Dieses schöne Erlebnis ist erst zwei Wochen her, aber ich habe es schon fast wieder aus den Gedanken verloren. Das darf nicht sein! Deswegen halte ich es jetzt fest, für mich und die Nachwelt, und für jeden, der an so etwas vielleicht auch Interesse hätte: Ein Kloster mal völlig anders zu besichtigen.
Zu genannter Zeit also verschlug es Pierre und mich in den Schwarzwald. Wir buchten zwei Nächte in einem urigen Schwarzwald-Gasthaus bei Freudenstadt und reisten dann ohne große Pläne an. Erst vor Ort schauten wir uns dann an, was für Möglichkeiten es gibt, um bei grauem Wetter zwei Tage im Schwarzwald zu verbringen.
Erstes Ziel war Alpirsbach. Von dort kommt das berühmte Bier „Alpirsbacher Klosterbräu“ und es gibt, logisch irgendwie, auch ein altes Benediktinerkloster. Am Bier waren wir weniger interessiert, mehr am Kloster. Während wir noch etwas unschlüssig über den gepflasterten Hof zwischen Klosterkirche und Brauerei schritten, sprang uns ein kleiner Ankündigungszettel ins Auge, der an einer Fensterscheibe klebte.
„Nächtlicher Rundgang durch das Kloster bei Kerzenschein und Glühwein“ stand darauf. Am selben Abend um 18 Uhr. Anmeldung erforderlich. Wow! Warum nicht! Eine Klosterführung mal ganz anders! Wir mussten nicht lange überlegen, suchten die Klosterkasse auf und meldeten uns an.
Komisch, da habe ich mittelalterliche Geschichte studiert und mir ist nie aufgefallen, dass ich mir wünsche, eine Kirche mal nicht bei Tag zu sehen, sondern bei Nacht, und zwar ohne elektrisches Licht! Auf diese Idee war ich nie gekommen. Warum auch. Kirchen und Klöster besichtigt man ja in der Regel, um etwas zu sehen. Nicht, um etwas zu fühlen.
Bei der Führung bei Kerzenschein aber geht es mehr um das Fühlen. Von der Kirche, ihrer Malereien und Gewölben haben wir dann tatsächlich nicht viel gesehen.
Abstecher in die Schramberger Technikmuseen
Aber der Reihe nach :D Nachdem wir nun diese Führung gebucht hatten, hatten wir noch viel Zeit. Es war erst Mittag und wir mussten noch einige Stunden totschlagen. Also fuhren wir weiter nach Schramberg und schauten uns dort die Auto- und Uhrenwelt an. Ich habe die Schramberger Museenlandschaft nicht ganz verstanden, es gibt dort mehrere Standorte und verschiedene Auto- und Techniksammlungen, und wir schauten uns nur eines der Museen an, in einer früheren Junghans-Fabrik.
Eigentlich bin ich nicht so der Freund von Museen. Da schaut man sich Zeug hinter Vitrinen an, liest spröde Objekttexte und denkt sich dann, joah, nett. Aber zu meiner Überraschung fand ich das Erfinderzeiten-Museum in Schramberg tatsächlich ziemlich interessant!
Erst geht es um Uhren und ihre Geschichte (sehr interessant), dann um die Nachkriegszeit, und zu welchen merkwürdigen Zweckverfremdungen sie in der Not der Menschen geführt hat. Derjenige, der hierzu die Objekttexte geschrieben hat, hatte definitiv Humor, immer wieder musste ich schmunzeln :D
Kloster Alpirsbach: Die Handys bleiben aus!
Aber hier soll es ja um das Kloster bei Kerzenschein gehen. Tatsächlich kamen wir dann abends gerade pünktlich an und erfuhren, dass die Führung restlos ausverkauft war. Ein nicht angemeldeter Besucher musste wieder abgewiesen werden, weil bereits über 40 Personen zusammengekommen waren.
Fotos von der Führung habe ich nicht. Schade – aber auch gut! Denn das sagte die Führerin gleich zu Beginn der Führung, als wir im Dunkeln frierend vor dem großen Portal zur Klosterkirche standen: Bitte kein künstliches Licht! Es soll schließlich eine Führung im Kerzenschein sein, nicht im Handyschein. Sie bat darum, Handys ganz auszuschalten. Kein Gesumme, kein Gebimmel, keine Bildschirme, keine Taschenlampe – und ergo auch keine Fotos. Schade… aber eben auch gut.
Sie sagte völlig zurecht, dass wir heute immer Licht um uns herum haben. Es besteht schließlich auch kein Anlass für Dunkelheit. Aber bei der Besichtigung eines jahrhundertealten Klosters wäre es eine gute Gelegenheit, das künstliche Licht mal wegzulassen. Der Mensch könne sich schnell an wenig Licht anpassen, und bisher sei niemand irgendwo gegen gelaufen :D
Außerdem gab sie zwei Laternen mit Kerzen an die Zuschauer aus. Einer sollte am Ende der Gruppe leuchten, der andere eher weiter vorne. Schöne Idee!
Mönchsgesänge in der dunklen Kirche
Dann endlich ging es in die dunkle Klosterkirche. An den Seiten des Mittelgangs zwischen den Sitzbänken standen Gläser mit Kerzen, und auch der Altarbereich vorne wurde in flackerndes Kerzenlicht getaucht. Als würde das nicht schon reichen, schallten gregorianische Gesänge (hier eine Kostprobe) durch die Kirche. Die Gruppe drängte sich am Eingang zusammen, wir hatten Dampfwolken vor dem Mund – und das alles war wunderschön, ich hatte Gänsehaut.
Wie gesagt, von der Kirche und ihrer Dekoration habe ich nicht viel gesehen. Nur die mächtigen Pfeiler ragten wie dicke Baumstämme hinauf ins Dunkle, während die Mönchsgesänge (natürlich eine Aufnahme, nicht live) unglaublich passend und stimmungsvoll durch das Kirchenschiff hallten. Wahnsinn!
Das Thema der Führung waren entsprechend auch weder Geschichte des romanischen Klosters, noch dessen architektonischen Besonderheiten. Die haben wir ja gar nicht gesehen.
Es ging stattdessen speziell um das Thema Nacht, Dunkelheit und Kälte, und was das für die Mönche und allgemein Menschen im Mittelalter bedeutete. Es hat schließlich auch eine ganz andere Dringlichkeit, wenn man in einer kalten, dunklen Kirche darüber redet, wie Mönche jede Nacht um ein Uhr aus ihrem Dormatorium (Schlafsaal) herunter kommen, um zu beten – im Winter wie im Sommer :D
Wer war früher nachts überhaupt wach? Woher kam das Licht für den Nachtwächter? Was erzählten sich die Menschen über die Dunkelheit? Woher wussten die Mönche jede Nacht, wann sie aufstehen mussten? Schliefen sie beim Gebet in der kalten Kirche nicht wieder ein?
Das Dormatorium und den Kapitelsaal („Besprechungsraum“) besuchten wir danach auch noch. Im Dormatorium gab es dann etwas Licht, weil die Führerin Zeichnungen von Klosterschülern zeigte, die sie an die Wände gemalt hatten. Ansonsten aber gab es nur Kerzenlicht. Nachdem wir auch noch durch den kalten Kreuzgang gegangen waren, immer schön mit Kerzen an den Seiten, war die Führung auch schon beendet, sie hatte etwa anderthalb Stunden gedauert.
Zum Abschluss Glühwein
Zum Abschluss gab es – leider gegenüber der Klosterkirche in einem modernen kleinen Saal – noch Glühwein und Kekse. Schöner wäre das auch im Kloster gewesen, aber ich beschwere mich nicht!
Die Führung war sehr stimmungsvoll und zeigte mal einen ganz anderen Blick (oder besser Nicht-Blick) auf ein Kloster. Eine dunkle Kirche mal in schummrigem Kerzenlicht zu erleben, ermöglicht eine ganz andere Vorstellung des Lebens im Kloster, als wenn man tagsüber da durch läuft.
Ich bin jetzt Fan von Führungen durch mittelalterliche Bauwerke bei Kerzenlicht und kann jedem empfehlen, mal so eine besondere Führung zu machen! :D
Hier gibt es die kommenden Termine für die Sonderführung in Alpirsbach, die verständlicherweise nur in den Wintermonaten stattfindet.
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