Dieses Jahr waren Pierre und ich in der Arktis, auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen. Ich hab mir damit einen Traum erfüllt: Wir waren unterwegs auf den Spuren der Polforscher, die von Ny-Alesund in Spitzbergen zum Nordpol aufgebrochen sind. Es ist eine eisige und sehr karge Gletscherwelt da oben. Wir waren drei Nächte mit einem denkmalgeschützten Schiff unterwegs und sind damit durch die vergletscherten Fjorde geschippert. Sehr beeindruckend. Video und vielleicht ein Bericht folgen … irgendwann :D
Jedenfalls – Arktis ist cool, Norwegen ist cool. Ich bekomme davon nicht genug und stieß in den vergangenen Wochen auf mehrere neuere norwegische Film- beziehungsweise Serienproduktionen, die den zweiten Weltkrieg und Norwegens Rolle darin thematisieren. Drei von drei sind sehr gut und deswegen möchte ich sie dir ans Herz legen.
In Oslo haben wir ein Denkmal für die umgekommenen Seeleute gesehen und ich habe mich noch gefragt, wozu – welche umgekommenen Seeleute? In diesen Filmen erfährst du es :)
Empfehlung Nr. 1: „Narvik“
Hintergrund: Narvik ist eine kleine Hafenstadt im Norden von Norwegen. Der Hafen ist wichtig, weil von dort das Eisenerz aus dem nicht weit entfernten schwedischen Eisenerzbergwerk Kiruna verschifft wird. Norwegen war im Krieg zunächst neutral und handelte sowohl mit Deutschen als auch Briten. Um sich den Zugang zum Erz zu sichern, besetzte das Deutsche Reich im April 1940 kurzerhand die Stadt, das norwegische Militär muss abziehen. Bald darauf versuchen die Alliierten, die Stadt in der Schlacht um Narvik zurückzuerobern.
Darum geht’s: „Narvik“ zeigt die Sicht der jungen Frau Ingrid und ihres Mannes Gunnar. Ingrid kann Deutsch und Englisch und arbeitet in einem Hotel in Narvik. Gunnar ist Unteroffizier im norwegischen Militär. Beide sind damit von den Ereignissen direkt betroffen. Während Ingrid für die Deutschen übersetzt und somit den Besatzern indirekt hilft, erlebt Gunnar die Schlacht um Narvik als Soldat.
Der Film ist etwas melodramatisch. Dennoch finde ich ihn gut. Er gibt Einblicke in Aspekte des Krieges, die auch mir als Kriegsinteressierte völlig entgangen sind: die Ereignisse in Norwegen und wie die Besetzung der Deutschen ablief. Interessanterweise habe ich den Eindruck, dass die Deutschen zwar grundsätzlich die „Bösen“ sind – aber im Film verhalten sie sich fair. In „Narvik“ gibt keine Quälereien der Zivilbevölkerung durch die Deutschen. Stattdessen wird die Stadt von britischen Bombern in Schutt und Asche gelegt.
Dazu kommt auch das Problem der Kollaboration: Ingrid gerät als Übersetzerin automatisch in die Rolle der Helferin für die Besatzer. Sie spricht Deutsch, sie kann sich mit den Deutschen verständigen, sie erhält sogar Vorteile – damit bekommt sie für ihre deutschen Nachbarn natürlich einen gewissen Ruf. Schaust du dir den Film übrigens in der Originalfassung an, kannst du dich in entsprechenden Szenen über astreines Deutsch freuen.
Wo läuft „Narvik“? Auf Netflix.
Empfehlung Nr. 2: „Arctic Convoy“
Hintergrund: Um die Sowjetunion im Kampf gegen die Deutschen unterstützen, beluden die Briten und Amerikaner Hunderte Handelsschiffe mit Panzern, Flugzeugen, Waffen, Munition und Vorräte und schickten sie in Form von gesicherten Nordmeergeleitzügen von Island aus weit nördlich am deutsch besetzten Norwegen vorbei nach Russland. Dazu wurden auch viele norwegische Schiffe und deren Besatzung rekrutiert. Das war sehr gefährlich, weil die Deutschen die Lieferungen verhindern wollten. Von 811 Schiffsladungen zwischen 1941 und 45 erreichten laut Wikipedia 720 das Ziel, 89 Handelsschiffe wurden versenkt.
Darum geht’s: „Arctic Convoy“ spielt aus Sicht eines dieser Handelsschiffe. Zusammen mit zig anderen Schiffen ist es unterwegs Richtung Russland. Doch als die britischen Eskortschiffe einen großen Angriff der Deutschen auf den Convoy fürchten, ziehen sich die Kriegsschiffe zurück und überlassen die zivilen Transporter ihrem Schicksal.
Dieser Film ist eisig, nicht nur wegen der arktischen Kälte nördlich von Norwegen. Die zivile Besatzung weiß nicht, wie ihr geschieht und muss entscheiden, ob sie versucht, ungeschützt ihren Zielhafen in Russland zu erreichen oder den Geleitzug zu verlassen. Deutsche U-Boote machen Jagd auf die Schiffe und auch die Frage, ob man den Schiffbrüchigen hilft und sich dabei selbst in Gefahr begibt, steht im Raum. Letztendlich geht es um die Frage: Welchen Teil sollte jeder und jede einzelne dazu leisten, das Deutsche Reich zu besiegen? Ist es das auch Wert, dafür das eigene Leben aufs Spiel zu setzen?
Ich finde „Arctic Convoy“ sehr gut. Es gibt einige Action-Szenen, aber der Film wird von der (auch menschlichen) Lage der Besatzung getragen. Von Nordmeergeleitzügen hatte ich vorher noch nie gehört und danach hab ich mich erstmal richtig ins Thema eingelesen.
Wo läuft „Arctic Convoy“? Unter anderem auf Amazon Prime Video und Apple TV.
Empfehlung Nr. 3: „War Sailor“
Hintergrund: Wie oben beschrieben, wurden norwegische Handelsschiffe samt Besatzung für alliierte Transporteinsätze eingezogen und dadurch zum Ziel für die deutsche Kriegsmarine.
Darum geht’s: „War Sailor“ ist eine Mini-Serie mit drei Folgen, die jeweils etwa eine Stunde dauern. Die Serie überspannt die Jahre 1939-1948 mit teilweise größeren Zeitsprüngen dazwischen. Der Seemann Sigbjörn heuert 1939 zusammen mit seinem Freund Alfred, einem Hafenarbeiter, für eine längere Seereise auf einem Handelsschiff an. 18 Monate soll sie dauern. Alfred lässt seine Frau Cecila und die drei Kinder in Bergen, Norwegen, zurück. Seine Tochter Maggie versucht ihn – ähnlich wie im Film Interstellar – noch zurückzuhalten, er werde sterben, wenn er sie verlasse. Aber die Route führt nicht in die vom Krieg betroffenen Gebiete und die beiden ziehen los.
Doch es kommt anders. Die beiden Seemänner werden eingezogen und dürfen nicht mehr zurück nach Hause. Aus 18 Monaten werden viele Jahre, während denen die beiden Freundschaften mit anderen Seeleuten schließen. Dazu gehören die fröhliche Hanna – auch einige Frauen waren auf den alliierten Transportrouten der Handelsschiffe dabei, wie auch im Film „Arctic Convoy“ oben – und der erst 14-jährige Aksel, den Alfred und Sigbjörn aus dem Wasser fischen, nachdem dessen Schiff versenkt wurde. Die beiden sind freiwillig an Bord, sowohl Frauen als auch Kinder unter 16 können nicht eingezogen werden.
Während der gemeinsamen Zeit auf See erleben die befreundeten Seeleute Verlust, aber auch Kameradschaft. Für Alfred bildet sich eine Ersatzfamilie für die an Land zurückgebliebe Frau und Kinder – die unterdessen unter britischen Bombardierungen leiden müssen. Gegen Ende des Krieges folgt dann ein Marschbefehl für die gefährlichste aller Transportrouten und die Seeleute müssen sich entscheiden, ob sie desertieren oder an Bord bleiben.
„War Sailor“ behandelt das Schicksal von Menschen, deren Leben durch historische Ereignisse nachhaltig geprägt werden. Der dritte Teil der Serie behandelt die Zeit nach dem Krieg und thematisiert die Traumata der Kriegsrückkehrer sowie ihre Schwierigkeiten, sich wieder in ein normales Leben einzufügen.
Wo läuft „War Sailor“? Auf Netflix.
Titelbild: „Arctic Convoy“
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