Diesen Beitrag hier schiebe ich schon eine Weile vor mir her, weil ich meinen „springenden Punkt“ einfach nicht richtig gefasst kriege. Verschiedene Fragmente flogen mir im Kopf herum, aber keines davon ist wirklich neu oder speziell, und ich will nicht nur einfach schreiben, was woanders schon steht. Zumal andere davon vermutlich mehr Ahnung haben.
Aber wie mein Professor mir während meiner Masterarbeits-Bearbeitungszeit auf mein „Ich weiß nicht, worauf mein Thema hinausläuft“-Geklage sagte: „Fangen Sie einfach an zu schreiben.“ – Einer der besten Ratschläge, den ich aus der Uni mitgenommen habe! Einfach anfangen und schauen, was draus wird. Und da sind wir nun.
Es geht um einen kleinen Funken Feminismus, einen größeren Funken Geschlechter-Marketing-Bashing und ein ganzen Haufen „Sei wie du sein willst“ :D Das ganze manifestiert sich in Duschgelfarben, in unterschiedlichen Preisen für Nassrasierer, Geschlechterdiskriminierung beim Friseur … und eigentlich fing es beim Kauf einer Jeans vor ungefähr 25 Jahren an.
Wie mir eine Männerhose die Schamesröte ins Gesicht trieb
Ich erinnere mich, als ich als Teenager mit meiner Mutter Jeans kaufen gegangen bin. Das war für uns beide der Horror und hat immer viel zu lange gedauert, weil mir entweder nichts passte / nicht gefiel oder meiner Mutter zu teuer oder zu „lotterig“ war. Meine arme Mama. Einmal hatte sie nach stundenlangem Anprobieren die Nase voll und zog mich in die Männerabteilung. „Hier, zieh jetzt mal eine Männer-Jeans an, vielleicht gefällt dir sowas ja besser.“
Völlig schockiert starrte ich sie an. Eine Männerhose? Darf ich das denn überhaupt, oder werden wir dann rausgeworfen? Und was sollen die Leute denken? „Ist doch egal“, sagte meine Mutter, und ist damit offenbar deutlich emanzipierter als ich. Die Hose passte tatsächlich.
Aber so geht es mir noch immer. Ich habe mit Schuhgröße 41 für eine Frau doch recht große Füße und habe daher in Schuhläden grundsätzlich das Pech, dass das Sortiment für diese Größe leider nur halb so groß ist wie für 37-39. Ab und zu schiele ich unauffällig zu den Männerschuhen rüber und ärgere mich darüber, dass die Schuhe dort viel besser aussehen (ich mag keine Silber-/Pink-/Gold-Glitzer-Sneaker, die aktuell offenbar ein unrühmliches Comeback feiern). Aber ich habe mich noch nie getraut, einfach mal Männer-Sneaker anzuprobieren.
Artikel für verschiedene Geschlechter sind einfach zu sehr Standard. Vielleicht bekam meine Mutter noch mehr von der Nachkriegsmentalität meiner Oma mit, wo eben alles genutzt wurde, was nutzbar war, und vielleicht hat es auf sie abgefärbt. Auf mich jedenfalls leider nicht.
Männersachen kaufen hätte für mich was von „Du bist nicht richtig weiblich, wenn du Zeug für Männer kaufst“. Und was sollen überhaupt die Männer denken, wenn ich mich vors Männerschuhregal setze und dort Männerschuhe anprobiere?
Von vielen Farben und wenigen Farben
Jedenfalls hört das Theater ja bei Schuhen nicht auf, sondern setzt sich besonders auch in der Drogerie fort. Da gibt es für alles getrennte Regale: Auf einem stehen vorwiegend weiße Flaschen mit Kontrastfarben (gern pastellfarben, pink und insgesamt fröhlich-bunt), auf dem anderen vorwiegend schwarze Flaschen mit Kontrastfarben (hauptsächlich grün, blutrot und blau, vielleicht noch orange-gelb).
Wir sind in der Duschgel-Abteilung angekommen und da sind die Männersachen grundsätzlich dunkel (oder Mercedes-Silber für den sportlichen Duscher). Ihre Bezeichnungen vermitteln, dass sie Männern zu neuer Energie, zu mehr Stärke, zu besseren Leistungen und zu einem herb-männlichen Moschusduft verhelfen.
Frauen-Duschgel dagegen ist hell und grundsätzlich bunter. Frische, Pflege, Gesundheit, das preisen sie an. Die Farben sind hier mit Nuancen wie koralle, bernstein, hennarot, veilchenblau, kirschblüte, flieder, avocadogrün, etc. etc. (bordeauxrot und königsblau allerdings lieber nicht, das ist zu dunkel) so auffällig vielfältig vertreten, dass ich mich frage, warum den Männern so wenig Bunt zugemutet wird.
Eher dunkel soll es dort sein, seriös und kraftvoll, und bei Gott keine lila Farbtöne. Keinesfalls dürfen zu viele Farben, und dann auch noch eher hellere, fröhliche Farben wie bei den Frauen, diesen Eindruck verwässern.
Ein Mann ist nicht fröhlich. Er gibt nichts auf Farben. Das vermittelt jedenfalls die Farbauswahl. Frauen natürlich schon, die sollen das Haus wohnlich einrichten, schöne Kuchen backen und bitte immer fröhlich und gut gelaunt aussehen. Klar, dass man für all das viele Farben braucht. Männer dagegen, die scheren sich nicht darum. Ein Mann, ein Wort (oder eher eine Farbe) – bloß nichts verkomplizieren. Ein Mann hat sich um Wichtigeres zu kümmern, er bringt schließlich das Geld nach Hause, damit sich Schätzchen bunte Sachen kaufen kann.
Komisch, denn das mit der Farbe sieht ganz anders aus, wenn man einen Spielzeugladen betritt. Hier schreit mich die Mädchenabteilung in der Regel derartig rosa-pink an, dass ich Alpträume bekomme, während Jungs viel mehr als nur pastellblau bekommen. Lego und Siku-Autos sind von sich aus schon bunt. Gott, von Kindesbeinen an wird uns erklärt, dass es Sachen für Mädchen gibt und Sachen für Jungs.
Design für den Mann, Design für die Frau
Zurück zur Drogerie. Natürlich bin ich bisher immer zum Frauenregal gegangen, um mein Kokos-Shampoo zu holen. Warum sollte ich auch etwas kaufen, was nicht für mich gedacht ist? Ich weiß nicht, ob das auch anderen so geht, aber tief in meinem Kopf sitzt der Gedanke, dass es sicher einen Grund gibt, warum Shampoos und Duschgel sich entweder an Frauen oder an Männer richten. Das Zeug wurde doch sicher auf die Zielgruppe optimiert. Vielleicht gibt es Wirkstoffe, die für Frauenhaar besser sind, während andere die Männer optimaler waschen.
Nie (bis vor einigen Jahren) bin ich auf die Idee gekommen, dass es hier nur um Marketing geht. Klar, Männer brauchen keine Tampons und Frauen kein Bartwachs. Aber Shampoo ist für jeden gut. Meine Oma schwor übrigens darauf, sich wegen der Vitamine einmal die Woche rohes Ei in die Haare zu schmieren, und Eier sind nun wirklich weder für Männer noch für Frauen gedacht.
Soweit, so gut. Pierre und ich amüsieren uns schon seit Jahren über die unterschiedlichen Bezeichnungen auf Duschgelflaschen, die wiederspiegeln, was die Marketingabteilungen für „typisch Frau“ und „typisch Mann“ halten.
Als ich nun aber – völlig verspätet, zugegeben – las, dass die Frauenartikel oft teurer sind als die für Männer, musste ich dann doch nach Luft schnappen. Auf einen Preisvergleich war ich nie gekommen, warum auch, ich hab ja nur am Frauenregal geschaut.
In Fachkreisen nennt sich das „Pink-Steuer“ und scheint durch Studien bewiesen zu sein. Offenbar haben Frauen für vergleichbare Pflegeprodukte durchschnittlich mehr zu zahlen als Männer. Und das liegt offenbar daran, dass sie auch grundsätzlich dazu bereit sind, mehr für Kosmetika und Pflegezeug auszugeben – so erklärt sich jedenfalls der Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Hamburg den Unterschied, wie ihr im Link oben nachlesen könnt.
Ergometrisch und Shea Butter machen’s
Ich hab das nicht selbst empirisch geprüft. Aber wir haben uns kürzlich mal genauer die Nassrasierer im Supermarkt angeschaut. Da hing ein Modell für Damen (natürlich in pinker Schachtel), und das gleiche Modell vom gleichen Hersteller für Herren. Das für Damen war teurer, bei gleicher Ersatzklingenanzahl (und auch gleicher Klingenzahl in den Klingenköpfen).
Zu Hause schaute ich mir die Website von Wilkinson Sword an, um nicht von Regal zu Regal laufen zu müssen, sondern die Produkte direkt vor Augen zu haben und zu schauen, wie sie genau beworben werden. Als Beispiel dient mir hier mal der Hydro/Hydro-Silk-Rasierer. Für Frauen gibt’s den nicht ohne „Silk“, also muss es wohl die Entsprechung des Hydro-Rasierers für Männer sein. Das Modell hat jedenfalls einen Kopf mit 5 Klingen mit so einer Gelschicht am Rand der Klinge.
Leider traue ich mich an dieser Stelle nicht, einen Screenshot der Werbegrafik zu zeigen, weil ich deswegen schon mal Ärger bekommen habe, deswegen liste ich die Argumente hier nur auf und hoffe, dass die Website nicht so schnell aktualisiert wird :D
Hydro Silk-Rasierer für Frauen
Farbe: pink und hellblau
Werbe-Argumente laut Grafik (weiter unten):
- Hydra Renew Serum / wasseraktiviertes Serum
- 5 Skin-Perfekt Klingen
- Ergonomischer Griff
- Dermatologisch getestet [Schriftzug als kleines „Qualitätssiegel“ direkt neben dem Griff]
- Daneben noch ein undefinierbares, Ei-artiges Bild mit dem Schriftzug „Shea Butter“
Preis: 14,95 €
Farbe: tiefblau und schwarz
Werbe-Argumente laut Grafik (weiter unten):
- Feuchtigkeitshaltendes gel-reservoir [sic]
- Flip Trimmer [praktisch: die obere Leiste ist umklappbar, um auch die Haare direkt unterhalb der Nase zu erwischen]
- 5 Ultra glide Klingen mit Skin guards [sic] verringen [sic] Hautirritationen
Preis: 14,95 €
Gleicher Preis, was meckert die denn? – mag man sich fragen. Allerdings sind beim Männerrasierer vier zusätzliche Ersatzklingenköpfe dabei, bei Frauen nur drei. Beim Kauf haben wir beim Frauenrasierer übrigens die Wahl, drei, sechs oder neun Ersatzklingen einpacken zu lassen, die Männer bekommen dafür vier, acht oder gleich 12 Ersatzklingen dazu. Warum die unterschiedliche Packgröße?
Die Wechselklingen allein kosten im Dreier-Pack für Frauen 11,45 € (pro Stück also 3,81 €), im Vierer-Pack für Männer 9,95 € (2,48 €). Das ist ein ganz schön ordentlicher Unterschied: frau zahlt rund 1,30 € mehr pro Klinge!
Interessant fand ich auch an diesem subjektiv gewählten Beispiel, dass der Frauenrasierer fast ausschließlich mit seiner Qualität und seinen pflegenden Eigenschaften überzeugen soll („Hydra Renew Serum mit Shea Butter bewahrt die Feuchtigkeitsbalance deiner Haut – klinisch bewiesen“, ergonomisch, dermatologisch getestet). Die Männer bekommen dagegen eher funktionsbezogene Argumente: Ultra glide Klingen mit Skin guards und Flip-Trimmer.
Naja. Ich habe keine Ahnung, wie aufwändig in der Herstellung die Klingen und die Rasierer selbst sind, und ob es sich nicht durch längere Haltbarkeit oder so wieder relativiert. Sie haben ja auch eine leicht unterschiedliche Form, vielleicht sind sie auch unterschiedlich beweglich. Wobei ich denke, dass ich ohne den ergonomischen Griff auch klar käme, Männern fliegt das Ding ja auch nicht aus der Hand. Ich weiß jedenfalls nicht, ob es nicht doch einen Grund gibt, der den unterschiedlichen Preis rechtfertigt.
Dennoch war ich schockiert. Klar, es gibt auch günstigere Rasierer-Modelle als diesen Hydro hier, wir sind also nicht gezwungen, genau diesen zu kaufen. Aber offenbar ist dieser hier, bei gleicher Modellreihe, teurer als das Männermodell, und ich weiß nicht, ob dieser eine zusätzliche Gelstreifen den Preisunterschied wirklich wett macht. Aber ich werde es herausfinden, denn beim nächsten Rasiererkauf werde ich genau auf den Preis schauen und mir dann einen Männerrasierer holen. Ich brauch kein Shea Butter, was auch immer das ist.
Aber immerhin habe ich hier die Wahl. Beim Friseur dagegen ist schon festgelegt, dass ich mehr bezahlen muss, sobald ich den Laden betreten habe.
Du bist ne Frau? Du zahlst doppelt!
Wie vor einiger Zeit mal durch die Nachrichten ging, ist es beim Friseur Praxis, dass Preise für Frauen grundsätzlich höher sind. Und damit meine ich grundsätzlich, unabhängig von der Haarlänge oder dem Aufwand.
Über Preisvergleich beim Haarschnitt hatte ich mir nie so wirklich Gedanken gemacht. Mit Mama ging ich eben zur örtlichen Haarmeisterin und gezahlt wurde am Ende, was verlangt wurde. So hab ich es weiterhin gemacht. Ich hab eigentlich nie nach Preisschild gekauft, sondern immer nach Leistung, á la Spitzen schneiden, Strähnchen machen, neue Bob-Frisur.
Wenn man sich so eine Preisübersicht mal anschaut – hier z.B. die meines bisherigen Stamm-Friseurs, und man dort etwas Vergleichbares für beide Geschlechter findet, zB. „Waschen, schneiden, föhnen“, dann fällt es gleich ins Auge: für Frauen locker flockige 38 €, Männer 21 €. Nochmal: Frauen: fast 40 €, Männer knapp 20 €. Das ist ein Preisunterschied von fast 100 %.
Und da steht bei Männern nichts von einer Einschränkung, zB. „nur bis zu einer Haarlänge bis 5 cm“. Das alte Argument ist, dass Frauen eben längere Haare haben und aufwändigere Frisuren wünschen, während Männer sich mit ein wenig Trimmen zufrieden geben („bloß nichts verkomplizieren!“). Das ist allerdings zutiefst unfair, wenn eine Frau mit Kurzhaarfrisur sich die Haare mal eben in Form bringen lassen möchte und daneben ein Mann, Marke Bülent Ceylan, mit gepflegter Ein-Meter-Mähne eine Stunde herumschnippeln lässt. Mal abgesehen von den Leuten, die sich weder als Mann noch als Frau einordnen lassen.
Auch wenn das mit der Kurzhaarfrisur auf mich (im Moment) nicht zutrifft, ärgert es mich zutiefst, dass ich grundsätzlich, ohne Beurteilung der Leistung, doppelt so viel zahlen soll wie ein Mann. Das geht doch nicht?! Das wäre ja, wie wenn ich an der Tankstelle meinen Sprit bezahlen will, der Kassier schaut mich an und sagt, „Ah, eine Frau, das kostet Sie das Doppelte“.
Das ist mir so derartig sauer aufgestoßen, dass ich beschlossen habe, nächstes Mal wenn möglich zu einem Fair Price-Friseur zu gehen, der die Preise aufgrund der Leistung berechnet und nicht aufgrund des Geschlechts – oder ich schneide eben selber. Denn weiter dorthin zu gehen und den Frauenpreis zu bezahlen, würde bedeuten, sich in das System zu fügen und es zu akzeptieren.
Ja, ich weiß, dass Haarmeisterinnen sowieso unterbezahlt sind. Ich will gar nicht, dass sie noch weniger bekommen und die Damenpreise an Herrenpreise angepasst werden. Ich wünsche mir nur, dass der Preis, den ich zu zahlen habe, nicht damit zusammen hängt, dass ich eine Frau bin, sondern damit, wie viel Aufwand die Dienstleistung darstellt. Auch, wenn es am Ende nicht günstiger oder sogar teurer wird.
Die alltägliche Gesichtsmaske
Apropos teuer. Angeblich sollen ja Frauen bereit sein, deutlich mehr Geld für Pflege und Kosmetik auszugeben. Das kann ich bestätigen (ist aber kein Grund, gleiche Produkte für uns teurer zu machen!).
Was Schminken und Make-up betrifft, bin ich, das muss ich leider sagen, in jeder Hinsicht ein Spätzünder. Erst mit 26 habe ich damit angefangen, mich zu schminken. Meine kleine Schwester hat mir gezeigt, wie es geht. Bis dahin stand es einfach nicht auf meiner Agenda.
Darauf folgten einige Jahre, in denen mein morgendliches Ritual das Auftragen folgender Kosmetika umfasste;
- Make-up (hautfarbene Creme zum flächigen Abdecken der Haut),
- Kajal (Lidstrich),
- Mascara (Wimperntusche, davor natürlich das Hinbiegen der Wimpern mit einer Wimpernzange (hat nicht viel gebracht, aber gehört eben dazu)),
- Lidschatten (naja, so buntes, pulverartiges Zeug fürs Augenlid),
- Lippenstift
Warum ich das tat? Weil ich damit das Gefühl hatte, mehr so auszusehen, wie es üblich ist. Sich zu schminken gehört ja schließlich zum Bild einer Frau im besten Alter irgendwie dazu. Es zeigt, dass man etwas davon versteht, sich zu pflegen und sich herzurichten, um salonfähig zu sein. Ich schäme mich dafür, derartig abhängig vom Mainstream zu sein und das Gefühl zu haben, dass ich so und so auszusehen habe, wenn ich mich in der Öffentlichkeit blicken lasse.
Und ja, das Zeug ist wirklich nicht günstig. So ein Miniflakon Mascara enthält rund 10 ml Schmiere für die Wimpern und kostet durchaus rund 7 €. Drogendealer sollten auf sowas umstellen – das sind grob gepeilt 700 € pro Liter.
Hat sich mal jemand ein Schminkvideo angeschaut, von denen es Millionen auf YouTube gibt? Da zeigen junge Frauen, wie man sich mittels eines ganzen Arsenals von Grundierungen, Cremes, Stiften, Tuben, Pinseln und Farbpaletten vom verdätschten Schlaf-Look mit Fältchen und Hautverfärbungen zum dramatischen Wow-Look maskiert. Oder zum natürlichen Undone-Look, also sich so schminkt, dass man ungeschminkt aussieht. Logisch.
Es ist Irrsinn. Und das alles nur für das Gefühl, damit den Erwartungen der Welt zu entsprechen. Falls es denn solche Erwartungen objektiv wirklich gibt, aber subjektiv gefühlt gibt es sie. Spätestens Instagram, und davor Werbeanzeigen und Hochlanz-Promi-Magazine zeigen: Ohne verführerischen Wimpernaufschlag und rätselhafte Smokey Eyes kannst du dich nicht blicken lassen. Und du willst ja auch nicht deine Begleitung vor allen anderen doof aussehen lassen, indem du ungeschminkt mit ihm ausgehst?
Ach ja, auch wenn mir die ganze Schminke grundsätzlich ein gutes „Du gehörst dazu“-Gefühl verschafft hat, habe ich es dennoch gehasst, denn…
- ich brauche jede Menge teure Mittelchen, um das zu erreichen – heißt: Ich selbst bin mit meinem ungeschminkten Gesicht ungenügend und bedarf einer täglichen Optimierung, um dem Bild zu entsprechen, das jeder von mir hat.
- wer Make-up trägt, muss immer aufpassen, was er mit seinem Gesicht macht. Sich im Winter den Schal um den Kopf wickeln führt unweigerlich zu hässlichen Schmierspuren am Schal. Das gleiche beim Naseputzen, zumal bei häufigem Putzen das Make-up irgendwann weg ist und die Nase dann schön rot im bleich-geschminkten Gesicht leuchtet.
- je länger der Tag/Abend, desto mehr zerlegt sich das Ganze… Lidschatten sammelt sich als hässlicher, bunter Strich auf dem Lid, der Kajal verschwindet, der Lippenstift verabschiedet sich sowieso relativ schnell, besonders wenn Essen oder Trinken involviert ist. Also ständig auf die Toilette, um den Verfall aufzuhalten. Bescheuert.
- mal davon abgesehen, dass man sich abends nicht einfach ins Bett legen kann. Erst ist eine faziale Abrüstung notwendig: Mit Abschminktüchern wird die Farbe abgewischt und natürlich braucht es Hautcremes, die die tagsüber durch all das Zeug strapazierte Haut wieder auf Vordermann bringt. Kostet natürlich auch extra.
Es ist Irrsinn. Aber ich verstehe, warum ich selbst darauf reingefallen bin und warum vor allem junge Frauen mit unreiner Haut das Gefühl haben, Kosmetika zu brauchen. Irrsinn ist es trotzdem, und daher bin ich froh, dass meine Lebenserfahrung mir mittlerweile deutlich zu verstehen gibt, dass ich das nicht mehr brauche.
Klar, ab und an ziehe ich mir auch einen Lidstrich, vielleicht gibt’s zu Hochzeiten auch mal Mascara. Aber dieses Geklebe mit Make-up und bunten Lidern? Nein danke. Wer mich ohne Schminke für langweilig hält, den halte ich für oberflächlich und er kann mir gestohlen bleiben.
Und zu was führt das Ganze nun?
Tja, damit sind wir nun am Ende meines Beitrags. Ich hab hier viel zu verschiedenen Punkten geschrieben, die mir in den letzten Jahren im Kopf rumgegangen sind, aber ein richtiges Fazit habe ich nicht. Letztlich ist jeder von uns nur das, was das Umfeld und die Gesellschaft aus uns macht. Sich anders zu verhalten und dem nicht (mehr) zu entsprechen bedarf einiger Stärke und – in meinem Fall – viel Nachdenkens und den einen oder anderen Anstoß von außen (danke, Schwester!).
Von daher ist weder „den Männern“ ein Vorwurf zu machen, dass sie mehr als nur rosa Puppen bekommen oder ihre Duschgel-Farben für viel interessantere Werte stehen als die von Frauen. Auch nicht „den Unternehmen“, die eben das Zeug auf den Markt bringen, zu denen ihre Marktbeobachter ihnen raten, denn es ist ja ein Kreislauf. Frauen kaufen Frauenzeug, weil es das Zeug gibt, und deswegen wird es das auch weiter geben.
Vielleicht kann man „der Werbeindustrie“ einen Vorwurf machen, weil sie immer Utopien bewerben und damit allen Konsumten das Gefühl geben, nicht zu genügen. Auch den Männern, schließlich gibt es auch männliche Schönheitsideale und sie werden genauso mit Stereotypen manipuliert, siehe Bier und Grillparty.
Ich kann auch nicht beurteilen, ob die unterschiedlichen Preise bei Rasierern und Ersatzklingen gerechtfertigt sind. Für mich bedeutet diese kleine Recherche nun aber, dass ich ab jetzt genauer hinschauen werde und nicht mehr nur blind zum Damenregal renne. Mir doch egal, ob da Shea Butter drauf ist oder nicht. Hauptsache es funktioniert.
Und in diese Emanzipierung werde ich auch meine weiteren Einkäufe einbeziehen. Wenn mir die Damenschuhe nächstes Mal nicht gefallen, dann gehe ich eben zu den Herren. Sollen Kunden und Verkäufer doch schauen wie sie wollen. Ist ja schließlich mein Geld, und das kann ich ausgeben wie ich will.
Letztlich gibt die Gesellschaft zwar vieles vor, aber ob man sich dem beugen möchte, und in welchem Grad, das liegt bei jedem selbst.
Für diese Erkenntnisse muss man auch nicht erst 38 Jahre hinter sich haben, wie ich jetzt – viele andere haben sich niemals konform verhalten und Zeug gekauft, von dem diffus gesagt „die Gesellschaft / die Konzerne“ wollen, dass sie sie kaufen. Aber besser spät als nie!
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