Vincent van Gogh war eine sehr geplagte Seele – ein genialer Künstler, aber auch ein zutiefst depressiver Mensch, der ständig von Unruhe getrieben wird. Dieses Buch behandelt sein Leben, ist aber auch nicht wirklich eine Biographie. Obwohl ich selbst van Goghs Malstil nicht sonderlich ansprechend finde, weckt das Buch aber durchaus ein Interesse an seiner Kunst.
Untertitel: Eine Biografie
Erstauflage: 1955, in Deutschland 1961
Seitenanzahl: 429 + Anhang + vereinzelt Fotos von Werken und Schauplätzen
Review online seit 15.08.2009
Van Gogh – Inhalt
Bei diesem Buch handelt es sich um eine ausführliche und anhand von genauen Recherchen möglichst objektive Biografie des Malers Vincent van Gogh. In einem Vorwort erklärt Perruchot dazu ausdrücklich, dass sein Buch kein Roman mit fiktiven Elementen ist. Er habe sich ausschließlich an bekannte Fakten aus erhaltenen Briefen und Zeugenberichten gehalten. Und das bemerkt man auch beim Lesen, da Perruchot Fragmente der Briefe auch in sein Buch einfügt.
Und so beginnt das Buch „Van Gogh“ und zusammen mit Vincent van Goghs Kindheit Mitte des 19. Jahrhunderts in den Niederlanden. Schon in jungen Jahren hat er mit Bindungsängsten zu kämpfen, er lässt andere Menschen nur ungern an sich heran und hat große Probleme, sich auszudrücken. Perruchot geht darauf genauso ein wie auf van Goghs Lehrjahre und seine darauf folgende Leidenschaft für den Priesterberuf, für den er sich völlig aufopfert.
In der Liebe hat Vincent van Gogh wenig Glück – die Zurückweisung durch seine beiden Angebeteten nimmt wichtigen Raum in der Schilderung von van Goghs Charakter und seinem Bild von anderen Menschen ein. Nachdem er schließlich den Priesterberuf aufgeben muss, überredet ihn sein Bruder Theo, sein Zeichentalent auszubauen und Maler zu werden. Eine künstlerische Ausbildung hatte van Gogh nie erhalten, er entwickelte seinen eigenwilligen Stil selbst.
Dieser Berufung folgt Vincent von nun an mit all seiner Kraft, denn hier sieht er eine Möglichkeit, seine Gefühle und seine Sicht auf die Welt auszudrücken. Er unternimmt mehrere Reisen, unter anderem durch Frankreich, um möglichst viel zu sehen und zu malen, und in den folgenden zehn Jahren seines Lebens produziert van Gogh viele hundert Werke, die zu seiner Lebzeit jedoch kaum Wertschätzung erhielten. Schließlich führt ihn die Malerei in den Wahnsinn und kostet ihn schlussendlich das Leben.
Van Gogh – Kritik
Auffällig ist, dass Perruchot selbst ein großer Befürworter der Kunst van Goghs zu sein scheint, denn er schildert dessen expressionistischen Stil voller Bewunderung und Anerkennung – das liest man deutlich aus den Beschreibungen heraus. Ich persönlich kann jedoch mit Bildern von van Gogh in den allermeisten Fällen nichts anfangen ^^ Aber das Lesen des Buchs macht definitiv Lust, selbst Motive einzufangen und sie lebendig festzuhalten.
Perruchot versteht es ausgezeichnet, van Goghs Leidenschaften auszudrücken und wiederzugeben, so dass der Leser ein Gefühl für dessen Verlorenheit im Leben erhält. Er beschreibt auch ausführlich die Gründe für van Goghs aufopferungsvolle Handlungen, so dass ich nachvollziehen kann, warum van Gogh etwas tat oder nicht tat. Perruchot liefert van Goghs Depressionen ausgezeichnet direkt an den Leser weiter.
Betrachtet man das Datum der Erstauflage von „Van Gogh“, nämlich 1955, dann wird deutlich, warum Perruchots Schreibstil (bzw. der des Übersetzers) recht altertümlich daher kommt. Das macht das Lesen manchmal etwas schwieriger, ich selbst fand diese angestaubte Sprache – ein Beispiel siehe unten im Zitat – jedoch eher ziemlich authentisch für das Leben van Goghs vor über 100 Jahren.
Perruchot versteht es damit auch ausgezeichnet, durch die Wahl seiner Worte perfekt Vincents Gefühlszustände wiederzugeben: Worte wie „Wut“ und „glühend“ (siehe unten) sprechen deutlich aus, wie Vincent voller Energie mit dem Pinsel über seine Staffelei fährt. Auf diese Weise wird „Van Gogh“, also das Buch, selbst irgendwie zum Gemälde, das allein durch die Wortwahl Gefühle ermöglicht.
Van Gogh – Wertung
Empfehlenswert zu lesen für ein wenig Allgemeinbildung – insbesondere, wenn du dich für Kunst und/oder innerlich zerrissene Menschen interessierst! Da van Goghs zu kurzes Leben auch alles andere als sesshaft und langweilig verlief, ist „Van Gogh“ ein abwechslungsreicher Text, der in großen Teilen allerdings ziemlich tragisch ist.
Mich hat „van Gogh“ durchaus berührt!
Van Gogh – Zitat
Vincent verbringt in späteren Jahren einige Zeit in der Provence in Frankreich, um zu malen.
«Der August steht in Flammen. Die Bilder häufen sich. Vincent frohlockt. Ganz seiner Leidenschaft hingegeben, nimmt er kaum etwas zu sich, er lebt nur von Schiffszwieback, etwas Milch und ein paar Eiern. Er kann sich nicht mehr beherrschen, in seinen gelb überfluteten Bildern gibt er der Begeisterung beredten Ausdruck, die ihn inmitten der glühenden Landschaft mit Wut beseelt. Im tiefsten und eigentlichsten Sinne des Wortes wird er begeistert und durchdrungen von der gewaltigen Inspiration einer übermenschlichen Macht. Sein Pathos schwillt an und schmilzt zu schrillen Tönen zusammen. „Einer Zikade gleich“ geniesst er die Sonne.»
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