1914 begann der 1. Weltkrieg, der Teile Europas in Schutt und Asche legte und über 9 Millionen Soldaten das Leben kostete. Auslöser war die Ermordung des österreichischen Thronprinzen Ende Juni 1914, aber die Ursachen liegen viel tiefer. Ich erinnere mich, wie mein geschätzter Geschichtslehrer in der Oberstufe von einem „Pulverfass“ sprach, zu dem Europa in den 20 Jahren zuvor geworden war.
Warum es zum Krieg kam, und welche Konflikte in Europa herrschten, die am Ende in den Krieg eskalierten, ist Abiturstoff und ich hab das lernen müssen, bis ich schwarz wurde :D Mittlerweile hab ich es leider teilweise wieder vergessen, daher kommt die heutige Quelle gerade Recht. Sie spricht einige dieser Konflikte an und berichtet zunächst hoffnungsvoll, dass alle Konflikte jetzt, 1907, gelöst seien .. dass das aber wohl kaum von Dauer sein könne.
Das wirkt aus unserer Sicht sowohl naiv („ach… wenn die wüssten, was auf sie wartet…“) als auch wie ein Orakelspruch. Exakt an diesem Tag sieben Jahre später erklärte das Vereinigte Königreich dem Deutschen Reich den Krieg, während die deutsche Armee bereits nach ihrer Kriegserklärung an Frankreich am Vortag in Belgien einmarschierte.
Ich finde diese Perspektive wenige Jahre vor dem Krieg und den hoffnungsvollen Bericht über eine Entspannung, durch den aber schon durchscheint, dass man selbst nicht so recht dran glaubte, sehr interessant. Das ist nichts Neues, sondern einfach nur ein Schlaglicht.
Der Hintergrund der Konflikte in wenigen Sätzen: Das Deutsche Reich war erst 1877 entstanden, und Kaiser Wilhelm II., seit 1888 an der Macht, wollte sich nicht mit dem Mittelmaß zufrieden geben. Er wollte Kolonien in Übersee, er wollte als Großmacht neben England, Frankreich und Russland anerkannt werden – dass das aber mit den Interessen der anderen europäischen Mächte kollidierte, ist klar. Das Deutsche Reich wollte also überall mitmischen, hatte sich durch Wilhelms ungeschickte Diplomatie aber außenpolitisch isoliert, indem er Bündnisse auslaufen ließ.
Das ganze ist ziemlich interessant. Einen guten Überblick findest du auf dieser Seite der Süddeutschen Zeitung.
Versöhnliche Stimmung in Europa
Wien, 2. August.
Nach mehreren Jahren diplomatischer Unruhe erlebt Europa wieder einmal einen Sommer durchaus friedsamer europäischer Politik. Es war unbehaglich geworden, wie sich die drei Staaten am atlantischen Ozean in Bündnissen aller Art zusammentaten, als ob sie es notwendig hätten, ihre Machtstellung in den sie umspülenden Meeren gegen irgendeinen unbekannten Feind zu verteidigen.
Nun löst sich allgemach die Spannung und mit den Orakelsprüchen über die Vereinsamung Deutschland zwischen den Weltmächten [Einkreisungstheorie – Deutschland sei von Feinden umgeben und werde ständig bedroht]wird es täglich stiller. Zu Swinemünde beraten in diesen Tagen Kaiser Wilhelm und der Zar, neben ihnen [Reichskanzler] Bülow und Ismolsky, die Zukunft des Weltteils; zehn Tage später trifft König Eduard [King Edward VII. des Vereinigten Königreichs] auf Schloss Wilhelmshöhe mit dem Deutschen Kaiser zusammen, um seine Reise dann nach Ischl [österreichische Kaiserresidenz] fortzusetzen und hier mit Kaiser Franz Joseph [von Österreich-Ungarn] den Friedensfaden weiter zu spinnen.
[…] Das alles sind willkommene Friedenszeichen. Dazu der von England angetretene Rückzug in der Frage des Stillstandes der Rüstungen: Die fleisch- und blutlose Revolution, die das britische Kabinett dem Haager Kongress [2. Den Haager Friedenskonferenz] unterbreitet, wird keine Meinungsverschiedenheit hervorrufen; sie ist, wie Grey im englischen Unterhause bemerkte, absichtlich so gefasst, dass die Haager Konferenz mit keinem Missklang enden kann.
Und als ob des Segens nicht genug wäre, kündigt der englische Minister auch an, dass das Abkommen zwischen Großbritannien und Russland in den ostasiatischen Fragen eine vollzogene Tatsache sei. Scherzhaft könnte man sagen, es gibt keine europäische Frage mehr. Jede von ihnen ist gelöst und die Diplomaten können ungestört die Sommerruhe genießen. Der Aufruhr in Marokko [Erste Marokkokrise 1904-1906] wird als Probe für das Exempel dienen. Die europäischen Mächte werden möglichst einträchtig vorgehen, so dass man die bekannte Neujahrsansprache Napoleons III. [Französischer Kaiser, Neffe von Napoleon Bonaparte] umkehren könnte: es gibt am europäischen Horizont keine schwarzen Punkte mehr.
Der Wechsel der Dinge ist zu rasch und zu plötzlich, als dass er von Dauer sein könnte. Das politische Wetter wird nicht immer ungetrübt heiter bleiben, – aber man braucht sich durch diese Perspektive die kurze Freude über die gewonnenen Ergebnisse nicht stören zu lassen. Das ist die allgemeine Stimmung, die auch in Wien herrscht. Die österreich-ungarische Diplomatie trug nach Kräften dazu bei, die Missverständnisse aus dem Wege zu räumen. […]
Allgemeine Zeitung (München) am 4. August 1907, S. 1, Quelle
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