film mehrmals erwähnt. Denn nicht erst der Aufschlag der Erde auf den Jupiter (wenn man bei einem Gasplaneten wie dem Jupiter von einem Aufschlag sprechen kann) würde die Erde zerstören, sondern die reine Annäherung an den Planeten. Man muss sich das so vorstellen: Die Erde ist ein in sich stabiler, ziemlich großer Steinkörper. Nähert er sich einem anderen Objekt mit viel höherer Masse an, z.B. dem Jupiter, dann „zieht“ der an der ihm zugewandten Seite der Erdkugel stärker als an der ihm abgewandten Seite, weil diese beiden Punkte eben rund 12.700 Kilometer voneinander entfernt sind und die eine Seite Jupiter schon viel näher ist als die andere Seite. Dadurch ist sie auch höherer Gravitation ausgesetzt.

Im Grunde würde Jupiters Anziehungskraft die Erde „langziehen“ – bis zu dem Punkt, an dem die Erde diese Kräfte nicht mehr aushält, instabil wird und zerbricht. Das ist der Roche-Punkt. Den kann man als Distanzangabe zu Jupiter berechnen, und diese Roche-Grenze gilt es im Film nicht zu übertreten.

Und mit welchen Charakteren haben wir es zu tun?

Wandering Earth - Vater und Sohn
Der Sohn auf der Erde, der Vater „im Himmel“

Hauptperson der Geschichte ist ein junger Mann, ein Mechanikerlehrling, der durch seinen Vater, ein angesehener Astronaut, einige Privilegien hat. Zu ihm gehören seine Stiefschwester, sein Opa und eben der Vater, der seinen Dienst auf einer Raumstation ableistet. Der Vater verließ seine Familie deswegen zu Beginn des Films, was sein damals vierjähriger Sohn ihm niemals verziehen hat. – Sorry, dass ich hier keine Figurennamen nenne, aber ich konnte mir die meisten einfach nicht merken.. Deswegen muss Vater, Sohn, Stiefschwester und Opa reichen :D

17 Jahre nach der väterlichen Abreise kann der Vater seinen Dienst beenden und endlich mehrjährigen Urlaub auf der Erde machen – doch dazu kommt es durch das drohende ungleiche Treffen mit Jupiter nicht. Diese Familie steht also im Mittelpunkt des Films und der Vater-Sohn-Konflikt – „Ich muss gehen, es ist die wichtigste Mission der Menschheit“ – „Du hast uns verlassen!“ – soll dem Ganzen noch einen emotionalen Touch verleihen. In Interstellar (hach, Interstellar <3) ist das unglaublich gut gelungen (ich denke an die Szene, in der Cooper die Nachrichten seiner Tochter aus 23 Jahren Abwesenheit anschaut). Zwar mit Vater und Tochter, aber der Konflikt war derselbe: Die Väter sehnen sich danach, zu ihren Kindern zurückzukehren, die sie schweren Herzens zurückgelassen haben, sind aber unüberwindlich von ihnen getrennt.

In Wandering Earth kamen dabei aber längst nicht so viele Emotionen rüber – zumal nicht wirklich klar wird, warum ausgerechnet dieser Vater gehen muss, und warum eine Schicht 17 Jahre dauert, obwohl die Raumplattform nur 100.000 km von der Erde entfernt ist (das ist nichtmal ein Viertel der Distanz zum Mond). Für den Vater ist es jedenfalls ziemlich ungemütlich zu sehen, wie die Erde mitsamt seiner Familie kurz vor der Zerstörung steht – so kurz vor der glücklichen Wiedervereinigung.

Auch Stiefschwester Duoduo spielt eine wichtige Rolle. Wir erfahren, dass sie eigentlich ein Findelkind des Opas ist, der sie als Baby während der Tsunami-Zeit auf der Erde aus den Fluten gerettet hat. Für sie ist also der Opa so etwas wie ein Vater.

Neben diesen familiären Beziehungen gibt es allerdings nicht sehr viel, was von den Charakteren hängen bleibt. Sie haben nicht wirklich Tiefe und ihre Beweggründe bleiben leider weitgehend im Dunkeln.

Heftig geschnitten oder bin ich zu doof?

Während des Films hatte ich den Eindruck, immer wieder eine Art „Minutenschlaf“ gehabt zu haben. Nicht, dass ich vor Langeweile eingeschlafen wäre, sondern dass ich einfach immer wieder irgendwas verpasst habe. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber „Die wandernde Erde“ hat mich tatsächlich ein wenig überfordert. Pierre ging es aber genauso. Ein paar mal haben wir uns während des Films angeschaut und uns gefragt, wie es zu aktuellen Situation kam. Beispielsweise erfriert gerade innerhalb von Sekunden eine Person, während eine andere Person im gleichen Raum steht und sich fragt, warum der andere gerade gestorben ist. Wie kam es dazu? Was war passiert? Habe ich geschlafen? In einer anderen Einstellung sind einige Leute auf einmal verschüttet und wir fragten uns, warum sie nun unter Schutt liegen und gerettet werden müssen, zuletzt hat man sie doch bei bester Gesundheit gesehen?

Erde und Jupiter
Zu nah am Jupiter vorbeigewandert: Die Erde

Mir ist aber auch aufgefallen, dass der Film manche Szenen extrem schnell abhandelt. Es werden fast schon Standbilder aneinander gereiht und die Situation ist gerettet. Vielleicht ist das eine chinesische cineastische Eigenart? Ich weiß es nicht. Über weite Strecken hatte ich jedenfalls Probleme, der Handlung zu folgen. Das liegt zum Teil auch an den Untertiteln – wer die ganze Zeit lesen muss, verpasst vielleicht auch mal eine Kamereinstellung, insbesondere, wenn sie so schnell überblendet werden wir hier teilweise.

Oder „Die wandernde Erde“ wurde für den westlichen Markt heftig zusammengeschnitten, so dass doch einiges fehlt. Oder vielleicht bin ich tatsächlich einfach nicht mitgekommen. Auf jeden Fall war der Film für mich recht anstrengend zu schauen, da ich immer wieder das Gefühl hatte, etwas verpasst zu haben. Irgendwann hatte ich aufgegeben und mich darauf beschränkt, nicht mehr dem Handlungsfaden zu folgen, sondern einfach die Bilder anzuschauen ^^

Nichtdestotrotz fand ich immer wieder, dass die Grenzen der Logik überdehnt wurden. Aber gut, wir reden davon, dass die Erde Triebwerke bekommt und einfach wegfliegt – von daher, okay.

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Der (englische) Trailer zu „Die wandernde Erde“

Fantastischer Look und eventuelle Vorbilder

Ein Film, in dem die eingefrorene Erde Triebwerke bekommt und am Jupiter vorbeifliegt, schreit geradezu nach computergenerierten Bildern. Daher ist es nicht verwerflich, dass das Studio davon extensiv Gebrauch gemacht hat. Aber immerhin wirkten die Effekte auf mich nicht so künstlich, wie das beispielsweise bei den meisten Marvel-Filmen der Fall ist. Die Optik in „Wandernde Erde“ erscheint irgendwie körniger und weniger computergerendert, was das Ganze zumindest künstlerischer aussehen lässt.

Und es sind wirklich fantastische Einstellungen dabei. Die vereiste Welt sieht klasse aus, aber auch die riesigen Triebwerke machen aus der Ferne viel her. Ganz zu schweigen von Einstellungen, in denen der Jupiter himmelfüllend zu sehen ist (siehe Bild weiter unten).

Ansonsten erinnern die Bilder aber teilweise an andere Vertreter des Genres. Beispielsweise an die Starkiller-Base aus den neuen Star Wars Filmen: Im Grunde sind die gewaltigen Triebwerke, die die Erde voranschieben, ja nichts anderes als die riesige Primärwaffe auf dem verschneiten Starkiller-Planeten der First Order. Es werden auch Erinnerungen wach an „The Day after tomorrow“, den Katastrophenfilm, in dem die Erde einfriert und ganze Städte unter Eis verschwinden.

Und was nicht zu übersehen ist: Die Filmemacher kennen den Filmklassiker Odyssee 2001. Dort wird die Crew eines Raumschiffs von ihrer Bord-KI HAL 9000 tyrannisiert, die ihr nicht nur Zugänge und Berechtigungen entzieht, sondern gleich die Macht über das Schiff an sich nimmt. Und zufällig auch vor großartiger Jupiter-Kulisse.

In „Die wandernde Erde“ muss sich der Vater an Bord der Raumstation mit der KI MOSS herumschlagen, die als leuchtender roter Punkt nicht nur optische Ähnlichkeiten mit HAL hat, sondern sich auch ähnlich widerspenstig benimmt. Allerdings kann „Die wandernde Erde“ nicht an das Vorbild heranreichen, weil MOSS hier nur einen Nebenschauplatz bestreitet und auch schnell wieder vergessen ist.

Highlights des Films

Es sind nicht nur die fantastischen Bilder und die Idee, die Erde als Raumschiff zu nutzen, die den Film einzigartig machen. Mir gefiel auch die globale Zusammenarbeit, die zwar durch den Blickwinkel chinesisch dominiert wirkt, aber doch gleichberechtigter aussieht als in anderen Filmen. In anderen Filmen sprechen die Mitglieder ausländischer Parteien in der Regel englisch, also die Originalsprache des Films.

Hier jedoch verwenden die Astronauten auf der Raumstation einen kleinen Übersetzer im Ohr, der es ihnen erlaubt, in ihren jeweiligen Muttersprachen mit dem Gegenüber zu sprechen und deren Antworten zu verstehen. Der Vater ist sehr gut mit einem russischen Kosmonauten befreundet, der im Film auch nur russisch spricht. Das war am Set bestimmt amüsant: Der eine spricht seinen Text auf chinesisch, der andere antwortet auf russisch, und beide müssen hoffen, dass es zueinander passt :D

Jupiter füllt den ganzen Himmel aus
Spektakuläre Aussicht: Der „Große Rote Fleck“ von Jupiter ganz nah

Auch sonst hören wir immer wieder technische Ansagen auf englisch, und der Vertreter der VRE spricht französisch. Das finde ich toll gemacht und deutlich fortschrittlicher als in anderen Filmen.

Ansonsten bietet „Wandering Earth“ so ziemlich alles, was ein Sci-Fi-Katastrophenfilm so braucht: Interessante neue Technik, eine starke Vision, Menschen auf (und neben) Raumstationen, Kälteschlaf-Phasen, Helden unter Zeitdruck und auch ein paar Opfer. Das Ganze geht allerdings auf Kosten von Tiefe bei den Charakteren und am Ende auch zuviel Action, die Spannung erzeugen soll, aber den Film eben auch oberflächlich macht.

Mein Fazit zu „Die Wandernde Erde“

Obwohl der Film viel Gutes zeigt, bleibt für mich ein leichter Nachgeschmack: Nämlich, dass ich durch den Film nur an der Oberfläche der Geschichte kratzen konnte. Ich kann mir vorstellen, dass die Geschichte, auf der der Film basiert, viel interessanter ist als der Film und dieser eigentlich nur die passenden Bilder dazu liefert. Im Buch kann der Autor mehr auf die eigentliche Story eingehen und muss nicht so extensiv actionreiche Szenen beschreiben.

Daher denke ich, dass es besser wäre, „Wandering Earth“ erst als Kurzgeschichte zu lesen und danach die Verfilmung zu schauen :D Dann kann man sich auch mehr auf den Film einlassen, da man nicht über die Handlung rätseln muss.

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