Details zum Buch
Autor: Stephen King & Owen King
Titel: Sleeping Beauties
Erstveröffentlichung: 2017 (Orig.) / deutsch 11.02.2019
Deutsche Übersetzung: Bernhard Kleinschmidt
Seiten: 956
Ach, es ist so herrlich kuschelig im Bett! Schlafen ist ein so angenehmer Zustand. Auf Schlaf verzichten zu müssen ist irgendwie gar keine schöne Vorstellung. Auch dann nicht, wenn man sich den Schlafentzug selbst auferlegt, weil man weiß, dass man nicht mehr aufwacht, sobald einen der Schlaf übermannt. Und darum geht es in Sleeping Beauties.
Stephen King und sein Sohn Owen präsentieren uns mit Sleeping Beauties einen „Was wäre, wenn“-Roman. In seinem 2000 erschienen Memoiren-Buch „Das Leben und Schreiben“ beschrieb King (Stephen :D) bereits, dass er häufig „Was wäre, wenn“-Ideen nutzt und den Roman dann danach aufbaut. Das können irgendwelche abstrusen Ideen sein – und dann formuliert man sie einfach aus. Genau diese Dramaturgie exerzieren die Kings auch hier durch.
Was wäre die Welt ohne Frauen?
Dooling ist eine absolut durchschnittliche Kleinstadt in den Appalachen in den USA. Bis auf die unheimliche Fremde, die plötzlich nackt in den Wäldern erscheint und dann zwei Meth-Köche in einem zum Meth-Labor umfunktionierten Wohnwagen brutal umbringt. Die zugedröhnte Tiffany, einzige Zeugin des Geschehens, wird verschont und ruft die Polizei.
Gleichzeitig scheint sich eine unheimliche Seuche innerhalb eines Tages auf der ganzen Welt auszubreiten: Sobald eine Frau einschläft, bildet um sie herum ein Kokon und sie wacht nicht mehr auf. Da kann man rütteln und schütteln soviel man will – nichts zu machen. Und wer auf die Idee kommt, den Kokon zu zerreißen, dem wird es unmittelbar darauf leid tun.
Die merkwürdige „Krankheit“, Aurora genannt, kennt keine Ausnahmen. Alle weiblichen Menschen, vom Säugling bis zur Seniorin, sind betroffen. Außer eine: Evie, die Junkie-Killerin aus Dooling. Die wandert aber zunächst in den Frauenknast, wo schnell erkannt wird, dass sie hier einen ganz besonderen Neuzugang haben.
Überall sonst bricht Panik aus. Frauen versuchen, tagelang mit Aufputschmitteln wach zu bleiben, Männer prügeln sich um Krankenhausplätze für ihre betroffenen Töchter und Ehefrauen – aber es hilft alles nichts. Irgendwann schläft jeder mal ein, und zurück bleibt nur ein weißer Kokon.
Und Männer, die völlig unterschiedlich darauf reagieren, dass sie die Welt nun für sich allein haben, denn niemand weiß, ob die Frauen wieder aufwachen werden. Was wäre also, wenn auf einmal alle Frauen weg wären? Es ist reiner Zufall, dass gestern (9. März 2020) in Mexiko unter dem Motto „Ein Tag ohne uns“ Millionen Frauen nicht zur Arbeit gingen und das Haus nicht verließen, um auf die Rolle der Frau hinzuweisen und gegen Gewalt gegen Frauen zu protestieren.
Stephen King mag den Zusammenbruch der Gesellschaft
Es ist nicht das erste Mal, dass King den Zusammenbruch der Gesellschaft beschreibt. Das scheint ihm zu liegen – Denken wir nur an The Stand, wo ein tödlicher Virus die meisten Menschen dahin rafft. Dieses Thema scheint er immer wieder gern aufzugreifen, aber im Gegensatz zu anderen populären Katastrophen-Szenarios gibt es bei King immer eine unerklärliche, übernatürliche Komponente.
Da ist natürlich Randall Flagg in The Stand, der Verkörperung von Chaos und Anarchie. Und in „Die Arena“ senkt sich auf einmal eine undurchdringliche, durchsichtige Kuppel über eine Kleinstadt, die daraufhin in Chaos ausbricht. Und hier in Sleeping Beauties geht nichts mehr, weil auf einmal alle Frauen „verschwinden“.
Die Arena und Sleeping Beauties sind dabei ganz ähnlich aufgebaut. Ich würde sagen, die beiden Bücher sind Cousins ersten Grades :D Erst beschreibt King das Gefüge einer Kleinstadt. Da gibt es gute Leute und schlechte Leute, hinterhältige Männer, die die Gunst der Stunde nutzen und sich mit radikalen Ideen in den Vordergrund drängen, völlig heruntergekommene White Trash-Leute, aber genauso auch völlig intakte Familien.
Dann realisieren immer mehr Menschen, dass etwas nicht stimmt. Man versucht herauszufinden, was los ist und was man tun kann. Als klar wird, dass man nichts tun kann, geht das Chaos los, Leute drehen durch. Ein Showdown bahnt sich an.
Obwohl ich Weltuntergangsszenarien mag, war ich ehrlich gesagt etwas enttäuscht, als ich feststellte, dass sich „Die Arena“ und „Sleeping Beauties“ im Aufbau so ähneln, nur mit unterschiedlichen Grundvoraussetzungen.
Die Unsicherheit der Männer
Wer würde beim Buchkauf denken, was für eine Geschichte er da in die Hand bekommt! Alle Frauen schlafen ein, die Welt besteht nur noch aus Männern. Da beschreiben die Kings, wie manche Männer nicht wissen, wie sie ihr Kleinkind füttern sollen und wie sie verlottert und ungebügelt herumlaufen, weil niemand hinter ihnen her räumt.
Ich war etwas überrascht, so ein Buch von King zu lesen. Soweit ich mich an seine Bücher erinnere – und ich kenne recht viele -, dienen Frauen hier tatsächlich in vielen Geschichten als Punching Ball für gewalttätige Männer.
In „Das Bild – Rose Madder“ geht es auch ganz explizit um eine Frau, die sich ihrem Mann gegenüber emanzipiert. Jahrelang wurde sie von ihrem Mann krankenhausreif geschlagen, dann fasst sie sich ein Herz und verlässt ihn. Die Geschichte behandelt genau das: Die Trennung von ihrem Mann, und ihren Mann, der das als persönliche Beleidigung auffasst und sie mit den Worten „Diesem Luder werde ich zeigen, wer hier wen verlässt“ (ungefähr so jedenfalls) bis ins Frauenhaus verfolgt.
Auf der anderen Seite spielen Frauen in Kings Büchern auch immer wieder wichtige Rollen. Denken wir an Es, The Stand oder Der Dunkle Turm. Ohne die starken Frauen geht es dort gar nicht. Die Rolle von Frauen und Männern erscheint bei King also immer wieder in völlig unterschiedlichen Auslegungen.
In Sleeping Beauties scheint er der Sache noch weiter auf den Grund gehen zu wollen. Hier geht es unter anderem um einen Mann, der seine Frau NICHT verprügelt. Stattdessen schlägt er neben sie in die Wand. Das Thema kommt immer wieder auf – seine Frau hat dann Angst vor ihm und kann ihm seinen Ausrutscher nicht verzeihen, er selbst aber fühlt sich in der Opferrolle, weil er ihr ja nichts getan hat. Das ist schon ein anderer Umgang als in früheren Büchern, wo der Herr der Schöpfung eben Zähne ausschlug statt Fliesen.
Sleeping Beauties ist also auch eine Beschäftigung mit einer gewissen „Unsicherheit“ von Männern, die nicht wissen, warum ihr Verhalten ihnen negativ ausgelegt wird. Auf sexistische Sprüche einzelner Charaktere folgen hier meistens innere Gedanken von Frauen, in denen sie die Augen verdrehen, oder sie geben den Männern Kontra. Leiterin der Polizei ist übrigens eine Frau, die großen Respekt genießt (auch wenn es natürlich einen Mann gibt, der sagt, dass Frauen niemals solche Positionen einnehmen dürften).
Radikaler Feminismus: Männer sind an allem schuld
So weit, so gut. Fand ich sehr interessant zu lesen. Manchmal übertreiben die Kings aber auch, denn es wird im Buch ganz deutlich, dass „die Männer an allem Elend in der Welt Schuld sind“ und „die Frauen eine faire Chance verdienen, ein Leben ohne Männer zu führen“.
Auch, wenn ich auch manchmal denke, dass es sehr unfair zugeht, wenn ER weltbewegende Verbindungen dirigiert, mit Fernrohren den Jupiter erforscht und die Fotografie erfindet, während SIE zu Hause wäscht und kocht und niemals die Chance bekommt, selbst etwas zu leisten, was ihr eine Erwähnung in den Annalen einbringt. Das hat sich erst im letzten Jahrhundert wirklich geändert und ist noch immer nicht abgeschlossen (#weltfrauentag ^^).
Aber ich würde nicht so weit gehen, einen fast 1000 Seiten langen Roman darüber zu schreiben, dass Männer irrationale, machtgeile und unterdrückende Gewaltverherrlicher sind. Es gibt in Dooling zwar auch ein Frauengefängnis. Diese Frauen sitzen aber alle nur ein, weil irgendwann in ihrem Leben ein Mann sie zu kriminellen Taten angestiftet oder sie dazu gebracht hat, selbst gewalttätig zu werden. So erzählen es die Kings.
Die Charaktere im Roman sind, wie ich weiter oben schon habe anklingen lassen, ziemlich weit gestreut. Es gibt von allem etwas – aber, wie es bei King eben ist, die Autoren greifen immer wieder gern auf gleiche Stereotypen zurück. Das gilt nicht für alle King-Bücher, aber doch für die, in denen er viele Menschen abbildet und sie alle dann in eine Notlage schickt.
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Sleeping Beauties – Wertung
Ich muss zugeben, es war sehr merkwürdig, abends im Bett dieses Buch zu lesen. Mit tendenziell müden Augen. Und im Buch nehmen Frauen was weiß ich für Drogen, um tagelang wach zu bleiben. Die Vorstellung, nicht schlafen zu können/zu dürfen – aus welchem Grund auch immer – ist dann wirklich irgendwie belastend :D
Sleeping Beauties liest sich durchaus gut, ich hab das Buch in wenigen Tagen verschlungen. Anfangs fand ich es auch sehr spannend, aber sobald mir klar wurde, auf was es hinausläuft, hatte es für mich ein wenig den Reiz verloren.
Den Anteil von Owen King konnte ich übrigens nicht identifizieren. Stephen und Owen sind gleichberechtigt als Autoren aufgeführt, aber es ist nicht klar, wie sie das Schreiben aufgeteilt haben. Kapitelweise? Oder hat einer die Charaktere gebaut und der andere alles niedergeschrieben? Ich kann es nicht sagen – für mich liest sich „Sleeping Beauties“ genau wie andere jüngere King-Bücher. Gut, aber etwas substanzlos.
Allerdings denke ich, dass das Buch jemandem gut gefallen könnte, der eben weniger bewandert in Kingologie ist :D
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Ich bedanke mich bei der Randomhouse-Verlagsgruppe, die mir das Buch zur Rezension überließ. Meine Meinung zum Buch wurde nicht durch das geschenkte Exemplar beeinflusst!
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