Details zum Buch
Seitenzahl: 429
Erstausgabe: 1986
Review online: 28.08.2017
Die Menschheit befindet sich in „Fiasko“ auf großer Mission: Mit dem beinahe auf Lichtgeschwindigkeit fliegenden Raumschiff EURYDIKE fliegen die Astronauten zu einem weit entfernten Stern, in dessen System man eine entstehende Zivilisation vermutet. Ziel der Mission ist es, einen Kontakt herzustellen, um endlich nicht mehr allein im All zu sein.
Fiasko: Handlung
In der Nähe einer Bergbausiedlung auf dem Saturnmond Titan sind mehrere Arbeiter in unwegsamem Gelände verschwunden. Der junge Pilot Parvis, der gerade auf der Station gelandet ist, erfährt, dass sein früherer Vorgesetzter Pirx unter den Verschwundenen ist und macht sich auf die Suche. Dummerweise kommt auch er in eine ausweglose Situation und muss sich, um nicht definitiv zu sterben, selbst tiefrieren – in der Hoffnung, dass er irgendwann gefunden und wiederbelebt werden kann.
Rund 100 Jahre später: Am Titan wird das Raumschiff EURYDIKE montiert, das sich auf dem Weg zum Planet Quinta machen soll, um dort nach außerirdischem Leben zu suchen. Währenddessen findet man die schockgefrosteten Körper der verschwundenen Arbeiter. Die einzige Chance auf Wiederbelebung dieser Unfallopfer besteht an Bord der EURYDIKE. Hier können die Ärzte eines der Opfer wieder ins Leben rufen.
Nach der langen Reise auf beinahe Lichtgeschwindigkeit trifft die EURYDIKE wie geplant am Zielplaneten ein. Das Mutterschiff bleibt in einer entfernten Position zurück und schickt zehn Männer mit einem kleineren Raumschiff, der HERMES, zur Quinta. Plan ist, ein Jahr lang zu versuchen, einen Kontakt mit den Quintanern herzustellen und dann zurückzukehren.
Allerdings funktioniert die Kontaktaufnahme nicht wie geplant…
Fiasko: Rezension
Sprache und Stil
Fiasko ist keine leichte Kost – und das hat vor allem zwei Gründe: Langes Abschweifen und eine ziemlich schwierige Ausdrucksweise.
Lange Exkursionen
Lem flicht in die eigentliche Geschichte immer wieder seitenweise Episoden mit wissenschaftlichem, soziologischem und beschreibendem Hintergrund ein. Das können etwa Gespräche mit Monologen sein, die so lang sind, dass man am Ende schon vergessen hat, dass da eine Person spricht, und um was es im Gespräch überhaupt geht. Oder ein Charakter macht sich Gedanken über irgendeinen Sachverhalt. Oder er liest etwas und wir lesen sozusagen mit.
So besteht ein ganzes Kapitel in Fiasko nur aus der Geschichte eines fiktiven Buchs, in dem der Buchcharakter durch den Amazonas (?) wandert und mit massenweise Termiten zu tun hat, die er auf seinem Weg ausräuchert oder verbrennt. Ich habe das geduldig gelesen, weil ich dachte, dass das vermutlich wichtig werden könnte, zB. als Vergleich für den späteren Umgang mit den Außerirdischen. Aber davon konnte ich dann leider nicht viel erkennen.
Diese Exkursionen können durchaus sehr interessant sein. Es geht etwa um die Gründe für die Unwahrscheinlichkeit, andere Zivilisationen im All zu finden (siehe Fermi-Paradoxon), oder um die Zukunft eines Wettrüstens. Trotzdem ist die Länge und die Masse dieser Episoden schon fast störend – man möchte ja auch in der Geschichte vorankommen und wissen, wie es weitergeht. Sich dann wieder viele Seiten durch einen Monolog zu quälen, kann oftmals doch stören.
Schwierige Sprache
Zu diesen sehr langen Ausflügen in den Hintergrund kommt oft, dass der Sprachstil dabei sehr kompliziert ist. Lem verwendet eine wissenschaftliche Sprache, und zwar
- sprachwissenschaftliche Sprache vermischt mit
- technisch-wissenschaftlicher Sprache plus
- Eigenkreationen plus
- Lateinismen.
Sehr häufig setzt Lem lateinische Sprichwörter ein, wie etwa „In dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten). Manchmal kann man auch aus dem Kontext schließen, was er damit meint, aber nicht immer wird das erklärt. Das kann schon ein wenig nerven – besonders ist eigentlich wenig damit zu rechnen, dass in 200 Jahren Astronauten eine Ausbildung in „Klassik“ haben und sich auf diese Weise verständigen. Einmal sagt ein Hauptcharakter einen entscheidenden Satz auf Latein – ich habe ihn nicht nachgeschlagen und habe damit was verpasst. Dummerweise beziehen sich andere Charaktere danach immer wieder auf diesen Satz.
Ja, die Sprache liest sich häufig fast poetisch und wie eine Art Singsang. Eine gewisse Grundbildung auf Abiturniveau ist insgesamt wohl schon nötig, um halbwegs mitzukommen. Da kommen dann Wörter wie „Lunoklasmus“ oder „limes computabilitatis„, letzteres auch im Zusammenhang mit „transkomputibel“ – gemeint ist, dass auch Computer Grenzen haben und manches nicht berechnen können.
Auch ich habe nicht alles wirklich verstanden, denn teilweise liest sich der Text wie ein wissenschaftlicher Essay, und zwar zu einem Thema, in dem man selbst das Proseminar nicht belegt hat.
Zweigeteilter Roman
Wie in der Handlung oben schon angedeutet, ist Fiasko im Grunde ein zweigeteilter Roman: Wir haben den Handlungsstrang mit dem Piloten Parvis auf Titan und dann die Kontaktmission mit den Quintanern. Einzige Verbindung ist, dass einer der auf dem Titan Eingefrorenen auf der EURYDIKE aufgetaut wird und nun fortan als Teil der Besatzung handelt.
Beide Handlungen sind für sich sehr interessant: Man könnte ein komplettes Buch über jemanden schreiben, der während einer Rettungsaktion im Grunde stirbt und viel später mit moralischen Bedenken erst wiederbelebt wird. Dann könnte man eine interessante Identitätssuche daraus machen.
In Fiasko geht es aber zu etwa 70% um die Kontaktmission. Nachdem der Mensch vom Titan wiederbelebt wurde, erinnert er sich nicht daran wer er ist – das erfahren wir übrigens auch im ganzen Buch nicht! – und diese ganze Episode wird dann im Grunde auch nicht mehr angesprochen. Diese ganze Thematik mit dem Tod auf Titan spielt überhaupt keine Rolle mehr, für gar nichts.
Ich habe mich sehr darüber gewundert, was das soll. Lem hätte in Fiasko wenigstens noch irgendeinen Abschluss einbringen können, dass dem Aufgetauten am Ende in irgendeiner schwierigen Situation wieder einfällt, wer er ist. Aber – nichts! Lem lässt den kompletten ersten Handlungsstrang unter den Tisch fallen. Das ist schade und legt den Verdacht nahe, dass es ihm nur darum ging, mithilfe einer bislang ungenutzten (guten!) Idee die geforderte Seitenzahl zu füllen.
Lem und die Frauen
Ich bin eigentlich keine Hardcore-Feministin, die auf die Barrikaden steigt, wenn eine Story mal keine wichtige Hauptdarstellerin, auch nur für die Quote, reinbringt. In Fiasko gibt es aber trotzdem etwas zu erwähnen.
Die Bücher von Lem, die ich gut in Erinnerung habe – das wären „Der Unbesiegbare“ und Pilot Pirx – verzichten komplett auf Frauen. Lem erwähnt dort mit so großer Selbstverständlichkeit Frauen nicht, dass es mir nichts ausmacht. Er verwendet auch völlig selbstverständlich keine Vor- und Nachnamen, im Grunde existieren bei Lem nur Menschen mit nur einem Namen. Das wird wohl der Nachname sein. Wie Pilot Pirx, Commander Horpach, Rohan, ..
Ich habe das immer so aufgefasst, dass in seinen Geschichten eben allgemein „Menschen“ vorkommen, deren Geschlecht oder Herkunft völlig egal ist. Er geht auch nie auf Hautfarben ein, nur an manchen Nachnamen bemerkt man eine asiatische Abstammung.
Das war für mich komplett ok, und ich finde es sogar gut. Im Grunde ist es ja völlig egal, ob eine Frau eben kompetenter Offizier ist oder ein Mann. Man braucht eigentlich weder Nationalitäten, noch Aussehen, noch Geschlechter einbringen.
Frauen sind geschwätzig
In Fiasko geht es ähnlich los – das Thema Geschlechter kommt gar nicht zur Sprache. Dann schleicht sich auf S. 247 aber doch mal etwas ein:
„Mit der Geschwätzigkeit eines Computers können es nicht einmal Frauen aufnehmen.“
Okay, nichts ist geschwätziger als Frauen, außer dieser Computer (General Operation Device, mit der netten Abkürzung GOD, die immer wieder für nette Anspielungen dient). Find ich nicht so schön, Frauen werden erstmals erwähnt, als es darum geht, einen „schwätzenden“ Computer in seine Schranken zu verweisen. Aber okay.
Frauen sind Mütter, und Mütter haben Kinder
Einen richtigen Knaller fand ich dann aber auf S. 374f. Hier regt sich ein Besatzungsmitglied über eine Debatte in der Vorbereitungsphase der ganzen Mission auf – eine Frau forderte, dass auch Frauen mit auf die Mission dürfen, um dort ein Familienleben zu ermöglichen. Dieser Artikel bringt den Charakter wegen seiner völlig absurden Forderung zur Weißglut. Das ganze Zitat kannst du unten nachlesen.
Ich finde diese Kausalkette „[…] Frauen, also Ehegattinnen, Mütter, also Kleinkinder, Kinderkrippe und Kindergarten, auf einem Raumschiff, […]!“ sehr krass.
Hier setzt Lem Frauen ganz automatisch mit Gattinnen und Müttern gleich und bezeichnet im Satz davor diese ganze Debatte der Forderung nach Gleichberechtigung als Blödsinn. Er spricht Frauen jegliche persönliche Eignung und Kompetenz ab, und folgert selbstverständlich, dass Frauen natürlich nur als Gattinnen und Mütter dabei wären. Und natürlich wolle niemand schwätzende Mütter und brüllende Kleinkinder auf seinem Raumschiff.
Ein Fiasko: Nur Männer dürfen die Menschheit repräsentieren
Ja, tatsächlich forderte der Artikel Familienleben auf dem Schiff, und das halte ich auch eher für Blödsinn. Kinder haben auf einer gefährlichen Mission nichts zu suchen. Aber dieses komplette Absprechen von fachlicher Kompetenz tut schon etwas weh.
Der Roman erschien 1987, das ist natürlich schon eine Weile her – aber nicht so lange, dass man einfach so Frauen allgemein von wichtigen Positionen ausschließen konnte. 1963 flog die erste Frau ins Weltall. Dass Lem diese Passage so ins Buch bringt und die Aussage stehen lässt, ohne den Gesprächspartner des Charakters irgendwie darauf reagieren zu lassen, kann mir nichts anderes sagen, als dass das wirklich Lems persönliche Meinung ist (außerdem hat er als Gott dieses Buches eben keine Frauen an Bord genommen): Frauen schwätzen nur und hüten Kinder, die wichtige Arbeit machen (natürlich!) die Männer. Schon die Forderung, an dieser Aufteilung etwas zu ändern, sei Blödsinn.
Und das ist sehr, sehr hart. Es geht hier um die wichtigste Expedition überhaupt: Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation knüpfen. Diese Männer repräsentieren die gesamte Menschheit und dieses Treffen betrifft auch die gesamte Menschen. Trotzdem schließt Lem kategorisch einfach die Hälfte aller Menschen als Teilnehmer und Repräsentanten aus. Stattdessen werden Frauen völlig selbstverständlich nur für die „schwätzende“ Mutterrolle geeignet angesehen.
Pierre wies mich eben noch darauf hin (danke!), dass in den 60er Jahren mit Lt. Uhura in Star Trek bereits eine schwarze (!) Frau Kommunikationsoffizierin (!) auf der Brücke der Enterprise tätig war. Lem ist da mit solchen Sprüchen wie diesem oben viel zu spät dran.
Logik der Handlung (Achtung: Mit Spoilern!)
Merkwürdig ist, dass die eigentliche, dann schließlich zustande kommende Kontaktaufnahme so reibungslos funktioniert. Man verständigt sich problemlos per „Telegramm“, denn die Codes zur Verständigung hätte man den Quintanern ja mitgeschickt. Hier vergisst Lem ganz und gar, ein bisschen darauf einzugehen, dass es ohne die geringste Kenntnis der anderen Zivilisation gar nicht so einfach sein dürfte, einer fremden Lebensform Wörter wie „Lunoklasmus“ (!) beizubringen. Die Menschen erhalten schließlich im 2. oder 3. Kontakt die Erlaubnis, eine einzige Person auf dem Planeten landen zu lassen. Zuvor müsste man sich ja erstmal verständigen, ob beiden Zivilisationen klar ist, was „Person“ bedeutet..
Auch die gesamte Eskalation der Kontaktaufnahme ergibt keinen Sinn. Schon die Aufnahme der ersten Sonde der Quintaner und deren anschließende Entsorgung als „Schrott“ ist ein schwerer Eingriff in deren Integrität. Aber spätestens das Sprengen des Mondes als „Demonstration der Stärke“ ist völlig unlogisch.
„Sagt hallo, oder wir zerstören euch!“
Natürlich – das gesamte Projekt war sehr teuer und die Erwartungen sind hoch. Umso größer die Enttäuschung, wenn die besuchten Außerirdischen gar keinen Kontakt möchten. Warum sie das nicht möchten, erfahren wir nicht, und man darf nicht den Fehler machen, darüber zu spekulieren – es handelt sich schließlich um eine komplett fremde Lebens(?)form.
Aber diesen Kontakt nun aufzwingen zu wollen, indem man den Mond sprengt und dazu sagt „ihr habt es ja nicht anders gewollt“ – das hätte man auch 1987 sicher nicht gemacht. Ende der 60er noch plädierte Lem in „Der Unbesiegbare“ dafür, die vorgefundene, gefährliche Zivilisation in Ruhe zu lassen, sie kann ja nichts dafür, dass sie sich so entwickelt hat.
Am Ende kommt es außerdem zur Zerstörung des gesamten Planeten, weil ein Mensch dummerweise vergessen hat, sich rechtzeitig beim Raumschiff zu melden. Das ist meiner Meinung nach völlig an den Haaren herbeigezogen. Man könnte meinen, dass Lem überhaupt keine Lust auf diese Story hatte und sich kein bisschen darum geschert hat, ob sich die Charaktere überhaupt halbwegs vernünftig verhalten. Niemand… niemand! – sprengt einen Planeten, weil der einzige Mensch am Boden sich nicht auf die Minute genau gemeldet hat. Hier würde man sich doch doppelt und dreifach absichern, bevor man Genozid begeht.
Keine Moral der Geschicht‘
Schön wäre gewesen, wenn der vergessliche Tempe am Ende wenigstens erkennen würde, dass alles ein Missverständnis war. Dass die Quintaner aufgrund ihrer Beschaffenheit gar nicht hätten Kontakt aufnehmen können. Oder dass sie so fremdartig sind, dass sie die erfolglosen Kontaktversuche nicht als Kontaktaufnahme verstanden hatten – etwa, weil sie sich nicht vorstellen können, dass es fremdes Leben im All gibt. Leider ist dem nicht so. Tempe sieht nur, dass die Quintaner anders aussehen, als man sich vorgestellt hat.
Die versehentliche Zerstörung des Planeten ist tragisch, erscheint aber am Ende mangels einer Moral oder kluger Auflösung der Situation völlig unwichtig. Vielleicht hat Lem es so gewollt, dass dieses versehentliche Zerstören aussieht wie das Herumtrampeln auf einem Termitenbau. Dafür ist aber die am Anfang gebrachte Termitenstory zu unpassend. Dort waren die Termiten im Weg und sie wurden zerstört, um den Weg frei zu machen, als Kollateralschaden sozusagen. Der Kontakt zu den Quintanern war aber Sinn und Zweck einer teuren Reise, da kann und darf es nicht passieren, sie nebenbei aus versehen kaputt zu machen. So unvernünftig und kindisch waren die Menschen als Zivilisation hoffentlich nie.
Mit Frauen Bord wäre das sicher nicht passiert :D
Innovative Ansätze
Trotz aller Kritik bisher finde ich manche Ansätze in Fiasko sehr interessant.
Kalter Krieg
Lem führt dem Leser in Fiasko vor Augen, wo der Kalte Krieg hätte hinführen können. Gegenseitiges im-Schach-halten bis in den Weltraum und Boykott aller globalen Großprojekte, wie Wettermanipulation – hätten wir nicht wenige Jahre nach Erscheinen von Fiasko die Kurve gekriegt.
Wenn während des Wettrüstens nun noch Außerirdische erschienen wären und man nicht wüsste, was sie wollen oder auf wessen Seite sie sich stellen – da hätten sich einige Leute in verantwortlichen Positionen Herzschrittmacher verschreiben lassen müssen.
Großschreiter
Das Konzept eines Großschreiters, also eines „Kampfanzugs“ von der Größe eines achtstöckigen Gebäudes, würde ich gerne verfilmt sehen. Dass es sinnvoll ist, glaube ich dagegen weniger. Damit die gewaltigen Arme und Beine den Bewegungen des Führers im Cockpit folgen könnten, müsste der sie in Zeitlupe durchführen.
Die Menschheit als überlegene Kultur (Spoiler!)
Man kennt es aus früheren Sci-Fi-Geschichten nicht nur von Lem, sondern auch aus Star Trek, dass wir Menschen uns auf die Suche nach außerirdischem Leben machen und dabei auch als überlegen auftreten. Populärer – und wahrscheinlicher – ist es allgemein aber umgekehrt: Wir sind eine junge Zivilisation und werden von weitaus fortgeschritteneren Wesen besucht. The Arrival erst jüngst, aber natürlich auch Independence Day und Krieg der Welten fallen mir da als Blockbuster auf der Leinwand ein.
Fiasko unterscheidet sich zu Star Trek und auch „Der Unbesiegbare“ insofern, dass die Menschheit hier als Aggressoren aufgefasst werden können. Wir sind die Bösen, die über einem unterlegenen Planeten auftauchen, und wir sind diejenigen, die sie, dazu noch grundlos, einfach auslöschen.
Grundlage für andere Geschichten
Ob es so ist oder nicht – aber mir kamen Teile der Handlung oder manche Ideen bereits aus anderen Geschichten bekannt vor. Natürlich sind die anderen Geschichten jünger, also kann Fiasko als Vorlage gedient haben :D
Beispiel: Commonwealth-Saga
Auch in Hamiltons Commonwealth-Saga geht es darum, eine außerirdische Zivilisation zu besuchen. Auch hier fragt man sich, wie man mit ihr umgeht und man tastet sich zunächst vorsichtig und beobachtend vor. In beiden Fällen trifft man auf sich bekriegende Parteien.
Beispiel: Interstellar
In Fiasko macht sich das Missionsschiff die Zeit-manipulierende Wirkung eines Schwarzen Lochs zunutze. Das große Schiff versteckt sich knapp oberhalb des Ereignishorizonts, wo die Zeit langsamer vergeht, während ein kleineres Scoutschiff unterwegs ist, um die Lage auf dem gesuchten Planeten auszukundschaften und Kontakt aufzunehmen. Dabei vergeht für die Crew der EURYDIKE die Zeit anders (langsamer) als für die HERMES – und für beide wesentlich langsamer als auf der Erde.
Ähnliches passiert in Interstellar – nur, dass hier das Mutterschiff außerhalb des Einflussbereichs bleibt und das kleine Scoutschiff auf einem Planeten nach dem Rechten schauen soll.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass beide (Drehbuch-)Autoren Fiasko gelesen haben.
Fiasko: Wertung
Hier ist der Name Programm! Sowohl bei der Handlung, als auch in der Wertung ergibt sich ein Fiasko.
Im Gegensatz zu Der Unbesiegbare von Lem – eines der meiner Meinung nach besten Bücher überhaupt! – kränkt Fiasko an einigen Problemen:
- die gesamte Titan-Handlung und der Strang mit Pirx/Parvis ist unnötig und schlecht integriert
- zu viele Exkurse, zuviel „Laberei“ und eine viel zu unnötig gehobene Sprache, die einfach nicht realistisch erscheint
- die völlig unvernünftige und unlogische Eskalation der Kontaktaufnahme
- das Abtun von Frauen an Bord als Blödsinn und die Verknüpfung von Frau = Mutter = ungeeignet für die wichtigen Dinge
Ich weiß, dass sich meine Wertung deutlich vom Durchschnitt anderer Wertungen zu Fiasko unterscheidet (3 statt 4-5 Sterne). Nach dem Schreiben habe ich auch andere Rezensionen durchgelesen, habe alles überdacht und bleibe dabei – meiner Meinung nach hat Fiasko heftige Schwächen. Und es liegt nicht am Autor, denn, wie gesagt, „Der Unbesiegbare“ ist eines meiner Lieblingsbücher.
Da das Buch trotz aller Mängel aber doch interessante Ansätze bietet und (teilweise unerwünscht) viel Hintergrundwissen mitliefert, gebe ich doch drei Sterne statt zwei.
» So funktioniert die Buchbewertung
Fiasko: Zitate
Das Aussterben galaktischer Gesellschaften
Anderen Hypothesen zufolge war des Rätsels Lösung viel einfacher. Wenn die Evolution des Lebens die Vernunft gebiert, tut sie das in einer Serie von einmaligen Zufällen. Diese Vernunft kann im Kindbett erstickt werden, sobald in der Nähe des sie zeugenden Planeten eine stellare Intervention erfolgt. Kosmische Interventionen sind stets blind und schicksalhaft – hatte die Paläontologie mit Hilfe der Galaktographie, dieser Archäologie der Milchstraße, nicht nachgewiesen, welchen Kataklysmen, welchen Bergen von Saurierleichen im Mesozoikum die Säugetiere ihre Vorrangstellung verdankten und welchem Knäuel von Vorkommnissen – Eis- und Regenzeiten, Versteppung, Wanderung der irdischen Magnetpole, Mutationstempo – der Stammbaum des Menschen entwuchs?
Dennoch kann die Vernunft unter Trillionen Sonnen zur Reife gelangen. Sie kann den Weg der irdischen Spezies beschreiten. Dann schlägt dieser in der Sternenlotterie gezogene Gewinn nach ein- oder zweitausend Jahren in die Katastrophe um: Die Technologie ist ein Gebiet voller gefährlicher Fallen, und wer es betritt, findet leicht ein böses Ende.
Die vernunftbegabten Geschöpfe sind durchaus imstande, diese Gefahr zu erkennen – aber erst, wenn es zu spät ist. Die Zivilisationen haben sich der Religionen entledigt und deren späte, entartete Abwandlungen, die Ideologien, durchlaufen, die mit der Erfüllung der irdischen und nur der irdischen Wünsche gelockt haben, sie suchen nun den eigenen Schwung zu bremsen, aber das ist nicht mehr möglich, nicht einmal dort, wo sie nicht von inneren Antagonismen aufgezehrt werden.
S. 124f
» Mehr zum Fermi-Paradoxon
Frauen an Bord? Blödsinn!
In der Steuerzentrale hatte zwar Tempe Dienst, aber Harrach hatte ihn unvermutet überfallen: Eine alte Zeitung hatte seinen Zorn erregt, dem er vor dem Kameraden Luft machen musste. Das Blatt stammte aus der Zeit, als auf der Erde ein wütendes Gezänk über die Beteiligung von Frauen an der Expedition im Gange gewesen war. Zuerst las Harrach einen Absatz über das Familienleben vor, das seinen ihn zustehenden Platz innerhalb der Expedition einnehmen sollte, dann folgten Beschimpfungen, die Vertreterinnen des ewig unrechtmäßig behandelten weiblichen Geschlechts gegen das angeblich von einer Mafia der Männer herrschende SETI ausstießen. Harrach steigerte sich dabei in eine solche Empörung, daß er sich anschickte, die Zeitung in Fetzen zu reißen.
Tempe hielt ihm lachend die Hände fest – dieses Papier war im Sternbild der Harpyie immerhin eine Rarität, ein ehrwürdiges Dokument, von dem keiner wußte, wie es in Harrachs Gepäck geraten war. So jedenfalls behauptete er es selbst. Tempe war anderer Meinung, behielt sie aber für sich. Harrach brauchte solche Artikel, um sein stürmisches Temperament abzureagieren. Der Blödsinn, der in jenem Verlangen nach Gleichberechtigung steckte, war allzu offensichtlich, als daß man ihn ernst nehmen konnte: Frauen, also Ehegattinnen, Mütter, also Kleinkinder, Kinderkrippe und Kindergarten, auf einem Raumschiff, das mit aufgeladenen Sideratoren dahinjagte und bei all seiner Stärke ein Nichts war gegen die fremde Zivilisation, die ses mit ihrer seit Jahrhunderten in den Kosmos getragenen Sphäromachie an sich gezogen hatte! Ein Meer von Druckerschwärze war darüber vergossen worden. Die Moslems hatten zwölfjährige Jungen an die Front geschickt, aber keine Kinder, die noch in der Wiege lagen. Harrach bedauerte unendlich, der Verfasserin all dieses Blödsinns nicht sogleich unter vier Augen begreiflich machen zu können, was er von ihr hielt.
S. 374f
Schreibe einen Kommentar