Details zum Buch
Autor: Yuval Noah Harari
Titel: Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen
Deutsche Erstausgabe: 16.02.2017
537 Seiten (inkl. mehrere Farbbilder + umfangreiche Endnoten mit Belegen und ein Glossar)
Das Buch Homo Deus, Latein für „der göttliche Mensch“, mit dem Untertitel „Eine Geschichte von Morgen“ wirft einen sehr breiten Blick auf verschiedenste Bereiche des Menschseins. Es geht darum, was der Mensch mit seinem Status als Weltbeherrscher in der Zukunft anfangen will, und zu was er sich in Zukunft entwickelt. Unbedingt lesen!
Homo Deus – Review
Homo Deus ist ein so umfassendes Buch, dass hier eine normale Rezension nach dem Schema „Inhalt – Kritik – Wertung“ nicht möglich ist. Stattdessen lasse ich dich ein wenig teilhaben an dem, was uns Harari in diesem ungeheuer vielseitigen Buch mitgibt.
Wissenschaftlicher Rundumschlag
Homo Deus ist ein Roundhouse Kick in gefühlt alle Wissenschaften. Harari, ein israelischer Historiker, streift einfach jedes Gebiet, das irgendwie im entferntesten was mit Menschen zu tun hat.
- Biologie und Evolutionstheorie für die pyhsische Entwicklung des Menschen und seines Gehirns.
- Geschichte und Ethnologie für die Erklärung, warum und wie der Mensch zur dominierenden Spezies des Planeten werden konnte.
- Psychologie und Neurowissenschaften für die Erklärung dafür, ob es eine Seele und ein Individuum – in-dividuum, ein „nicht-weiter-teilbares“ Teil – geben kann.
- Harari gewährt auch einen Einblick in Ökonomie und Politik, wenn er erklärt, dass Hungersnöte mittlerweile im Großen und Ganzen nicht mehr auftreten, weil die Natur einem Volk übel mitspielt, sondern weil „irgendjemand das so will“ – damit mein Harari, dass in Anbetracht dessen, dass Massen von Lebensmitteln vernichtet werden, man hungernden Menschen helfen könnte. Was aber nicht geht, weil die Gesellschaft und die Politik eben nicht so funktionieren.
- Weiter geht es mit Kybernetik und Forschung an künstlicher Intelligenz für die Erklärung, wie der Mensch sich weiterentwickeln wird, oder zumindest könnte.
Wie der Titel des Buchs, Homo Deus, also der göttliche Mensch, schon verrät, betrachtet Harari natürlich auch die Frage, was ein Gott bzw. Götter überhaupt sein sollen. Und er stellt den Mensch auf die gleiche Stufe wie die Götter, da wir die Götter der Antike im Grunde schon eingeholt haben.
Großer Fortschritt nur für wenige
Nach Harari befinden wir uns gerade an der Schwelle zum Absprung ins ewige Leben: Wir haben – so Harari – die traditionellen Katastrophen der menschlichen Zivilisation (Hunger, Krankheit, Krieg) beseitigt, bzw. wir sind kurz davor. Was bleibt nun übrig? Die Menschheit muss sich überlegen, was sie nun mit ihrer Freiheit anfängt. Wir haben den Planeten so gründlich erobert, dass andere Spezies neben uns nur deswegen Platz haben, weil wir es ihnen erlauben. Auch wenn das bedeutet, dass die letzten Exemplare von zig Tierarten traurig im Zoo hocken.
Wir haben uns den Planeten untertan gemacht, und es fehlt nicht viel, dass wir noch weiter darüber hinaus wachsen. Harari redet hier nun nicht von der Besiedlung des Alls, sondern von der stetigen Erweiterung und Verbesserung des Menschen, bis wir nicht mehr dieselbe Rasse Mensch sind, die wir bis heute waren. Nur leider wird ein Großteil der Menschen dabei auf der Strecke bleiben, weil sie es sich einfach nicht leisten können, mit der kleinen Elite Schritt zu halten.
Irgendwann wird man sich überlegen: Bringt es uns mehr, Milliarden Dollars in die Ernährung von Milliarden Armen zu investieren, die uns niemals weiterbringen können? Oder sollten wir nicht diejenigen fördern, die für die Menschheit wirklich etwas erreichen können? Und damit meint Harari eine winzige Elite an der Spitze der Nahrungskette.
Ja, Homo Deus ist interessant, ein Rundumschlag durch die gesamte Menschheitsgeschichte, durch die Gegenwart und auch durch die Zukunft. Die Zukunft sieht rosig aus – wenn man das Geld dafür hat, sie zu betreten.
Der Mensch und die künstliche Intelligenz
Beim Thema künstliche Intelligenz kommt natürlich auch die Problematik zur Sprache, dass in der Arbeitswelt ein großer Umbruch bevorsteht: Viele Berufsfelder werden von halbschlauen Algorithmen ersetzt und brauchen keine menschliche Hand mehr.
Was in der Produktion schon lange passiert, wird auch Ärzte, Busfahrer, Bauarbeiter, Archivare und viel mehr betreffen. Die besten Chancen darauf, nicht durch eine KI ersetzt zu werden, haben im übrigen … Archäologen :D Paradox. In meinem ehemaligen Studienfach sind die Jobchancen ganz besonders schlecht, aber wenigstens sitzen die Archäologen mit Job sicher im Sattel.
Noch viel weiter denkt Harari mit seiner Aussage, dass der Mensch sich nach und nach selbst durch eine künstliche Intelligenz ersetzen wird. Algorithmen bekommen schleichend immer mehr Einfluss auf unser Leben: Sie servieren uns bei Nachrichten, Produkten, Konsumgüter (auch virtuelle Konsumgüter), die auf unseren Vorlieben basieren. Wir werden uns immer mehr auf smarte Assistenten verlassen, die immer mehr Einfluss auf unser Leben nehmen. Und irgendwann werden wir, so sagt Harari, physische Schnittstellen zwischen Gehirn, Computer und Nanorobotern herstellen, um nicht mehr auf externe Geräte mit unseren Assistenten angewiesen zu sein.
Dieser Gedanke ist für mich nichts Neues, die Science Fiction-Literatur bringt sowas immer wieder, z.B. in Otherland und in der Commonwealth-Saga.
Der Unterschied zwischen Mensch und Tier
Harari räumt mit einigen Fragen auf, die die Menschheit seit jeher beschäftigt haben.
Er fragt beispielsweise, inwiefern sich Tiere vom Menschen unterscheiden: Nämlich gar nicht. Wir haben nur Eigenschaften, die es uns erlaubten, den Planeten zu beherrschen, uns die Tiere untertan zu machen und sie dadurch als minderwertig zu deklarieren. Diese Eigenschaft ist übrigens, so Harari, die Möglichkeit, mit jedem anderen Menschen zusammenzuarbeiten und so riesige „Menschennetzwerke“ zu bilden, egal, ob man nun eine persönliche Bindung zu den anderen Individuen hat.
Harari ist, wenig überraschend, übrigens Veganer und hält die Massentierhaltung für das größte derzeitige Verbrechen der Menschheit. Dabei stimme ich ihm auch zu – das war ein Gedanke, den ich selbst schon hatte. Wir alle wissen es und akzeptieren es. Harari spricht in Homo Deus von einem „Vertrag“, den wir mit uns selbst auf Kosten der Tiere geschlossen haben: Wir bekommen günstiges Fleisch und Nahrung und haben im Gegenzug zu akzeptieren, dass dafür Milliarden von Tieren schreckliches Leid angetan wird.
Gibt es überhaupt eine unteilbare Persönlichkeit?
Nein, gibt es nicht. Wir alle handeln extrem subjektiv und sind alles andere als konsequent – Google, Alexa, Siri und Cortana kennen uns schon wesentlich besser als wir selbst – und deswegen sollten, so Harari, unsere Computerassistenten besser wichtige Entscheidungen für uns treffen, denn sie sind immerhin nicht emotional beeinflusst.
Seine Argumentationen stützt Harari auch immer wieder mit Studien und Experimente an. Z.B. wenn es um die äußerst subjektive Erinnerung geht. Hier gibt es Studien, die eindeutig zeigen, dass Menschen Vorgänge weniger schmerzhaft bewerten, wenn am Ende einer Schmerzphase der Schmerz geringer wird – auch, wenn die Schmerzphase insgesamt deutlich länger war und somit schmerzhafter als bei einem vergleichbaren Schmerz ohne Besserung am Ende. Gefragt wurden Menschen, die eine Darmspiegelung hinter sich hatten. Obwohl der eine Vorgang objektiv gesehen mit mehr Schmerz verbunden war, empfanden ihn die Probanden als angenehmer als einen kürzeren, aber konstanten Schmerz.
Selbst die Gedanken sind nicht konsequent – die unterschiedlichen Hirnhälften haben unterschiedliche Ziele und Gedanken, tatsächlich bewusst ist uns aber nur eine Seite. Die andere äußert sich durch mehr als merkwürdige Ideen, mit denen wir versuchen, unbewusste, unlogische Gedanken zu erklären. Sehr interessant, aber ich kann es hier nicht weiter ausführen.
Seele? Gibt es nicht!
Und wenn Harari keine Studien hat hat, dann baut er seine Argumentationskette eben selbst auf.
Ein Beispiel: Die Kirche sagt, dass Menschen eine Seele haben, Tiere aber nicht. Aber wann ist denn ein Mensch ein Mensch? Die Evolution ist eindeutig nachgewiesen. Wie alle anderen Spezies auf der Erde haben sich auch die Menschen irgendwann von ihren Vorfahren abgespalten und weiterentwickelt, aber das ist kein fassbarer Moment, der außerdem beinhaltete, dass hier auf einmal eine Seele vom Himmel kam und in den Menschen fuhr.
Die Entwicklung vom affenartigen Vorfahr zum ersten Homo geschah über viele tausende Jahre hinweg, und es ist einfach nicht möglich, dass die Mutter eines Homo Erectus noch über 20% einer Seele verfügte, während ihr Sohn schon 25% einer Seele hatte, bis unsere Vorfahren irgendwann mit einer vollständigen Seele ausgestattet waren. Eine Seele ist wissenschaftlich nicht nachweisbar und die kirchliche Argumentation, dass Menschen nunmal eine haben und Tiere nicht, ist nach der Abwägung aller Fakten unlogisch. Demnach haben wir keine Seele und außerdem befindet sich die Kirche auf einem kompletten Irrweg.
Harari ist demnach bekennender Atheist, also weder Jude, noch sonst irgendwas. Als Israeli gehört er dennoch potentiell dem „Opfervolk“ des Zweiten Weltkrieges an, aber überraschenderweise äußert er hier Verständnis für die Menschen in Nazi-Deutschland, die eben zu ihrer Zeit so gehandelt haben, wie sie es zu ihrer Zeit für richtig hielten – genau, wie wir das heute tun. Und wie man es zu Zeiten des mittelalterlichen Kreuzzugs getan hat und dabei blutige Massaker unter unschuldigen Moslems anrichtete.
Der Mensch muss Sinn stiften
Auch ein interessanter Punkt, den jeder auf die eine oder andere Weise kennt: Dieser Spruch „Die bisherigen Opfer dürfen nicht umsonst gewesen sein!“ – und deswegen opfert man noch viel mehr. Ob das im Krieg ist, oder bei einem großen Bauprojekt wie dem Berliner Flughafen, oder auch bei einem persönlichen Projekt, in das man viel Zeit und Geld steckt und dann nur noch weitermacht, damit das alles einen Sinn hatte.
Auf seine unlogische Art macht der Mensch immer weiter mit etwas, auch wenn er inzwischen schon längst das Gefühl hat, dass es vielleicht nicht vernünftig wäre. Aber dann wäre ja alles umsonst gewesen. Also gibt man lieber noch 3x so viel Zeit und Geld aus, um weiterzumachen, nur um hinterher stolz sagen zu können: All das Blut, der Schweiß, die Tränen – das hat sich am Ende doch gelohnt!
Was ist denn eigentlich Glück?
Harari befasst sich auch mit ganz elementaren Fragen des Lebens. Was ist Glück? Das ist eine Frage, die für mich von jeher von großer Bedeutung war und mit der ich immer gehadert habe.
Harari macht deutlich, dass Glück niemals nachhaltig ist – gar nicht nachhaltig sein kann, denn das wäre entgegen die Evolution. Ein glücklicher Neandertaler, der zufrieden ist mit seiner Umgebung und seinem Leben, der setzt sich nicht hin und optimiert sein Werkzeug, um es effektiver zu machen. Der setzt sich hin und genießt die Sonne und eine Handvoll Beeren.
Glück muss also die Möhre sein, der der Esel immer hinterherläuft, und er darf immer nur kurz daran knabbern – denn sonst bleibt er ja stehen.
Wenn man erstmal akzeptiert hat, dass es kein konstantes, stetiges Glücklichsein gibt, dann ist man nicht mehr so unzufrieden mit seinem Leben. Danke, Homo Deus!
Topaktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft
Auch die Perspektive ist interessant. Harari ist Israeli, der in England studiert hat. In Israel haben viele Menschen ganz andere Probleme als wir in Europa, und dort existiert eine ganz andere Kultur. Dennoch lesen wir immer wieder von aktuellen europäischen und amerikanischen Problemen. Im Buch sah ich mindestens 1x die (frühere) Dualität von CDU und SPD erwähnt – ich habe mich gewundert, ob ein Geschichte-Professor aus Israel wirklich beinahe die Tagespolitik in Deutschland aufgreift oder ob nicht der Übersetzer hier ein wenig lenkend eingegriffen hat.
Aber egal – das Buch ist auf jeden Fall hochbrisant und topaktuell. Harari selbst ist schwul und lebt mit einem Mann zusammen. Das merkt man unter anderem daran, dass die gesellschaftliche Kritisierung von Homosexualität gelegentlich einen gewissen Raum einnimmt.
Durch die Vergangenheit die Zukunft hinterfragen
Ein persönliches Highlight an Homo Deus ist für mich, dass der Historiker Harari eine gute Erklärung dafür abliefert, warum man sich mit Geschichte beschäftigen sollte. Als Beispiel zieht er den Rasen im Garten heran. Rasen ist völlig unnütz. Für nichts zu gebrauchen, im Gegenteil, stattdessen teuer und zeitintensiv, wenn man ihn immer perfekt präsentieren möchte.
Der Rasen geht auf die französische Monarchie zurück, und zwar in die Zeit, als sich der Adel immer größere Schlösser mit weitläufigen Gärten leistete. In diesen Gärten stellte der Rasen ein Statussymbol dar, er zeige, dass der Besitzer es sich leisten kann, viel Land mit diesem unnützen Gras zu bepflanzen, das keinerlei Zweck erfüllt. Später übernahmen industrielle Fabrikbesitzer den Rasen als Statussymbol im kleineren Maßstab – und irgendwann hatte eben jeder einen Rasen. Aber warum eigentlich? Stattdessen könnte man doch auch einen japanischen Steingarten anlegen. Oder man baut eben Gemüse an, dann erfüllt das Stück Land wenigstens einen Zweck.
Durch das Hinterfragen jeder Tradition und das Recherchieren ihrer Herkunft kann man sich selbst entscheiden, ob man selbst nach dieser Tradition handeln möchte.
Homo Deus – Sprachstil und Ausgabe
Bei so viel geballtem Wissen sollte man annehmen, dass das Buch grauenhaft trocken zu lesen ist. Diese Annahme ist falsch :D Harari ist ein ausgezeichneter Schreiber und die Übersetzung ins Deutsche hält gut mit. Der Schreibstil ist locker, aber bestimmend: Spannend und zugleich auch immer wieder mit einer gewissen erheiternder Würze. Harari nimmt den Leser bei dieser Lesereise gut an die Hand und versteht es, wie ein guter Reiseführer immer neue Aspekte interessant rüberzubringen.
Die Hardcover-Ausgabe von Homo Deus ist qualitativ hochwertig und enthält sogar gelegentlich ein paar Farbabbildungen. Aber hoffe nicht auf ein Bilderbuch :D
Homo Deus – Ein paar Kritikpunkte
Das Werk ist nun kein schneller Überblick, sondern ein sehr langer Prosatext. Dass Harari gerne seine Gedanken schweifen lässt und gerne schreibt, das merkt man schnell. Das ist auch okay, denn Homo Deus liest sich gut.
Homo Deus lullt mit stimmigen Argumenten ein
Das „Problem“ ist nur: Es liest sich fast zu gut. Satz für Satz füttert Harari den Leser mit kleinen Häppchen seiner Ideen, die alle für sich legitim klingen, man kann allem gut zustimmen. Aber jedes Häppchen stellt auch einen Teil seines großen Argumentations-Tempels dar, und ob der am Ende auch wirklich die Wahrheit enthält, das ist schwer zu beurteilen.
Ich versuche, das zu erklären. In Mathematik reichte es nie, einfach nur das Ergebnis zu schreiben. Man wollte den Lösungsweg sehen. Und der beinhaltete mehrere Schritte. Jeder Schritt für sich ist nachvollziehbar, und weil jeder Schritt nachvollziehbar ist und am Ende ein gerades Ergebnis rauskommt, wirkt die Lösung richtig. Trotzdem kann es sein, dass sich irgendwo ein Fehler eingeschlichen hat, ohne dass man es merkte, und dann stimmt am Ende das Ergebnis nicht mehr.
Oder anders gesagt: Schon auf den ersten Seiten sagt Harari: Der Mensch hat Hunger, Krankheit und Krieg besiegt und braucht jetzt neue Ziele. Fertig. Woooooooooot? Hier bescherte er uns einen fertigen Argumentations-Tempel, dem man erstmal absolut nicht zustimmen mag. In Afrika haben wir ja doch alle drei Plagen auf einmal!
Dann beginnt Harari aber zu erklären, wie er das genau meint, und nach und nach kann man dann doch zustimmen, weil die einzelnen Komponenten, mit der er uns zu dieser Aussage führt, eben passen. Ein wenig Skepsis an der Conclusion (Hunger, Krankheit, Krieg besiegt) bleibt aber trotzdem. Es gibt aber bestimmt auch völlig andere Argumente, die man aneinanderreihen kann, und dann sieht die Conclusion eben anders aus. Die bekommen wir aber nicht zu sehen.
Jedenfalls – was Harari schreibt, klingt alles logisch, und viele einzelne Aussagen trifft er auch basierend auf Studien und Forschungen.
Harari schweift ein klein wenig ab
Wie sicher deutlich geworden ist, behandelt Homo Deus alles mögliche. Am Anfang auch den Menschen der Zukunft, aber ich hatte mir eigentlich erhofft, dass das Buch diesen zukünftigen Menschen als exklusives Thema behandelt. Immerhin lautet der Untertitel von Homo Deus auch „Eine Geschichte von Morgen“ und nicht „Eine Geschichte von allem was war, ist und jemals sein wird„. Stattdessen rutscht Harari einmal quer durch die Menschheitsgeschichte und wieder zurück.
Das ist alles höchst interessant und sehr treffend – aber gelegentlich ist mir nicht ganz klar, was nun eigentlich sein zentraler Punkt ist. Es scheint viele zentrale Punkte zu geben.
Homo Deus – Wertung
Wer sich für all diese angesprochenen Dinge interessiert und sich, wie ich auch, sowieso schon fragt, wohin das alles mit dieser Welt noch führen soll – der nimmt eine Fülle interessanter Erkenntnisse aus Homo Deus mit. Ich habe jetzt wirklich nur einen kleinen Teil davon wiedergegeben. Deshalb gehört Homo Deus zu einem der besten und spannendsten Sachbüchern, die ich jemals gelesen habe. Ich denke, hier sind für jeden zumindest einige neue Erkenntnisse dabei.
Insgesamt bricht Harari einen dicken Stab für die Freiheit des Menschen. Ich hatte immer wieder das Gefühl, dass ich hier einen Autor lese, der quasi im Orbit um die Erde schwebt, niemandem zugehörig ist und demnach vorurteilsfrei die Menschheit beurteilt. Allerdings wird er auch nicht müde zu betonen, dass der Humanimus im Grunde die neue Religion ist, jetzt, wo Gott ja so nachhaltig tot ist (© Nietzsche). Der Mensch feiert sich selbst und stellt sich über alles andere, ignorierend, dass alle anderen Rassen und zufällig auch der Planet als Biosphäre selbst darunter schwer zu ächzen hat.
» So funktioniert die Buchbewertung
Homo Deus – Zitate
Harari zu der Ungerechtigkeit, dass nur ein kleiner Teil der Menschen „Göttlichkeit“ anstreben kann
Die Prophezeiung, die Menschheit werde im 21. Jahrhundert nach Unsterblichkeit, Glück und Göttlichkeit streben, wird manch einen wütend machen, befremden oder ängstigen. Deshalb bedarf es einiger Klarstellungen.
Zum ersten ist das nicht das, was die meisten Menschen im 21. Jahrhundert tatsächlich tun werden. Die Menschheit als Kollektiv wird danach streben. Die meisten Menschen werden bei diesen Projekten, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle spielen. Selbst wenn Hunger, Krankheit und Krieg weniger verbreitet sein sollten, werden noch immer Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern und in verwahrlosten Stadtvierteln mit Armut, Krankheit und Gewalt zu kämpfen haben, selbst wenn die Eliten bereits nach ewiger Jugend und gottgleichen Fähigkeiten greifen. Das ist ganz offenkundig ungerecht. Man könnte behaupten: Solange auch nur ein Kind an Unterernährung stirbt oder auch nur ein Erwachsener im Drogenkrieg ermordet wird, sollte die Menschheit all ihre Bemühungen darauf richten, dieses Leid zu bekämpfen. Erst wenn das letzte Schwer zu einer Pflugschar geworden ist, sollten wir uns gedanklich dem next big thing zuwenden. Aber so funktioniert Geschichte nun einmal nicht. Diejenigen, die in den Palästen leben, hatten schon immer andere Pläne und Absichten als die, die in den Hütten hausen, und das wird sich im 21. Jahrhundert aller Voraussicht nach nicht ändern.S. 93
Harari zum ungefragten Übernehmen von Traditionen
Wenn Sie nun, nachdem Sie diese Geschichte des Rasens vernommen haben, darangehen, Ihr Traumhaus zu planen, dann denken Sie womöglich zweimal nach, ob Sie im Vorgarten wirklich einen Rasen haben wollen. Es steht Ihnen selbstverständlich nach wie vor frei, dort einen anzulegen. Aber Sie können natürlich auch die kulturelle Last abschütteln, die Ihnen europäische Herzöge, kapitalistische Multimillionäre und die Simpsons aufgebürdet haben – und sich beispielsweise fürs eigene Heim einen japanischen Steingarten oder eine ganz neue Kreation vorstellen. Das ist der beste Grund, sich mit der Geschichte zu befassen: Nicht um die Zukunft vorherzusagen, sondern um sich von der Vergangenheit zu befreien und sich andere Ziele auszumalen.
S. 92f
Harari zur Gefahr, die durch künstliche Intelligenz ausgehen kann
Für Menschen wäre es extrem schwierig, die Motivation eines Systems zu kontrollieren, das klüger ist als sie.
Selbst eine Vorprogrammierung des Systems auf scheinbar ungefährliche Ziele könnte auf fürchterliche Weise nach hinten losgehen. Ein beliebtes Szenario beschreibt ein Unternehmen, das die erste künstliche Superintelligenz entwickelt und sie vor eine unverfängliche Prüfung wie etwa die Berechnung von Pi stellt. Bevor irgendjemand merkt, was vor sich geht, übernimmt die künstliche Intelligenz den Planeten, löscht die menschliche Rasse aus, startet einen Eroberungsfeldzug bis an die Ränder der Galaxie und verwandelt das gesamte bekannte Universum in einen riesigen Supercomputer, der für Milliarden von Jahren Pi immer genauer berechnet. Schließlich ist dies der göttliche Auftrag, den ihr Schöpfer ihr erteilte.S. 442
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