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Ken Follett – Winter der Welt

Ken Follett - Winter der Welt
Details zum Buch

Erstauflage: 2012
Seitenanzahl: 1022
Review online seit 4.06.2013
Zuerst und zuletzt gelesen: 25.05.-3.06.2013

Dieses Buch erhielt von Lucyda 3 Sterne

Verschiedene Personen aus Europa und Amerika, deren Schicksal irgendwie miteinander verknüpft ist, erleben die Zeit des Dritten Reichs und schließlich auch den Krieg. Erfreulicherweise spart Follet auch die deutsche Perspektive nicht aus.

Winter der Welt: Handlung

Das Buch handelt von mehreren Familien in Deutschland, England, Amerika und Russland ab 1933 und wie sie die Vorkriegszeit und schließlich den Krieg selbst erleben. Die Handlung endet 1948 mit dem Beginn des kalten Krieges. Die Protagonisten sind trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft auf irgendeine Weise Protagonisten miteinander verknüpft – kennen sich von früher, entdecken verwandtschaftliche Beziehungen oder .. heiraten einfach.

Der Fokus liegt jeweils immer auf einer Person, aus deren Perspektive geschrieben wird, und es handelt sich immer um einen jüngeren Sproß der jeweiligen Familie. Diese sind in sehr unterschiedlichen Milieus angesiedelt: von sozialdemokratischen Aktivisten, die für die Demokratie kämpfen, über neureiche Amerikaner, die ihr Geld durch mafiösen Hintergrund verdient haben, einer russischen Funktionärsfamilie bis hin zu einer amerikanischen Senatorenfamilie.

Die Geschichte wird durch die geschichtlichen Hintergründe eingerahmt und führt den Leser so an unterschiedliche Schauplätze des Krieges und der Ereignisse im Kielwasser und gibt so sozusagen in Form eines Romans einen gesamtheitlichen Überblick über die Vorgänge.

Winter der Welt: Rezension

Jaaa. Also, erstmal sind die Ereignisse, also das 3. Reich und der Krieg, ein Gebiet, auf dem ich mich ziemlich gut auskenne. Das war für mich recht interessant, denn es ist ein bisschen so, als hätte die Geschichte in meinem Wohnzimmer gespielt :D Alles nichts Neues, und „Winter der Welt“ geht schon teilweise recht tief in die Ereignisse rein. Das Buch hat daher sozusagen auch einen bildenden Effekt, wenn man bisher nur wusste, dass es einen Krieg gab und wer ihn gewonnen hat. :P

Sprachlich ist das Buch .. gut verständlich. Es besitzt keinen feinen Humor, den ich bei manchen Autoren so liebe, es gibt keine raffinierten Wortwendungen oder irgendwas, was ich mir als Vorbild nehmen würde. Daher alles in allem sehr unkompliziert (*hust* anspruchslos *hust*) zu lesen.

Die Charaktere

Die Protagonisten waren mir nicht sonderlich sympathisch. Das begann schon am Anfang, als Follett einen Teil der Geschichte aus der Sicht eines zwölfjährigen altklugen Mädchens geschrieben hat, das bestens über politische Vorgänge informiert ist und die Nazis glühend hasst. Klar, die weiß Bescheid. Adoptiert am Ende aber selber eine 15jährige, die hilflos herumirrt und dabei nur wenige Jahre älter ist oO

Allgemein sind die Charaktere alle sehr jung, anfangs zwischen 12 und 18 oder 19. Ich weiß nicht, wieso Follett gerne so junge Charaktere nimmt, wenn die Bücher doch eigentlich für Erwachsene gedacht sind. Ich fühl mich dann immer wie in einem Kinderbuch mit kindlichen Problemen, da wird geschwärmt und erste Küsse verteilt. Muss nicht sein. In Die Säulen der Erde ging es doch auch mit Erwachsenen :D

Ohne jetzt dicke Spoiler aussprechen zu wollen sei angemerkt, dass Follett seine Protagonisten ruhig weniger wie rohe Eier behandeln könnte, um ein wenig mehr Spannung reinzubringen.

Der historische Hintergrund

Follet fügt ja gerne immer ein wenig Politik in seine Storys ein, das tat er in „Winter der Welt“ auch in besonderem Maße. Fast schon störend, meiner unpolitischen Meinung nach. „Sozialdemokratisch“ ist ein sehr häufig vorkommendes Wort, gerne im Kontrast zu „Faschismus bekämpfen!“ verwendet. Sehr eifrige Leute eben.

Für Follett ebenfalls sehr typisch sind Spionage-Geschichten, mit denen ich auch nicht so recht warm werde. Einige Passagen handeln nur von Spionage und Gegenspionage, vor allem in Deutschland. Da tritt der eigentliche Krieg häufig in den Hintergrund. Berlin ist ein Trümmerfeld und im Grunde im Daueralarmzustand, aber es müssen dennoch Spione gejagt werden. Interessant ist es, Hintergründe über die Codeentschlüsselungsversuche kennenzulernen.

Den Bombenkrieg vernachlässigt Follett aber sehr. Obwohl eine der Familien in Berlin lebt und der Bombenkrieg sehr dramatisch war, wird er kaum thematisiert. Dafür kommt das spätere Elend in der Stadt nach Kriegsende gut raus.

Follett und die Deutschen: Sehr versöhnlich

Weiterhin schreibt Follett als Engländer sehr versöhnlich. Er hätte gut ein Buch schreiben können, in dem die deutsche Sicht gar nicht vorkommt – tradiertes Feindbild macht’s möglich. Er hat die Deutschen aber einbezogen und stellt ziemlich klar dar, dass Widerstand gegen das Regime nicht unbedingt einfach gewesen ist, selbst wenn man dessen Machenschaften definitiv ablehnt. Ich denke, für den englischsprachigen Leser könnte diese Lektüre daher auch mal neue Perspektiven aufwerfen, anstatt immer nur das alte Feindbild des fackelschwingenden Hitlerjungens zu bedienen

Schuld wird gar nicht thematisiert, das ganze Buch ist im Grunde nicht wertend. Follett schreibt eher darüber, welch ein Elend der Krieg über alle Beteiligten gebracht hat. An einer Stelle wird das sehr deutlich: während der Luftangriffe der Deutschen auf London zu Anfang der 40er Jahre denkt die Protagonisten, dass das zwar schrecklich ist, sie den Deutschen Ähnliches aber auch nicht wünscht, denn der Einzelne kann ja auch nichts dafür.

Der Zweite Weltkrieg als Roman?

Und zuletzt noch mein Gesamteindruck: Ich habe das Gefühl, dass Follett weniger Wert auf Charakterentwicklung oder eine Story legte, sondern mehr auf eine gesamtheitliche Darstellung des Krieges. An fast allen Meilensteinen des Krieges ist einer der Hauptcharaktere dabei, oder zumindest jemand aus deren direktem Umfeld. Einige Beispiele:

  • Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz,
  • Mord an Behinderten,
  • Reichtagsbrand,
  • Spanischer Krieg,
  • Ardennenoffensive,
  • Französische Résistance,
  • Pearl Harbor,
  • Konferenzen der Alliierten,
  • Schlacht um Midway,
  • D-Day in der Normandie,
  • Manhattan-Projekt

Teilweise kam es mir so vor, als würde Follett seine Charaktere herumschieben wie Schachfiguren, nach dem Motto: Ich brauch jetzt hier jemanden, wen könnte ich denn hier sein lassen ohne die Geschichte allzu sehr zu verbiegen?

Unser „Funker“ verfolgt hier die Vorbereitungen des japanischen Angriffs auf Midway sehr genau von Land aus. Als es soweit ist, wird er aber auf eines der beteiligten Kriegsschiffe versetzt, wo er zunächst die Vorgänge im Funk verfolgen kann und somit zu den am Besten informierten Personen an Bord gehört. Sobald das Schiff aber dann angegriffen wird, muss er zufällig selber an Deck und eine Nachricht überbringen, und kann so auch noch die japanischen Luftangriffe erleben. Und am Ende gehört er zu den Infanterieeinheiten, die eine japanische Insel stürmen. So kommt man halt rum :D

Winter der Welt: Wertung

3 Sterne plus
Ich mag die Charaktere nicht und das Ganze ist nicht so episch und spannend wie andere Bücher von Follett. Dennoch habe ich die über 1000 Seiten innerhalb von 1,5 Wochen durch gehabt, einfach weil der Krieg eben verdammt spannend ist. Obwohl ich mich so schon ziemlich gut auskannte, hat mich das Buch dazu angeregt, manche Sachverhalte nochmal genauer nachzulesen. Somit hatte es auch für mich eine auffrischende Wirkung :D Rrrrh, Schlachtschiffe!

Es ist allerdings kein Buch, das einen mit roten Backen bis nachts um 3 im Bett liegen lässt, weil man es einfach nicht weglegen kann.

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