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29. Juni 1844 – Die faulen Ausreden der Drückeberger

Historische Zeitungen

Im November 1808 trat die Städteverordnung in Preußen in Kraft, durch die Städte deutlich mehr Rechte zur Selbstverwaltung erhielten und in Fragen der Finanzverwaltung, des Schul- und Sozialwesens weitgehend autonom wurden. Dazu sollten Stadtverordnete gewählt werden, die in regelmäßigen Versammlungen zusammenkommen und ausstehende Fragen debattieren.

Am 20. Juni vor 176 Jahren fand in Strehlen, heutiges Strzelin, eine Stadtverordnetenwahl statt, zu der im Vorfeld alle 378 stimmberechtigten Bürger eingeladen worden waren. Die Stadt hatte im Jahre 1844 laut Wikipedia 4253 Einwohner – also waren nicht einmal 10 % der Einwohner stimmberechtigt.

Stimmberechtigt sind nach der Städteverordnung (hier das Original), alle, die das Bürgerrecht besitzen. Bürgerrecht kann bekommen, wer die Befugnis hat, städtische Gewerbe zu betreiben und Grundstücke in der Stadt zu besitzen. Er muss außerdem in der Stadt wohnhaft und „von unbescholtenem Wandel“ sein. Stand, Geburt, Religion und „überhaupt persönliche Verhältnisse“ sollen dabei keinen Unterschied machen, auch unverheiratete Frauen können, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, das Bürgerrecht erhalten.

Die Zeitung listet nun in ihrer Ausgabe am 29. Juni 1844 auf S. 4 zunächst die Wahlergebnisse auf. Dem Autor scheint aber insbesondere am Herzen zu liegen, die stimmberechtigten Bürger zu rügen, die nicht zur Wahl erschienen sind – immerhin 156 Personen.

Er echauffiert sich nun über die vorgebrachten Entschuldigungen, und legt dar, warum er sie für fadenscheinig hält. Außerdem ist er sehr betrübt über den spärlichen Besuch des Gottesdienstes, der der Wahl vorangegangen war.

Strehlener Kreis- und Stadtblatt am 29. Juni 1844, S. 4, Quelle

In den am 20. d. M. stattgehabten Versammlungen der stimmfähigen Bürger sind in Stelle der ausgeschiedenen Stadtverordneten und Stellvertreter resp. neu- und wiedergewählt worden:
[…. Namen]
Im I. Bezirk waren von den eingeladenen stimmfähigen Bürgern nur 61 erschienen, daher 38 ausgeblieben, darunter 3 ohne alle Entschuldigung. Im II. Bezirk waren eingeladen 106 Bürger, davon erschienen 65 und ausgeblieben 41. Im III. Bezirk waren eingeladen 100 Bürger, davon erschienen 52 und ausgeblieben 48, darunter 6 ganz und gar unentschuldigt. Im IV. Bezirk waren eingeladen 73 Bürger, davon erschien 44 und ausgeblieben 29. Im Ganzen waren hiernach eingeladen 378 stimmfähige Bürger und davon ausgeblieben 156 also über den 3ten Theil. Einem großen Theile der Entschuldigungsgründe sieht man es auf den ersten Blick an, daß sie aus der Luft gegriffen sind und es muss höchlich verwundern, wenn Bürger, welche das ganze Jahr geschäftslos sind, sich nicht scheuen, bei der Stadtverordnetenwahl mit der Entschuldigung hervorzutreten, dass „dringende Geschäfte“ sie zurückhalten oder wenn Andere „Reisen“ vorgeben und doch zu Haufe gesehen werden, oder auch endlich, wenn wieder Andere Krankheit vorschützen und doch während des Wahlgeschäfts in der Stadt herumgehen. Kaum glaublich und doch wahr! Hoffentlich werden diese wie die gar nicht Entschuldigten der wohlverdienen Rüge nicht entgehen, wenn gleich die Wahlversammlungen an solchen Bürgern nichts verlieren.

Wahrhaft betrübend war auch der überaus geringe Besuch des dem Wahlgeschäft vorangegangenen Gottesdienstes. Es kann unmöglich Mangel an Zeit, sondern nur eine sehr beklagenswerte Gleichgültigkeit die Ursache sein.

Transkription von mir :D

Tja, mangelnde Wahl- und Gottesdienstbeteiligung. Manche Dinge ändern sich wohl nie, schon gar nicht, dass zu diesen Zeitpunkten offenbar besonders viele ernste Krankheiten grassieren :D


Anmerkungen, die ich selbst in den Text eingefügt habe, befinden sich innerhalb von eckigen Klammern: [meine Anmerkung]. Sternchen (*, Asteriske) zählen hier als Auslassungszeichen und bedeuten, dass ich Teile des des Textes nicht entziffern/erkennen konnte. Die Anzahl der Sternchen stehen möglichst für die Anzahl der ausgelassenen Zeichen.

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