Details zum Buch
Autor: Jasper Fforde
Titel: Grau
Erstveröffentlichung: 2010 (Orig.) / deutsch 2024
Deutsche Übersetzung: Thomas Stegers
Seiten: 555
Endlich wieder eine schön geschriebene Science-Fiction-Saga, an der wir mit sechs Bänden wirklich eine ganze Weile lang Spaß haben! Die Erde liegt, Klimawandel sei Dank, in den letzten Zügen. Nur die Reichen können sich unter schützenden Kuppeln über den Großstädten noch effektiv vor der Sonne schützen. Deswegen fließen riesige Geldmittel in ein Projekt zur Kolonisierung eines erdähnlichen Planeten um den Stern Proxima Centauri. Allerdings verläuft die Besiedlung nicht so, wie gewünscht oder erwartet – und es werden Ereignisse in Gang gesetzt, die immer weiter eskalieren.
Die Erde, der sterbende Planet
Im Jahre 2232 geht es unserer Erde nicht gut. Aus dem „Blauen Planeten“ ist ein Wasser-Wüste-Planet geworden: Der Klimawandel führte dazu, dass die Temperatur auf der Erde stark anstieg und die Polkappen schmolzen. Der Meeresspiegel liegt über 70 Meter höher als zu Beginn des 21. Jahrhunderts und weite Teile der früheren Küstenregionen liegen unter Wasser. Aber auch der Rest der Landmassen ist so gut wie unbewohnbar geworden: Temperaturen von 50 bis 80° C bescheren den Menschen die Hölle auf Erden und die pralle Sonne führt nach nur wenigen Minuten zu ernsthaften Hautverbrennungen.
Das Leben auf der Erde ist also fast zum Erliegen gekommen, die meisten Städte und Siedlungen mussten aufgegeben werden. Nur wenige Städte, darunter München, Phoenix in den USA, Johannesburg in Afrika, Minsk in Russland und Peking in China existieren weiterhin, riesige Energieschirme schützen diese Städte vor der unerbittlichen Sonne und den schweren Sandstürmen. Hier drängen sich Millionen von Menschen zusammen – die Privilegierten dieser Welt. Wer in einer der Städte leben darf, der hat Glück. Alle anderen fristen ein erbärmliches Leben in Flüchtlingslagern vor den Städten, auf der Suche nach Schatten und Wasser.
Im Buch wird unsere Zeit immer als eine Zeit des naiven Glücks dargestellt. Uns gehe es gut, viel zu gut, so dass wir die Gefahren des Klimawandels nicht sähen und keine Maßnahmen ergriffen. Dadurch wird das Klima der Erde so nachhaltig zerstört, dass der Planet nur 200 Jahre später fast unbewohnbar ist. Das gibt zu denken – denn so ist es ja!
Eine kleine Hoffnung: Die „Neue Erde“
Insgesamt ist die Bevölkerung der Erde bereits auf einen Bruchteil ihrer früheren Stärke zusammengeschrumpft, weitere Milliarden Tote werden in den nächsten Monaten erwartet. Ja, die Erde steht am Rande des Abgrunds – ein wenig wie im Film Interstellar.
Doch es gibt eine kleine Hoffnung – jedenfalls für diejenigen, die es sich leisten können: Um unseren Nachbarstern Proxima Centauri kreist ein erdähnlicher Planet (witzig, direkt davor las ich die Proxima-Serie von Brandon Q. Morris, die sich gerade um genau diesen Planeten dreht :D). Diese „Neue Erde“ ist rund vier Lichtjahre entfernt, eine Distanz, die schnelle Kolonistenschiffe in immerhin nur acht Jahren und mithilfe von Kälteschlaf überwinden können. In der Raumfahrt hat sich in Solarian einiges getan: Größere und kleinere Raumschiffe sind nichts besonderes mehr, da sich die Menschheit längst schon über das Sonnensystem ausgebreitet hat und verschiedene Raum- und Bodenstationen über verschiedenen Planeten und Monden unterhält.
Mehrere 1000 Menschen wurden bereits umgesiedelt – aber durch die weite Entfernung sind diese Kolonisten größtenteils auf sich gestellt, denn Signale benötigen genau wie das Licht über vier Jahre zur Übertragung zwischen der Alten und der Neuen Erde.
Es wäre doch ein Jammer, wenn es auf der Neuen Erde zu Problemen kommen sollte…
Die klassischen Machtblöcke: Der Westen, Russland und China
Aber als hätte die Menschheit nicht schon genug Probleme, gibt es auch noch Reibereien zwischen den drei großen Machtblöcken der Erde: Die Förderation steht für den früheren Westen (im Wesentlichen Europa und die USA), NewCom vereint die Städte des früheren Ostblocks unter sich und PanAsia ist der traurige Rest der früheren asiatischen Staaten.
Das Gleichgewicht der drei Blöcke ist fragil. Die Föderation hat durch ihre Kolonie auf dem Jupitermond Ganymed und deren umfangreichen Ressourcenlieferungen die Oberhand und kann als einzige Fraktion mächtige Kriegsraumschiffe bauen. Bis Ganymed sich bereits zu Beginn der Geschichte von der Föderation unabhängig erklärt. Nun muss die Föderation mit dem auskommen, was sie hat: nämlich mit der USS Kinshasa, dem mit Abstand einzigen Raumschiff, das alle anderen Raumschiffe zum Frühstück verputzen kann.
Während sich die Föderation mit der Wasser- und Lebensmittelversorgung der Flüchtlinge die Probleme direkt vor die Haustür holte, sorgte die NewCom-Administration mit wohldosierten Flächenbombardierungen dafür, dass sich im Umkreis von 500 Kilometern kein Flüchtling bei Tageslicht aus seiner Erdhöhle traute.
Solarian. Tage des Aufbruchs (1) – S. 190
Alle drei Machtblöcke agieren unabhängig voneinander und entwickeln ihre eigenen Technologien, aber beim Thema Neue Erde arbeiten sie halbwegs zusammen. Zwar produziert jede Fraktion ihre eigenen sündhaft teuren interstellaren Schiffe für die Aussiedler, doch auf der Neuen Erde gibt es, auch wegen der weiten Entfernung zur Erde, keine von der Erde gesteuerte Administration.
Die sechs Bände der Solarian-Saga
Solarian. Tage des Aufbruchs (1)
491 Seiten
Veröffentlichung: 2015
Solarian. Tage der Rache (4)
509 Seiten
Veröffentlichung: 2016
Solarian. Tage der Asche (2)
509 Seiten
Veröffentlichung: 2015
Solarian. Tage der Suche (5)
504 Seiten
Veröffentlichung: 2017
Solarian. Tage der Stille (3)
510 Seiten
Veröffentlichung: 2016
Solarian. Tage der Ewigkeit (6)
512 Seiten
Veröffentlichung: 2017
Die Hauptfiguren und ihre Handlungsstränge zu Beginn der Geschichte
Thariot erzählt die Solarian-Geschichte hauptsächlich aus der Sicht mehrerer Hauptpersonen, die ich nachfolgend vorstelle.
Scott MacSweetbody, der Schmuggler
Scott war früher Angehöriger der Special Forces, also des militärischen Arms der Föderation. Bis er desertierte und ein zweites Standbein als Schmuggler, Pirat und zynischer Frauenheld anstrebte. Dabei entwickelte er einen Hang dazu, Frauen, widerspenstige Roboter und alles andere, was ihn ärgert, erwürgen zu wollen.
Zu Beginn der Geschichte befindet er sich wegen einer misslungenen „Transaktion“ (irgendein unsauberes Geschäft) auf einem Flug direkt in die Sonne und sieht somit seinem Tod ins Auge – aber Autor Thariot hat mit Scott noch einiges vor. Scott wird gerettet und an Bord der USS Kinshasa als Deserteur vor ein Kriegsgericht gestellt. Für ihn das Sprungbrett in eine neue Karriere!
Bedauerlicherweise lief seine letzte Transaktion geringfügig aus dem Ruder, was ihm diesen musikalisch perfekt begleiteten Freiflug in die Hölle einbrachte.
Seite 5 des ersten Solarian-Bandes
Tara Bagian – junge Offizierin auf der USS Kinshasa
„Zu den Sternen reisen“ – das ist der Kindheitstraum der jungen Space Academy-Absolventin Tara. Sie wünschte sich nichts mehr, als zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester Istari irgendwann zur Neuen Erde reisen zu können und die Hitzehölle hinter sich zu lassen – denn die junge Frau stammt aus den Flüchtlingslagern vor Johannesburg. Nur durch ein spezielles Förderprogramm hat sie überhaupt die Chance bekommen, nicht nur eine Stadt zu betreten, sondern sogar eine Laufbahn bei den Space Forces zu beginnen.
Tara wird auf der USS Kinshasa als Raver-Pilotin eingesetzt. Raver-Piloten steuern vom Schiff aus kleine Drohnen, die den verlängerten Arm der starken Lasergeschütze des Kriegsschiffes darstellen. Ihre Aufgabe ist es, den Luftraum um das Riesenschiff zu kontrollieren und, wenn nötig, ihre Forderungen mit mit Gewalt ihrer Geschütze im Rücken umzusetzen.
Istari Bagian – Überlebenskämpferin und Schwester von Tara
Istari ist die temperamentvolle jüngere Schwester von Tara. Sie hatte nicht Taras Glück und blieb vor Johannesburg zurück. Unter den Flüchtlingen zählt ein Menschenleben nicht viel. Für einen Liter Wasser tötet man, ohne mit der Wimper zu zücken. An dieses Leben ist Istari angepasst. Rücksichtlos tritt sie Schwächere in den Staub, wohl wissend, dass es ihr nicht anders ergehen würde. „Du oder ich“ – das ist die Devise für alle, die nicht in einer der schildgeschützten Städte leben dürfen.
Durch eine Verkettung merkwürdiger Zufälle gerät Istari dann an einen Geologen mit einem verwegenen Plan zur Rettung der Erde. Sie schließt sich ihm an – dumm nur, dass der Plan das Sprengen von vier gestohlenen Nuklearsprengsätzen beinhaltet, was in höchstem Maße illegal ist. Istari landet daher schließlich – wie könnte es anders sein – im Zellblock der USS Kinshasa.
»Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder!?« Istari Bagian stand auf und gab der Zara eine Ohrfeige. Nach dem Schlag wurde es ruhig. Sehr ruhig. Der Major sagte so laut nichts, dass es Dale in den Ohren klingelte.
»Das akzeptiere ich nicht!«, schrie Istari Bagian sie [die Zara] an, die keinerlei Reaktion zeigte. Die Reste des Mannes, der die Zara zuletzt angegriffen hatte, liefen unter den Laufgittern in den Abfluss.
Ja, Istari ist temperamentvoll
„Kamal Chowbutt“ und weitere Namen
Der Mann, der als Kamal Chowbutt bekannt ist, begegnet uns als Auftragskiller mit einem Hang zu Luxus und schönen Frauen. Während eines Auftrags, den er mit einem Scharfschützengewehr und einem offenen Fenster abschließt, genießt er im Hotelzimmer nicht nur einen 200 Jahre alten Wein, sondern auch die Anwesenheit einer sinnlichen Eskortdame. Die allerdings mehr ist, als sie zu schein scheint.
Genau wie unser Kamal, den ich oben in Anführungsstriche gesetzt habe. Denn Kamal heißt gar nicht Kamal, sondern das ist der Name eines Menschen, den unser Killer zuvor umgebracht und seine Identität mitsamt optischem Aussehen gestohlen hat. „Kamal Chowbutt“ ist der einzige Mensch auf der Welt, der über die Prototypentechnik des Körperwechselns verfügt. In kürzester Zeit kann er seinen Körper so verändern, dass aussieht wie jemand, dessen DNA er zuvor analysierte. Das macht es schwer, ihn zu fassen – und deswegen verwandelt er sich direkt nach seinem aktuellen Auftrag in die schöne Chinesin Liu Wu, die nun wirklich niemand eines Verbrechens verdächtigt.
Dieser Auftrag führt nun aber zu einem weiteren Auftrag, der Liu direkt mit einer der mächtigsten Personen der Welt in Verbindung bringt – um sie zu töten.
Kamal genoß diesen besonderen Augenblick, das Kristallglas mit ruhiger Hand schwenkend, ließ er den Domaine Leroy Musigny Grand Cru [seltene Weinsorte] und die wohlgeformten Rundungen seiner Abendbegleitung wechselweise auf sich wirken.
Vorstellung von Kamal im 1. Band
Leonie Heagle – Aussiedlerin auf der Neuen Erde
Leonie erwachtet zu Beginn von Solarian gerade aus dem Kälteschlaf. Sie befindet sich auf der „Frühlingserwachen“, einem PanAsia-Siedlerschiff, das kurz vor der Ankunft auf der Neuen Erde steht. Sie ist Mutter von vier Kindern und ihr Mann Peter ist der derzeitige Kommandant aller Siedler auf der Neuen Erde. Ihre Träume scheinen in Erfüllung zu gehen, Leonie konnte das Leben auf der Erde hinter sich lassen und steht kurz davor, auf der Neuen Erde eine neue Existenz aufzubauen.
Aber so einfach ist es nicht. Denn bei der Ankunft der „Frühlingserwachen“ stellt sich heraus, dass auf der Neuen Erde eine mysteriöse Seuche grassiert, die innerhalb kürzester Zeit einen Großteil aller Menschen getötet hat. Heilung gibt es nicht – und es stellt sich heraus, dass sich diese Seuche auch auf die Insassen der „Frühlingserwachen“ überträgt, obwohl diese sich noch im Orbit befindet. Der Traum wird zum Alptraum für Leonie. Doch sie selbst bleibt gesund – und tatsächlich findet sie auch die Ursache der Seuche heraus: Es ist kein Virus, sondern eine fremde, unfassbar überlegene Lebensform auf der Neuen Erde. Wie geht es damit weiter?
Rezension zu Solarian
Okay, und jetzt vergiss das Setting der sterbenden Erde, von dem du gerade gelesen hast. Denn die Verhältnisse ändern sich schon spätestens im 2. Buch derartig, dass das gar nicht mehr relevant ist. Ich denke, das ist auch nicht zu viel gespoilert – ich möchte nur sagen, dass kein Buchrückentext dich auf das vorbereitet, was in der Solarian-Serie wirklich passiert und worum es geht. Um dir den Lesespaß nicht zu verderben, verdecke ich die konkreteren nachfolgenden Informationen unter dem Balken hier :D
Massiver Spoiler!
Auf der Neuen Erde treffen die Menschen auf eine fremde Lebensform aus reiner Energie. Sie ist den Menschen und ihrer zerstörerischen Lebensweise nicht besonders wohlgesonnen und beginnt deswegen einen Angriff auf die Erde. Unser schöner, ehemalig blauer Planet wird dadurch noch unbewohnbarer, Milliarden Menschen sterben und die restlichen 12 Millionen Überlebenden retten sich gerade so in ein fremdes Sternensystem, das sie später Solarian nennen. Aber die Bedrohung ist nicht vorbei und vor allem wollen die Menschen wissen, womit sie eine so aggressive „Überreaktion“ verdient haben – und ob man auch Frieden schließen könnte.
Endlich – endlich gibt es mal wieder ein richtig gut geschriebenes und mit seinen über 3000 Seiten lang anhaltendes Lesevergnügen á la Commonwealth-Saga! Zu Beginn der Geschichte ist noch nicht ansatzweise erkennbar, wohin uns die sechs Bücher führen werden und welche Story Twists Thariot für uns bereit hält. Mich interessierte zunächst das Setting der zerstörten Erde – dass dann aber auch noch Raumfahrt, ferne Planeten und eine außerirdische Macht mitmischen, war ganz und gar nicht abzusehen.
Von gut geschriebenem „Popcorn-Kino“ zu einer epischen Saga
Die ganze Geschichte geht mit der Einführung der Figuren und der Vorstellung der Welt recht langsam los. Das dauert schon locker das erste, wenn nicht auch das zweite Buch. Hier könnten manche Leser möglicherweise schon das Interesse verlieren, denn es gibt keinen übergreifenden Handlungsfaden. Was mich hier vor allem bei der Stange gehalten hat, war fast ganz allein Thariots Schreibstil. Er schreibt dermaßen bunt und mit Freude, dass es zumindest mir einfach riesigen Spaß machte, Satz für Satz weiterzulesen. Sozusagen Popcorn-Kino: Nicht wegen einer tiefgründigen Story, sondern des Vergnügens wegen. Irgendwann beginnen die einzelnen Handlungsstränge auch damit, wirklich Spannung aufzubauen, so dass mir die Figuren und die Geschichte ans Herz wuchsen.
Üblicherweise hätte man mit der schwarzen Plörre, die föderative Kaffeevollautomaten produzierten, Löcher in die Bordwand ätzen können.
Solarian. Tage des Aufbruchs
Thariot springt wie üblich im Verlauf seiner Geschichte von Figur zu Figur. Interessanterweise lässt er manche Perspektiven auch überlappen, so dass wir die Situation einmal aus der Sicht von A und dann aus der Sicht von B erleben. Das langweilt nicht, sondern ist aufschlussreich für die Charakterentwicklung, weil wir erfahren, dass beide Charaktere eigentlich unsicher sind und gar nicht so tough, wie der jeweils andere denkt. Diese Überlappungen gibt es aber nicht immer. Obwohl manchmal auch ein wenig Zeit vergeht, von der wir nichts mitbekommen, läuft die gesamte Geschichte insgesamt eher langsam ab. Wir blicken hier auf einen Zeitraum von wenigen Wochen, in dem sich alles völlig unerwartet entwickelt.
Rein storytechnisch gefällt mir meine heißgeliebte Commonwealth-Saga etwas besser, aber der Sprachstil der Solarian-Saga gleicht das wieder aus. Mit Leichtigkeit spielt Thariot seine Figuren und deren spezifischen Eigenheiten aus und seine Wortwahl rang mir immer wieder mal ein lautes Lachen ab. In den letzten Jahren bemängelte ich oft den zu sperrigen Tech-Schreibstil mancher Sci-Fi-Autoren insbesondere im Bereich der Charaktere (allen voran Andreas Brandhorst in Das Erwachen und zuletzt Brandon Q. Morris in der bereits erwähnten Proxima-Reihe), aber in der Solarian-Reihe habe ich dazu keinen Anlass.
Thariot meistert flapsige und derbe Dialoge genauso wie das Beschreiben lockerer, Sympathie erzeugender Situationen oder Umgebungen und zackig militärische Einsatzbefehle. Er kommt zwar meiner Meinung nach noch nicht ganz an den exzellenten Stil von Frank Schätzings Limit heran, ist ihm aber dicht auf den Fersen.
Die USS Kinshasa schoss aus zwölf Hochenergiegeschützen, die Laserbündel ließen ihren Gegnern keine Chance, jedes Ziel wurde dreifach getroffen und zersprang glühend in Millionen Einzelteile.
Solarian. Tage der Stille
Ein wenig kleinere Kritik
Über sechs Bücher ist es schwierig, stetig einen Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, das Qualitätslevel zu halten und am Ende noch einen würdigen Abschluss zu finden. Ich denke, Thariot hat seine Sache ziemlich gut gemacht und auch auf Amazon sind alle sechs Bücher mit 4,5 bis 5 Sternen ausgezeichnet bewertet. Dennoch gibt es auch Kritikpunkte, die ich jetzt auch noch ganz kurz anspreche.
Thariot bringt die Hauptfiguren als ziemlich unterschiedliche Menschen rüber – das gelingt ihm schon ziemlich gut. Die meisten sind mir persönlich aber nicht unbedingt sehr sympathisch. Die eine betrachtet sich als Übermutter, die andere hat einen leichten Gottkomplex. Beide entbehren einer Tiefe, die sie interessanter machen würde. Aber natürlich ist das subjektiv.
Was dagegen sehr objektiv nicht schön sind, sind viele Rechtschreibfehler, die mir vor allem in den späteren Bänden aufgefallen sind. Es nimmt nicht überhand, fällt aber auf.
Ich sehe tote Menschen…
Thariot geht auch nicht besonders liebenswürdig mit seinen Menschen um. Wäre Solarian eine TV-Serie, dann würde sie wohl eine FSK 18-Einstufung erhalten. Und zwar nicht wegen Nacktheit oder Sexszenen, sondern wegen roher Gewalt. Nicht nur ist der Bodycount an „nebenbei erwähnten Verlusten“ von der Größe ganzer Städte in Solarian ungewöhnlich hoch, auch neu eingeführte Charaktere, für die wir gerade Sympathie entwickeln, neigen dazu, ziemlich schnell erschossen, gesprengt oder zerquetscht zu werden. Und zwar so, dass andauernd ihre „Reste an der Wand herablaufen“ oder „an der Decke kleben“.
»Die Raver-Piloten sollen ihre Positionen räumen. Die KI der Systeme soll die Aufgabe übernehmen!« Tara schob einen abgerissenen Arm, der vor ihr vorbeischwebte, zur Seite.
»Befehl übermittelt!« Alexandra half einem anderen Offizier, die Brücke zu verlassen. Die Tür öffnete sich und blieb auf halbem Weg hängen. Der Rahmen hatte sich verzogen. Drei Soldaten und zwei drei Meter große Gefechtsdrohnen warteten auf sie. Ein Soldat aus dem Quartett klebte in verbrannten Stücken unter der Decke.
Ich mag diesen plastischen, derben Schreibstil, aber Thariot erschafft und tötet Nebencharaktere mit einer Geschwindigkeit und einer Gefühlskälte, dass ich schnell abgestumpft bin. Teilweise saß ich da und dachte: Jajaja, du kannst reden was du willst, ich gebe dir noch drei Seiten und dann bist du eh tot. Das war ein bisschen zu vorhersehbar und deswegen etwas nervig/schade/langweilig.
Kurz zur Frauenfrage
Neben der drastischen Schilderung von gewaltsamen Toden legt Thariot offenbar auch Wert auf die Betonung der Vorzüge hinreißender, prachtvoller, traumhafter um den Verstand bringender weiblicher Körper. Als weiblicher Leser verdrehte ich da irgendwann die Augen. Raumschiffe sind in Solarian offenbar voller Frauen in enganliegenden, körperbetonten Uniformen (das wird ständig erwähnt!) mit hübschen Hinterteilen (auch darauf werden wir immer wieder hingewiesen). Das Motto von Kamal, einem der Hauptfiguren lautet: Das Leben ist zu schade, um es mit hässlichen Frauen zu verschwenden. Klare Ansage: Offenbar haben in Solarian nur Models etwas zu suchen.
Da passt es perfekt ins Bild, dass die einzige Frau, die explizit als „mit einigen Pfunden zuviel auf den Rippen“ beschrieben wird, bald darauf mit einem neuen, elfenhaften Körper bedacht wird. Von daher verwundert es nicht, dass wir von jeder wichtigen Frau auch ein, zwei Randbemerkungen über deren beachtliche Fuckability lesen.
Dennoch möchte ich hier nicht die Sexismus-Karte ausspielen, denn die weiblichen Hauptfiguren sind allesamt starke Führungspersönlichkeiten in wichtigen Positionen. Und eben mit hübschen Ärschen.
Weitere Kritikpunkte – mit Spoilern!
Hier kommen massive Spoiler!
Wie gesagt ist es schwierig, eine Buchreihe mit über 3000 Seiten Text zu einem fulminaten Abschluss zu bringen. Schließlich ist dabei der Weg das Ziel. Und der Abschluss von Solarian bleibt dann leider meiner Meinung nach tatsächlich auch blass. Es gibt zwar Hoffnung, aber beim Zuklappen des Buches (im übertragenden Sinne, bei mir war es ein Kindle) fühlte ich: Nichts. Kein Bedauern, keinen Ärger – ich hatte einfach nicht das Gefühl, darüber nochmal nachdenken zu müssen. das Buch ist zu Ende, ok. Und was mach ich jetzt? – Das ist dann doch etwas schade.
Denn es sind auch einige Fragen offen geblieben. Was ist mit Xaliper passiert? Sein Schiff, also er, flog doch noch, also müsste er noch am Leben sein? Vielleicht habe ich die Erklärung auch nur irgendwie verpasst, aber Istari und Scott wussten ja ebenfalls überhaupt nicht, woran sie sind. Die Silikate-Zivilisation hätte mich zudem noch sehr interessiert, schade, dass wir darüber gar nichts mehr erfahren.
Wie kann ein Wesen, das so mächtig ist wie Gabriel und als Stimme in Köpfen erscheint und Menschen mit Viren infiziert, so einfach besiegt werden? Gabriel ist so alt und so mächtig – aber er hat niemals daran gedacht, sich gegen eine physische Gefahr abzusichern? Dass er am Ende einfach so gelöscht wird, hat mich enttäuscht.
Und was wurde eigentlich aus Kaylin?
Solarian-Saga – Wertung
Die Solarian-Saga ist ein actiongetriebenes Sci-Fi-Abenteuer, in dem eine Eskalation die nächste jagt. Immer wenn du denkst, es kann nicht mehr schlimmer kommen, wird es fast noch schlimmer. Die Gefahren werden immer unglaublicher und Thariot hat zeigt unermüdlich viel Fantasie, wenn es darum geht, sich diese Gefahren auszudenken und seine Figuren damit zu konfrontieren.
Die Bücher lesen sich wirklich gut und es fühlt sich wirklich nicht nach 3000 Seiten an – ich war immer wieder überrascht, so schnell einen weiteren Band durchgelesen zu haben :D Thariot verfolgt interessante Ansätze in Sachen Technik (Raver-Drohnen, sich selbst regenerierende Bordwände), aber auch bei der Frage nach außerirdischen Zivilisationen und der Entstehung des menschlichen Lebens. Er taucht allerdings nicht so tief ein, dass man sich nachhaltig darüber Gedanken macht. Trotzdem – die Solarian-Saga macht Spaß!
» So funktioniert die Buchbewertung
Weiteres Zitathäppchen aus der Solarian-Saga
»Ich bin fünf. Nächsten Monat werde ich aber sechs!« Herzlichen Glückwunsch, das war genau die Sorte Gespräch, die sie [Ravan] weiterbrachte. Neben dem Mädchen mit dunklen Haaren standen weitere kleine Menschen, denen ähnliche Probleme auf der Zunge zu liegen schienen.
…
Ravan nahm sich das militärische Pad-System, das auf dem Tisch lag. Ein rundum mit Gummi umfasstes Touchpad, mit dem man, neben Informationen über die Kinder abzufragen, sie auch verprügeln konnte, ohne das Display zu beschädigen.
…
»Ihr geht alle runter! Jetzt! Einer nach dem anderen! Es wird nicht geschubst, nicht an den Haaren gezogen und niemand gebissen!«
Ravan ist eine Frau, die keine Kinder mag, aber nun leider auf eine ganze Bande aufpassen muss
Schreibe einen Kommentar