Nach zwei Jahren Kino-Abstinenz hatte ich Sehnsucht nach der großen Leinwand und saalfüllenden Klängen. Diese Woche startete Oppenheimer, der neue Film von Christopher Nolan. Dem haben wir Interstellar zu verdanken, einen meiner All-time-Lieblingsfilme. Also schon mal keine schlechten Voraussetzungen.
Der Film Oppenheimer behandelt den Physiker Robert Oppenheimer, der in den frühen 1940ern maßgeblich an der Entwicklung und dem ersten Test der Atombombe beteiligt war. Wenige Wochen später, am 6.08.1945, wurde sie dann über Hiroshima und später über Nagasaki eingesetzt.
Als Aufhänger dient der mythische Prometheus, der Titan, der den Göttern das Feuer stahl und den Menschen brachte. Oppenheimer habe gleichwohl die Kräfte des Universums*, also der Götter, gezähmt und den Menschen die Fähigkeit gegeben, die Welt zu zerstören.
* Das sagt US-Präsident Truman nach dem Abwurf der Bombe selbst
Kurzer Erwartungs-Check
Oppenheimer ist nichts für dich, wenn du
- einen Nolan-Film wie Dunkerque, Interstellar, Inception oder die Batman-Trilogie erwartest: Mit Action, Emotionen & viel Fantasie
- es nicht magst, wenn ein Film durch verschiedene Zeitebenen oder viele Personennamen „absichtlich kompliziert“ ist
- du zu viele Dialoge nicht magst
Oppenheimer wäre was für dich, wenn du
- offen bist für ein dunkles Kapitel der amerikanischen Kriegsgeschichte
- Interesse an Historienverfilmungen hast.
Ein erster Überflug über Wikipedia nach dem Kinogang zeigt, dass „Oppenheimer“ sich im Wesentlichen an die historischen Fakten zu halten scheint.
Wie Christopher Nolan das gerne so macht, präsentiert sich auch Oppenheimer, also der Film, in verschiedenen Zeitebenen. Sie werden teilweise in Schwarz-Weiß gezeigt und lassen sich ansonsten nur durch die Falten im Gesicht der Hauptakteure auseinander halten. Die Zeitebenen werden (für mich als Zuschauerin willkürlich) durcheinander gezeigt und wechseln sich ohne (mir erkennbare) Reihenfolge ab.
Jahresangaben liefert der Film nicht dazu, was das ganze Spektakel etwas verwirrend macht.
Die Handlung der verschiedenen Zeitebenen
Mit den ganz frischen Eindrücken aus dem Kino schreibe ich jetzt ein kurzes Review zu Oppenheimer – so, wie ich den Film gesehen und verstanden oder auch nicht verstanden habe.
So, also dann kommen wir mal zur Sache. Wenn ich das richtig auseinander dröseln konnte, haben wir im Wesentlichen drei Zeitebenen.
Frühe Zeitebene: Oppenheimers Aufstieg
Den größten Teil des Films sehen wir den „jungen“ Oppenheimer, einen amerikanischen theoretischen Physiker, der in den 1930er Jahren in Europa an der Entwicklung der Quantentheorie arbeitet. Er trifft dort auf große bekannte Gelehrte wie Heisenberg und Nils Bohr, die ihn in seiner Arbeit inspirieren.
Zunächst interessiert sich Oppenheimer für den Verfall von Sternen und die Entstehung von Schwarzen Löchern. Als Nicht-Physikerin habe ich keine Ahnung, was das genau mit dem Thema Kernspaltung und Quantenmechanik zu tun hat (außer, dass Sterne ja selbst Kernspaltung betreiben).
Später kehrt Oppenheimer in die USA zurück und gründet in Berkley eine Fakultät für die Erforschung der Quantenmechanik. Auf diesem Gebiet ist er der erste Wissenschaftler in den USA, der aber schnell einen größeren Kreis von Studenten um sich versammelt.
Diese Zeitebene beleuchtet auch, dass Oppenheimer in diesen Jahren Kontakte zu kommunistischen Kreisen hatte, was für den späteren Verlauf relevant wird.
Oppenheimer stellt am Vorabend des Zweiten Weltkriegs eine Theorie vor, nach der es möglich sei, Atomkerne zu spalten. Das alles ist nur Vorgeplänkel – denn dann beginnt der Krieg, und kurz darauf gelingt es, die Theorie durch praktische Versuche zu bestätigen: Wissenschaftlern gelingt die Spaltung von Atomkernen und es stellt sich heraus, dass sich über eine Kettenreaktion eine feine neue Bombe bauen ließe.
Da die Amerikaner befürchten, dass die Deutschen mit ihrem Heisenberg an dieser Bombe arbeiten, rufen sie das ultra-geheime Manhattan-Projekt ins Leben, deren Leiter Oppenheimer wird, trotz seiner Kontakte zu Kommunisten.
Der ganze Film läuft 180 Minuten, und diese erste Zeitebene befasst sich eng mit der Entwicklung der Atombombe. Ich will da auch gar nicht genauer drauf eingehen – die Zeitebene endet mit dem Abwurf der beiden Bomben auf Hiroshima und Nagasaki, wodurch Oppenheimer zum „Vater der Atombombe“ gekürt wird.
Oppenheimer selbst setzt sich danach dafür ein, dass es Abkommen geben muss, damit es nicht zu einem Wettrüsten (Kalter Krieg) oder einem Atomkrieg kommt.
Mittlere Zeitebene: Oppenheimers Fall
Die zweite große Zeitebene behandelt einen Ausschuss bzw. eine Anhörung Oppenheimers einige Jahre später. Es geht darum, ob er weiterhin eine Sicherheitsfreigabe für die Teilnahme an geheimen Projekten haben darf. Ihm wird vorgeworfen, dass über ihn geheime Informationen über die Entwicklungen an Russland gelangt sein könnten – hier kommen seine früheren Kontakte zur kommunistischen amerikanischen Partei wieder auf den Tisch.
Die Dinge laufen zunächst nicht mehr gut für Oppenheimer.
Späte Zeitebene: Die Nachwehen von Oppenheimers Fall?
Die dritte Zeitebene präsentiert Nolan in Schwarz-weiß, obwohl es die jüngste Zeitebene ist. Hier geht es gar nicht mehr direkt um Oppenheimer, sondern um eine Anhörung eines Admiral Strauss, der wohl US-Handelsminister (?) werden soll. Vor seiner Ernennung wird seine Beziehung zu Oppenheimer, die ein paar Jahre nach Ende der ersten Zeitebene beginnt, unter die Lupe genommen.
Am Schluss des Films sehen wir noch, wie Oppenheimer wieder rehabilitiert wird.
Gedanken zu Oppenheimer
Was ist drin, was ist nicht drin?
Alle reden immer über die Atombombe – klar. Aber der Film heißt ja nicht „Die Bombe“, sondern „Oppenheimer“. Somit steht der Wissenschaftler im Mittelpunkt. Während des ganzen Films konnte ich nicht entscheiden, ob ich den Charakter mag oder nicht. Zu nüchtern ging er an die Sache ran. Zu einfach hat er immer alle Bedenken während der Entwicklung beiseite geschoben. Zu einfach fand ich die Ausrede „Ich bin ja nur Wissenschaftler, der Einsatz ist nicht meine Schuld“. Okay, jetzt geht es doch wieder um die Bombe ^^
Oppenheimer bleibt irgendwie unnahbar. Er selbst scheint für nichts wirklich zu brennen – klar, außer für die Wissenschaft. Sein Bezug zur linken Partei scheint irgendwie nur sehr halbherzig zu sein. Seine spätere Verteidigung vor einem Ausschuss ebenfalls. Selbst seine Frau macht Oppenheimer immer wieder den Vorwurf, dass er nicht kämpft.
Der Film Oppenheimer behandelt darüber hinaus aber auch weiterführende Fragen wie: Wie gehen wir nun mit dieser Waffe um? Wie verhindern wir einen weltweiten Atomkrieg? Und es kommen einige politische Intrigen auf den Tisch.
Was nicht im Film vorkommt, ist Hiroshima. Der ganze Film dreht sich um die Atombombe, aber deren bisher einziger, gleich doppelter Kriegseinsatz ist nur eine Randnotiz. In diesem Hinblick ist es auch schon irgendwie zynisch zu sehen, wie Oppenheimers Mitarbeiter feiern und jubeln, als sie über das Radio vom erfolgreichen Einsatz der Bombe in Japan hören.
Oppenheimer sieht sich im Film zwar eine Dokumentation über die Auswirkungen der Bombe in Japan an, aber als Zuschauer sehen wir die Bilder nicht selbst, sondern nur Oppenheimers Gesicht, als er die Zerstörung sieht.
Die Auswirkungen seiner Schöpfung scheinen Oppenheimer auch zum Umdenken bewegt zu haben. Er entwickelt moralische Bedenken für diese furchtbare Waffe, die auf einen Schlag Zehntausende Menschen töten kann. Er setzt sich dann für deren Reglementierung ein – nicht nur für die USA, sondern auch für Russland, die, basierend auf den Forschungen des Manhattan-Projekts, ebenfalls schnell eine Atombombe gebaut haben.
Ob Oppenheimer der Einsatz der Bombe leid tut, lässt der Film offen. Er war aber auch nicht an der Entscheidung beteiligt, ob sie wirklich eingesetzt werden wird.
Ganz ohne Explosion müssen wir aber nicht auskommen: Den riesigen atomaren Feuerball sehen wir quasi in Zeitlupe und auf der großen Leinwand regelrecht zelebriert irgendwann nach der Hälfe der Films, als im Manhattan-Projekt die Testbombe in Los Alamos gezündet wird, nur wenige Wochen vor dem „Ernstfall“.
Meine Meinung
Ich weiß selbst noch nicht genau, was ich von dem Film Oppenheimer halten soll.
- Worauf will er hinaus?
- Ist es ein Bio-Pic über Oppenheimer? Aber warum dann die schwarz-weiße Zeitebene mit Strauss?
- Soll er Oppenheimers Zerrissenheit zeigen?
Aber so zerrissen wirkt er nicht: Bis Hiroshima zeigt er keine Zweifel: Der Einsatz der Bombe soll den Krieg beenden, was er auch tut, und somit den Tod weiterer amerikanischer Soldaten verhindern. Sie soll also ein Mittel zum Zweck sein, und Oppenheimer redet sich ein, dass er nur das Werkzeug gebaut hat. Eingesetzt hat es jemand anderes. Dass das eine dünne Argumentation ist, wird ihm später selbst klar.
Also – Ich persönlich finde nicht, dass Oppenheimer Nolans bestes Werk ist. Es gibt kaum Emotionen und der Aufbau des Films ist recht kompliziert. Das schaut man sich nicht einfach an und fiebert mit.
Aber das Thema ist dennoch spannend. Der Film Oppenheimer konfrontiert uns mit fundamentalen Fragen: War die Entwicklung der Bombe unvermeidlich? Die Amerikaner dachten, dass die Deutschen sie bauen, also wollten sie zuvor kommen – damit wäre es Eigenschutz.
Mit wie viel „Lust am Präsentieren“ entschieden sich die Amerikaner für den Abwurf der Bomben? Hatten sie damit wirklich nur die Absicht, den Krieg zu beenden? Oder wollten sie alle Welt wissen lassen, dass sie jetzt die ultimative Waffe haben? Und sie natürlich auch mal unter realen Bedingungen „testen“?
Ich frage mich auch, was der echte Oppenheimer selbst gedacht hat, als er die zu Asche verbrannten toten Körper und die beiden völlig zerstörten Städte auf Bildern gesehen hat. Schließlich betrachtete er sich als Wissenschaftler, nicht als Soldat. Und dennoch sind aufgrund seiner Forschung Abertausende Menschen gestorben.
Die meisten von uns sind in einer Welt aufgewachsen, in der es Atombomben schon gab. Für die Menschen damals müssen die ersten Berichte und Bilder aber wie die entfesselte Hölle gewirkt haben, und da stellt sich durchaus die Frage: Wer darf das nutzen? Wann darf man es nutzen?
Schreibe einen Kommentar