Hier folgen, wie angekündigt, ein paar Worte zur Exkursion nach Nord- und Westdeutschland vom 3.-5. Mai 2013, die ich der Fachwelt nicht vorenthalten möchte. Vorweg: Sie war klasse :D
Wie in der Ankündigung erwähnt, hatte diese Exkursion Ähnlichkeit mit der letztes Jahr nach Nordengland. Das resultierte vor allem daraus, dass der gleiche Professor voranschritt und unsere Ziele zu einem großen Teil wieder militärischer Natur waren (römische Schlachtfelder und Kastelle). Sogar der Reisebus nebst Fahrer waren dieselben. Ich war auch sehr froh, einige bekannte Gesichter des Britannien-Feldzugs letztes Jahr anzutreffen. Da weiss man, was man hat ^^
Fotos von unseren Zielen sind allerdings eher rar, denn meist beschränkte sich das, was es zu sehen gab, auf Laub, Bäume und Wiesen. Über unsere Ziele schreibe ich weiter unten unter „Stationen“ was – falls sich wer für die Hintergründe und historisches Wissen interessiert .. Wie könnte man nicht! Auch eine Routenkarte gibts da.
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Eindrücke
Wir hatten an allen drei Tagen ein ganz phantastisches Wetter – keine Selbstverständlichkeit, schaut man sich die Wankelmütigkeit des Wetters und die Tendenz zu Regen und Kälte die letzten Monate an. In Heidelberg hat es jedenfalls an diesen Tagen geschifft :D
Wie bei Stupperich-Exkursionen üblich, gingen wir auch direkt ins Gelände und folgten den Spuren der Römer buchstäblich. Dass eine Kommilitonin mit Ballerinas, Nylons und Röckchen aufkreuzte, war vielleicht eher hinderlich für sie, aber daran merkt man, dass sie nicht in England dabei war. Jedenfalls wurde die vorhandene Zeit streng genutzt, es handelt sich hier um 14-Stunden-Tage zwischen Abfahrt morgens und Ankunft abends ^^ Am 2. und 3. Abend kamen wir um 23 Uhr am Ziel an. Da weiss man wenigstens, wofür man morgens aufgestanden ist :D
Die beiden Nächte verbrachten wir wieder in Jugendherbergen. Richtig anfreunden kann ich mich damit nicht. Irgendwie mag ich doch ein bisschen Privatspähre, wenigstens beim Duschen. Sehr enge 8-Bett-Zimmer sind auch nicht das, was ich jede Nacht haben muss und bei der bunten Schmiere an den Wänden neben den Betten oder am Gestell will ich auch immer gar nicht nachdenken, was das nun für Substanzen sind. Ein Hoch aufs heimische Bett! Aber, die Kürze der Exkursion ließ auch die Schlafumstände in den Hintergrund treten, es war viel zu schnell vorbei, um deswegen Strichlisten über die verbleibenden Nächte zu führen.
Aber wenigstens eine Steckdose pro Zimmer wäre wirklich toll. Wenn da 6-8 Leute abends ihr Handy und Fotoapparat laden wollen, wird das bei 0 Steckdosen doch recht eng.
Ansonsten gab es auch wenige echte Tiefpunkte auf der Exkursion, was auch an der Kürze der Zeit liegt. 3 Tage sind eben nicht viel, und dass wir einige Stunden im Bus verbrachten und die vorbeiziehende Landschaft begaffen konnten, ist bei den zurückgelegten Entfernungen auch nicht verwunderlich.
Diesmal war es so, dass wir die Ziele ansteuerten und dort im Grunde von den verantwortlichen Archäologen oder Museumsdirektoren herumgeführt wurden. Diese erzählten meiner Meinung nach teilweise viel zu viel von der Museums- und Grabungsgeschichte, Finanzierungen und Schwierigkeiten mit Behörden. Wenn man bereits den ganzen Tag unterwegs war, viel gesehen hat und dann solchen „Nebensächlichkeiten“ zuhören muss, die man sich weder merkt noch fürs eigentliche Thema irgendwie interessant sind, dann ist es mit Geduld für solche Dinge nicht allzu weit her.
An Wissenswertem habe ich in diesen 3 Tagen fast mehr mitgenommen als in den knapp 2 Wochen letztes Jahr in England/Schottland – und das, obwohl dort sehr viel mehr Römisches wirklich zu sehen war. Diesmal gab es nur vereinzelt herumliegende Steine, die v.a. metallischen Fundstücke im Museum und Rekonstruktionen zu sehen. Und dennoch war es beeindruckender.
Am Besten an der Exkursion letztes Jahr fand ich eigentlich unseren Marsch über/entlang dem Hadrianswall als Grenze des Römischen Reichs zu den nördlichen Barbaren. Es sind irgendwie die historischen Orte, die nicht alltäglich sind, die mich zum Hyperventilieren bringen, nicht die restaurierten Fundstücke in Vitrinen.
Wir besuchten diesmal zwei Schlachtfelder, an denen römische Truppen gegen Germanen kämpften (mehr dazu unten). Sich an dieser Stelle zu befinden und sich vorzustellen, dass genau hier tausende Menschen gegeneinander kämpften, das finde ich krass. Mir hat das Gänsehaut gemacht.
Stationen
Römisches Kastell bei Hedemünden nordöstlich von Kassel
Am Besten erhaltenes römisches Standlager nördlich der Alpen aus augusteischer Zeit. Augusteisch heisst zur Zeit des Augustus, also dem 1. Kaiser Roms. Er lebte/regierte um die Zeitenwende. Das ist eine sehr frühe Zeit, und das Römische Imperium befand sich noch lange vor der Zeit der größten Ausdehnung. Kastelle waren noch nicht so standardisiert wie 50 oder 100 Jahre später und können überhaupt nicht so häufig gefunden werden. Die typischen Kastelle im Spielkartenformat, die man vor Augen hat, gab es hier noch nicht.
Jedenfalls ist „am Besten erhalten“ ein etwas irreführender Ausdruck, zumindest wenn man ihn vor Laien gebraucht. Zu sehen war Wald, viel Laub, lose herumliegende größere Steine und ein paar Pfosten, die zur Markierung eingeschlagen waren. Archäologisch ist das Lager sehr gut durch Geoprospektion nachweisbar, also indem der Boden sozusagen durchröntgt wird. Dadurch lassen sich Gebäudeumrisse sehr klar darstellen. Ausgegraben wurden viele Schuhnägel – den Rest hab ich vergessen.
Schlachtfeld am Harzhorn zwischen Göttingen und Braunschweig
Erst 2008 wurden Funde von dort als römisch identifiziert, was eine Sensation darstellt. Die Römer konnten Nord- und Ostgermanien niemals wirklich erobern und auch Feldzüge so tief im Feindesland und weit entfernt von der Rheingrenze waren selten. Jedenfalls hatte niemand mit römischen Funden in der Gegend gerechnet. Der Kreisarchäologe sagte, dass sie hier deswegen quasi vor Schreck und Überraschung unter den Tisch gerutscht wären – sie kannten sich auch gar nicht mit provinzialrömischer Archäologie aus (warum auch? – Deshalb!). Es stellte sich schnell heraus, dass es sich um ein Schlachtfeld handelte. Durch Münzfunde lässt sich das Geschehen auf etwa 235 n. Chr. eingrenzen und würde zu den Germanenzügen des Kaisers Maximinus Thrax passen.
Faszinierend fand ich die Beschreibung der Topographie. Das Harzhorn ist ein steiler, langgezogener Hügel, direkt östlich davon verläuft heute die A7, eine Bundesstraße und eine frühere wichtige Poststraße (teilweise sind die Pflastersteine aus dem 18. Jh. noch zu sehen). Noch ein bisschen weiter östlich kommt Sumpf und wieder Hügel. Es ist also eine Pass-Situation. Der Pass wurde auch zu germanischer Zeit durch einen Weg schon genutzt. Wer den Pass meiden will, muss entweder einen sehr weiten Umweg gehen oder eben das steile Harzhorn überwinden. – Fand ich faszinierend. Bin schon öfter die A7 langgefahren und auch über diesen Pass, für mich sah das aber ganz einfach aus wie eine Straße zwischen hügeligen Wäldern, also quasi wie immer und überall. Hätte niemals gedacht, über einen wichtigen Pass zu fahren und dass diese Strecke so viel Tradition hat :D
Jedenfalls. Offensichtlich hatten Germanen diesen Pass blockiert, die römischen Truppen, mehrere tausend Mann, entschieden daher, stattdesen über das Harzhorn zu gehen, um einen Kampf am Engpass zu vermeiden. Dort auf dem Harzhorn wurden sie angegriffen. Es wurden sehr viele Pfeilspitzen und Katapultprojektile gefunden, die den Kampfverlauf ein wenig verdeutlichen können. Der Archäologe argumentierte so, dass wenn ein römisches Heer auf dem Marsch angegriffen wurde und dann in schwierigem Gelände noch die Zeit hat, Katapulte aufzustellen und auszurichten, dann zeigt das, dass es dem Feind himmelhoch überlegen war. Offensichtlich haben die Römer gewonnen, sind aber dennoch schnell weitergezogen (haben viel Zeugs zurückgelassen), weil sie sich noch immer bedroht fühlten.
Der Archäologe führte uns direkt über das Gelände, kletterte mit uns Hänge hoch und erzählte überall, was an dieser Stelle war. Sehr beeindruckend.
Lippisches Landesmuseum Detmold
Joah, ein Museum. In Detmold steht das berühmte Hermannsdenkmal zur Varusschlacht, in der die Germanen 9 n. Chr. 3 römische Legionen und mehrere Auxiliareinheiten (Hilfstruppen) quasi ungespitzt in den Boden rammten. Für die Römer eine schreckliche Katastrophe (nicht nur für die gestorbenen Soldaten, auch für das gesamte Reich, es war ein bemerkbarer Teil aller gesamten Truppen), für die Germanen ein großer Sieg, der natürlich zu nationalistischer Zeit im 19. und 20. Jahrhundert in Kunst und Propaganda extrem ausgeschlachtet wurde. Dafür steht auch das Hermannsdenkmal. Vermutlich hat jeder schon mal von Hermann dem Cheruskerfürst oder der Schlacht im Teutoburger Wald gehört. Damit ist eben diese Varusschlacht gemeint.
Jedenfalls. In diesem Museum gibt es sehr viel zur Rezeption dieser Schlacht. Also im Grunde nichts über die historischen Ereignisse (die Schlacht fand ja auch gar nicht hier statt), sondern eher darüber, wie diese 2000 Jahre später aufgefasst und benutzt wurden.
Hermanns-Denkmal in Detmold
Hier baute man im 19. Jahrhundert ein Denkmal für „Hermann den Cheruskerfürst“ (eigentlich hieß er Arminius), der in der Varusschlacht die Germanen angeführt hat. Hier schaut Hermann allerdings nach Westen gen Frankreich, weil die Franzosen halt zu diesem Zeitpunkt der eher präsentere Feind waren als die Römer. Wie es halt so ist im Nationalismus – ein Zeichen setzen :D – Das Schwert, das Hermann hier so in die Höhe reckt ist nur 7m lang. Keine Kosten und Mühen gescheut.
Schlachtfeld bei Kalkriese im Kreis Osnabrück
Dieses Schlachtfeld gilt als wahrscheinlicher Ort der eben erwähnten Varusschlacht. Dafür sprechen einige Indizien (Münzfunde datieren in die entsprechende Zeit 9 n. Chr., einige der Münzen tragen bei der Prägung sogar das Zeichen des römischen Legaten Varus, sowie Übereinstimmung von Befund mit historischen Quellen wie Tacitus, die über die Schlacht schrieben). Allerdings gibt es auch Kritiker an der Theorie und wenn nicht absolut untrügliche Beweise vor Ort gefunden werden, dass es sich um den Ort der Varusschlacht handelt (wobei ich nicht wüsste, wie solche Beweise aussehen sollten, die man nicht auch anders erklären könnte), dann wird es niemals absolute Sicherheit darüber geben, ob das nun der Ort ist oder nicht. Ich finde die Indizien aber sehr schlüssig und glaube solange daran, dass die Varusschlacht bei Kalkriese stattfand, bis es einen absolut sicheren Gegenbeweis gibt :D
Was war hier passiert? Wieder mal handelt es sich um einen Engpass. Auf der einen Seite ein Berg, auf der anderen ein Sumpf. An der Engstelle haben die Germanen entlang des Weges einen Wall errichtet (der wurde archäologisch nachgewiesen und es steht auch bei Tacitus in der Quelle), von wo aus sie in relativer Sicherheit die Römer angreifen und massiv unter Druck setzen konnten. Die Römer dagegen, deren Stärke eine offene Feldschlacht war, konnten sich nicht in Formation aufstellen, sondern waren im Grunde recht wehrlos. Die Germanen hatten die kilometerlange Marschkolonne der Römer an mehreren Stellen angegriffen (die Funde verteilen sich über 10 Kilometer..) und überall für Chaos und Panik gesorgt. Die Stelle mit dem errichteten Wall ist dabei nur ein Ort der Schlacht, an dem aber besonders viele Funde aufgetaucht sind.
Für mich war der Besuch dieses Schlachtfeldes der absolute Höhepunkt der Exkursion. Die beiden Archäologen haben einen klasse Vortrag gehalten (ohne den wäre der Besuch nicht halb so informativ gewesen) und direkt am Ort der Schlacht zu stehen, war sehr beeindruckend und auch etwas gruselig.
Dass in dieser Schlacht die Römer verloren haben, sieht man daran, dass fast ausschließlich römische Funde aufgetaucht sind, und davon nur kleine Fragmente. Die Germanen haben gewonnen und haben all ihre Toten und Verwundeten sowie verlorenes Material eingesammelt und mitgenommen. Danach haben sie die gefallenen Römer geplündert. Dabei sind Kleinteile von den Rüstungen der Römer abgefallen und konnten gefunden werden. Viele Bleche wurden auch gefaltet und verkleinert gefunden – also quasi fertig zum Abtransport durch die Germanen. Von der berühmten römischen Gesichtsmaske, die gefunden wurde, wurde der Silberüberzug abgekratzt (und die Eisenmaske dann vergessen oder aus Angst liegen gelassen).
Jedenfalls sieht man an den Funden, dass da sehr akribisch alles für die Germanen Brauchbare geplündert und gesammelt wurde, und für die Archäologen bleiben dann natürlich nur die wenigen Teile, die von den Siegern vergessen wurden mitzunehmen, oder die einfach zu klein waren und übersehen wurden. Dass trotzdem so viele Teile gefunden wurden, deutet darauf hin, dass wirklich sehr viele Truppen in die Schlacht verwickelt waren – ein weiterer Hinweis auf die Varusschlacht.
Zu sehen gibt es im Gelände den Verlauf des Walles und wo die Römer langgelaufen sind. Der Boden ist heute allerdings etwa 1m höher als damals, so dass man im Grunde 1m über den Schlachtfeld „schwebt“ ^^
Universitätsmuseum Münster
Joah, Museum halt, mit Sammlungen aus allen möglichen Antiken Zeitepochen der Römer und Griechen. Schön und gut, aber durch ein Museum schlendern ist eben nicht so wie vor Ort stehen. Außerdem hatte ich keinen Bock mehr, es war 7 oder 8 abends ^^
Westfälisches Römermuseum in Haltern am See
In Haltern befand sich das wichtigste römische Kastell der Region. Es lag jenseits der Rheingrenze und somit im „Feindesland“ der Römer. Der Fluss Lippe verband Haltern als auch andere kleinere Lager rechtsseitig des Rheins mit Xanten und diente als Transportweg. Viele Feldzüge der Römer begannen in Xanten und führten dann über die Lippe nach Osten, Haltern diente hier als Legionsstützpunkt; auch die 19. Legion sei hier stationiert gewesen, bis sie in der Varusschlacht vernichtet wurde. Rom hatte geplant, das rechtsrheinische Gebiet ebenfalls in eine römische Provinz umzuwandeln und zu befrieden, diese Pläne wurden jedoch nach der Varusschlacht aufgegeben. In diesem Zusammenhang ist es auch so überraschend, dass über 200 Jahre später am Harzhorn eine so große römische Armee unterwegs war.
Jedenfalls, direkt am früheren Kastell befindet sich dieses Museum, das durchaus sehenswerte Funde zu bieten hat (ich war echt überrascht :D). Merkwürdigerweise wurden wir nicht ins Gelände des Kastells gejagt. Normalerweise gibt sich der Professor da gnadenlos.
Archäologisches Museum in Herne
Sehr schön gemacht, sammelt Funde seit der Steinzeit bis zur industriellen Zeit. Trotzdem nur ein Museum :D
Römerpark Xanten
In der Provinz Germania Inferior gab es zwei römische Städte, die den Status einer Kolonie hatten, also den höchsten Stadtstatus besaßen. Die eine war Colonia Claudia Ara Agrippinensium (kurz: Köln), die andere Colonia Ulpia Traiana, das heutige Xanten. Köln wurde auf eben dieser früheren Colonia errichtet, weshalb viele römische Funde von moderner Bebauung überdeckt sind. In Xanten ist das anders. Wie jeder weiß, begruben die Römer ihre Toten nicht innerhalb der Stadt, sondern außerhalb, entlang der Ausfallstraßen. Die „Friedhöfe“ befanden sich sozusagen auf beiden Seiten der Straße von/zur Stadt, oft über Kilometer hingezogen. In Xanten wurde dort nun der frühe christliche Märtyrer Viktor bestattet – also außerhalb der römischen Stadt. Auf dessen Grab entstand später der Xantener Dom St. Viktor. Weil im Mittelalter die Menschen möglichst nahe bei Gott oder wenigstens den Heiligen sein wollten, drängte sich die mittelalterliche Besiedlung direkt um den Dom herum, während das Areal der römischen Kolonie verfiel und nicht überbaut wurde. Daher kann man dort heute graben und das gesamte Gelände der römischen Stadt ist heute ein Park.
Einige Gebäude wurden teilweise rekonstruiert, wie das Amphitheater oder der Hafentempel. Entlang des früheren Straßennetzes wurden Wege und Baumreihen angelegt, teilweise markieren Hecken die Umrisse der früheren Häuser. Ist ganz nett gemacht alles, man kann dort auch essen und so und es gibt ein großes Museum. Größtenteils ist die ganze Fläche aber (noch) ziemlich leer. Man kann zwar toll auf der Wiese chillen, aber wirklich „Römisches“ gibt es außerhalb des Museums nicht wirklich zu sehen. Das Ganze dient auch mehr dazu, dass man sich mehr vorstellen kann, wie die Römer lebten und wie ihre Gebäude aufgebaut mal ausgesehen haben.
Laut der Direktorin hat der Römerpark Xanten nach dem Pergamonmuseum in Berlin am meisten Museumsbesucher in Deutschland.
Weil ich die beiden Schlachtfelder (am Harzhorn und bei Kalkriese) mit Abstand am Beeindruckendsten fand, hab ich mir diese beiden Themen auch rausgepickt und sie mit Mühe und Not auf 3 Seiten fürs obligatorische Exkursionsprotokoll zusammengequetscht. Vielleicht ist Kalkriese ja was für die Bachelor-Arbeit…
„Time, what is time?“
Was ist denn eigentlich Zeit? Sie ist ja nichts Fassbares, und messbar ist sie nur dadurch, dass Wachstum, Veränderung und Bewegung stattfindet. Gäbe es die Zeit überhaupt, wenn sich im Universum nichts bewegen und verändern würde? Nein, dann würde sie im Grunde stillstehen.
Wenn ich an solchen Orten wie Kalkriese stehe, ist mir immer ein bisschen, als müsste ich eigentlich auf die Ereignisse zurückschauen können. Man befindet sich doch genau am selben Ort, nur 2000 Jahre später? Die Ereignisse waren doch hier? Wieso sieht man nichts davon oder bemerkt wenigstens graue Schleier in Menschenform oder lautes Geschrei, wenn man genau hinhört? So viele Menschen sind gestorben und man sieht nichts davon. Als ich über die Wiese lief, genau dort, wo auch die Römer liefen (nur einen Meter höher, bei Sonnenschein und Idylle, und ohne Barbaren, die mich töten wollten), kam irgendwie ein leises Grauen über mich. Es war natürlich eine ganz normale schöne Wiese im Sonnenschein, und ohne zu wissen was hier war, würde ich mir keine Gedanken machen. Ich wusste aber, was da war und fand es irgendwie komisch, am gleichen Ort zu laufen wie die Römer vor 2000 Jahren, nur dass die Umstände völlig anders sind.
Tja, völlig bescheuert. Lucyda will Geister sehen :D An solchen Orten mit historischer Relevanz, wo Grenzwertiges passierte, geht es mir immer so. Ich muss innehalten und mich fragen, wie es damals war. Und mich darüber wundern, dass die Zeit im Grunde aus einem Ort zwei macht. Ein früherer Ort, vielleicht mit Nebel und Regen, kämpfenden Männern, Panik und Chaos, und ein heutiger Ort mit einer löwenzahnbesetzten Wiese, ein paar Studenten und mir, die sich Gedanken macht. Die Zeit ist komisch. Sie verwischt Spuren, macht aus gefallenen Soldaten wieder Erde, stampft Wälle ein und Gras wächst über alles. Schreie verklingen ungehört für uns …
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