Der Entdeckermodus (Discovery Tour: Ancient Egypt) von Assassin’s Creed ist eine richtig spannende und innovative Möglichkeit, Videospiel und das Vermitteln von Informationen zu kombinieren. So wird Geschichte auch für Geschichtsmuffel cool :D
Willkommen in Ägypten, rund 50 Jahre vor Christus! Ubisoft hat sich zu ihrem Spiel Assassin’s Creed Origins etwas Tolles überlegt. Die Spieldesigner haben viel, sehr viel Zeit darin investiert, mit großer Detailverliebtheit das komplette Ägypten als riesiges Spielfeld für Nachwuchsassassine zu rekonstruieren. Dabei haben sie, wie bei Assassins Creed üblich, eng mit Historikern und Archäologen zusammengearbeitet, um das antike Ägypten möglichst akkurat darzustellen. Wenn sie also das ganze Hintergrundwissen sowieso schon recherchiert und gesammelt haben – warum dann nicht auch der Öffentlichkeit bereitstellen?
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Was ist der Entdeckermodus?
Es müssen ja nicht immer Kämpfe, Intrigen und dramatische Wendungen sein ^^ Der Entdeckermodus ist eine Art Museumsbesuch für Interessierte (ich sage bewusst nicht „Spieler“!), die es spannend fänden, das Alte Ägypten um 50 v.Chr. selbst zu erkunden.
Der neue Entdeckermodus macht das virtuelle antike Ägypten zum riesigen Freilichtmuseum, in dem die Spieler viel über
- das Leben im Alten und Antiken Ägypten,
- die Geschichte des Landes
- historische Protagonisten
- Grabsitten (und Pyramiden)
- und viel mehr
erfahren können.
Der Entdeckermodus ist am 20. Februar 2018 erschienen und steht für Besitzer des Hauptspiels Assassin’s Creed Origins kostenlos bereit. Wer sich nur für die digitale Rekonstruktion und den Entdeckermodus interessiert und auf das eigentliche Abenteuer verzichten möchte, der kann die Discovery Tour by Assassin’s Creed®: Ancient Egypt für 19,90 € als separate Anwendung kaufen und herunterladen.
Die Discovery Tour enthält dabei keineswegs nur Hintergrundinformationen zum Spiel, wie etwa über Kleopatra und die Römer. Der offizielle Name, Discovery Tour by Assassin’s Creed, passt daher sehr gut: Die von Assassin’s Creed bereitgestellte Entdeckungstour. Hier kommen auch viele Themen zur Sprache, die das Spiel zwar nebenbei zeigt, z.B. Alltagstätigkeiten von Bauern und Handwerkern, aber nicht thematisiert. Weiter unten siehst du genauer, welche Themen die Touren abdecken :D
Museum im Spiel
Im Entdeckermodus gibt es keine Quests, keine Interaktionsmöglichkeiten mit NPCs, keine Story und keine Gegner, dafür aber geführte Touren, die per Audio-Kommentar tiefgreifende Hintergrundinformationen zur Geschichte von Ägypten, über Land und Leute, Tiere und Monumente vermitteln. Dazu gibt es genau wie in einem Museum passende „Exponate“, wie z.B.
- ausgezeichnete Fotos von Porträtköpfen, Münzen und Alltagsgegenständen mit hochwertigen Objekttexten (Datierung, wie entstanden, in welchem Museum zu finden, usw)
- Karten und Satellitenansichten
- Rekonstruktionszeichnungen.
Assassin’s Creed ist ein Spiel, das wieder mein Interesse am Alten Ägypten geweckt hat und ich habe beim Spielen immer wieder selbst in Wikipedia zu Hintergrundinformationen gesucht. Da kommt der Entdeckermodus genau richtig :D
Eine riesige 3D-Rekonstrukion
Wie Ubisoft mitteilt, war ein Grund für die Entwicklung dieser Discovery Tour die Anfragen von Lehrern, die ihren Schülern Geschichte auf innovative Weise vermitteln wollen. Virtuelle Welten sind natürlich viel spannender als trockene Geschichtsbücher und Zeittafeln. Da Ubisoft wirklich viel Aufwand in die Rekonstruktion der Assassin’s Creed-Spielwelten steckt, sind sie als Rahmen für eine museale Verwendung fast schon prädestiniert :D
3D-Rekonstruktionen sind in Museen aktuell sowieso sehr beliebt, da sie so viele Möglichkeiten bieten. Und eine Rekonstruktion des kompletten Alten Ägyptens, das man von Nord bis Süd und von Ost bist West erkunden kann und dabei
- zu Fuß, per Pferd, Kamel oder Boot frei unterwegs ist
- im Mittelmeer, im Nil oder verschiedenen Seen schwimmt,
- auf antike Weltwunder klettert (Leuchtturm von Alexandria, die Große Bibliothek von Alexandria, die Pyramiden)
- mit Fackeln Grabkammern erforscht
- mit dem Adler Senu die Vogelperspektive erlebt
- eine liebevoll erstellte Welt mit Tieren, Pflanzen, brackigem Wasser, Nebel, Sonnenstrahlen, Wolken und Tag/Nachtwechseln erkundet
- selbstverständlich jederzeit wunderschöne Screenshots machen kann
…das alles sind natürlich schlagkräftige Argumente. Die gesamte Spielwelt steht dem Besucher komplett offen, und zusammen mit den hochwertigen Informationen sind die 20 € wirklich ein guter Preis.
Das bietet der Entdeckermodus
Neben der offenen Spielwelt, die mit ihren lebendigen und bunten Städten, den wuselnden Einwohnern, den kargen Bergen und Wüsen, den grünen Oasen, Sandstürmen, flimmernder Hitze, uralten und halb vom Sand verdeckten Ruinen und der einfach richtig schönen Atmosphäre schon genug Eindruck schindet, bietet der Entdeckermodus auch noch detaillierte weitere Informationen.
Ja, die Grafik der Spielwelt begeistert, hier ein paar Screenshots aus dem Hauptspiel :D Weitere gibt es im Review zu Assassin’s Creed Origins.
Verschiedene Themengebiete
Der Assassin’s Creed Origins-Entdeckermodus ist in fünf verschiedene Themengebiete untergliedert:
- Ägypten: Das Land und seine Landschaften (Wüsten, Oasen, der Nil!), Geologie, Flora und Fauna
- Pyramiden: Woher kommen Pyramiden, wozu dienen sie, welche Pyramiden gibt es
- Alexandria: Die Stadt Alexanders des Großen als Symbol für den Einfluss der Griechen auf Ägypten
- Alltag: Die Lebensweise der Menschen in Ägypten
- Römer: Die Römer machen auch vor Ägypten nicht Halt
Innerhalb dieser Themen gibt es bis zu 20 Touren zu weiteren Unterthemen, wie z.B.
- Kleopatra, Königin von Ägypgen
- Ursprünge der Pyramiden
- Die Stadtmauern von Alexandria
- Ackerbau im Alten Ägypten
Insgesamt kommen so 75 (!) geführte Touren zusammen, die alle nochmals bis zu über 20 einzelne Stationen enthalten. Vor dem Start einer Tour informiert eine Zeitangabe darüber, wie lange es ca. dauert, diese Tour zu absolvieren (5-25 Minuten).
Tiefgreifende Informationen
Die Assassin’s Creed Discovery Tour ist wirklich darauf angelegt, Wissen zu vermitteln. Und das gelingt auch, in kurzer Zeit habe ich einiges erfahren, was ich noch nicht wusste. Hier ein paar Beispiele :D
- Alexandria war vor Ankunft der Griechen ein Dorf namens Ra-Qed (für die Griechen dann Rhakotis), und viele Ägypter weigerten sich, den Namen Alexandria nach dem griechischen Eroberer anzuerkennen.
- Walskelette in der Wüste: Sie zeigen deutlich, dass Ägypten vor langer Zeit von Wasser bedeckt war
- Kleopatra tritt in der Serie Rom als „Herrin von Binse und Biene“ auf. Riedgras symbolisierte Oberägypten, die Biene Unterägypten. Kleopatra ist also die Herrscherin von Ober- und Unterägypten – beide Teile waren vor vielen tausend Jahren getrennte Reiche
So startest du den Entdeckermodus
Wenn du Assassin’s Creed Origins bereits besitzt, öffnest du den Entdeckermodus nach dem Start des Spiels aus dem Menü heraus. Falls du die Discovery Tour separat erworben hast, müsstest du sie direkt aus deinem Betriebssystem heraus starten können.
Sobald du den Entdeckermodus geöffnet hast, wirst du gleich an den Anfang deiner ersten Tour gesetzt. Es geht hier um die Planung von Alexandria durch Alexander den Großen um 300 v. Chr. Nachdem du diese Tour absolviert hast, kannst du dich mit einem Spielcharakter völlig frei in der Welt bewegen. Es stehen verschiedene Charaktere zur Auswahl – aber es ist natürlich egal, welche Figur du wählst. Auf der Karte (M) siehst du, wo es weitere Touren gibt. Du kannst Touren aber auch über das Menü (Tabulator) aufrufen und dich per Rechtklick direkt dorthin teleportieren.
Startest du eine Tour, zeigt dir eine leuchtende Linie am Boden den Weg zu den verschiedenen Stationen der Tour an. Sobald du eine Station erreichst, beginnt ein Sprecher, dir weitere Informationen über das Thema mitzuteilen.
Der Entdeckermodus schafft viel…
Fluch und Segen: Die Touren bauen nicht aufeinander auf
In einer Museumsausstellung folgt der Besucher von Raum zu Raum einem roten Faden. Im Assassin’s Creed Entdeckermodus ist das nicht möglich – die Touren absolviert der Spieler ohne feste Reihenfolge. Daher wissen die Entwickler nicht, wann der Spieler welche Information erhält. Nehmen wir als Beispiel die Ptolemäer, die griechische Herrscherdynastie in Ägypten seit dem Tod Alexanders des Großen. Kleopatra war eine Ptolemäerin. Nun mussten sich die Entwickler entscheiden, wie sie in den Touren mit solchen Informationen umgehen, da sie ja nicht aufeinander aufbauen.
- Sollen sich die Erläuterungen zu den Ptolemäern in mehreren Touren immer wiederholen, da der Spieler die eigentliche Tour ggf. noch nicht gesehen hat?
- Oder soll es nur einmal erklärt werden und der Spieler hat dann Pech, wenn er die erklärende Tour noch nicht gesehen hat?
Die Entwickler entschieden sich für Zweiteres. Das ist zwar gut, weil ständige Wiederholungen ziemlich ermüden würden. Aber auch schlecht, weil man dann den eigentlichen Inhalt der gegenwärtigen Tour ohne solide Hintergrundinfos nicht ganz versteht.
Das Problem ließe sich eventuell lösen, wenn der ganze Entdeckermodus mehr wie eine Enzyklopädie aufgebaut wäre. Man könnte den Begriff „Ptolemäer“ verlinken und bei Klick darauf ein weitere kurze Informationen öffnen. Aber das wäre dann wieder zu interaktiv – der Entdeckermodus ist schließlich kein zweites Wikipedia. Hier geht es um das Vermitteln von Hintergrundinfos, während man eine wunderschöne virtuelle Welt erkundet.
Die Audio-Kommentare und ihr Informationsgehalt
Die Sprecher der Audio-Kommentare (deutsch) sind sehr gut – mir kam es so vor, als hätte ich die beiden Sprecher (eine Frau und einen Mann) schon in Dokumentationen gehört :D Sie passen jedenfalls perfekt und legen auch Wert auf passende Betonung. Man merkt, dass hier Profis sprechen.
Man merkt aber, dass die gesprochenen Texte sehr fachlich sind. Vielleicht kommen sie direkt vom Historiker/Ägyptologen und man hat sich nicht die Mühe gemacht, sie in eine allgemein verständliche Sprache zu „übersetzen“. Laien könnten mit manchen Begrifflichkeiten überfordert sein, da sie teilweise doch sehr speziell sind. Auch ich als studierte Historikern/Klassische Archäologin musste teilweise tief in schon lange vergessenem Wissen wühlen, um manche Begriffe verstehen zu können.
Während meiner ersten Touren habe ich mir ein paar dieser Begriffe rausgeschrieben, von denen ich denke, dass nicht jeder sofort etwas damit anfangen kann:
- Vivisektion (eine Obduktion am lebenden Menschen oder Tier)
- prädynastisch (vor der Zeit der Pharaonen)
- Substruktur (Unterbau, hier Keller und Grabkammern unter den Pyramiden)
- Elite und Volk (Trennung von Herrschern und höhergestellten Beamten und einfacher Bevölkerung)
- „dem Verstorbenen Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs beigeben“ (Grabbeigaben)
- Steinschnitt (Relief/Bild in einem Stein)
- Kanopenkrug (Behälter, der die Eingeweide eines mumifizierten Verstorbenen enthält)
- „Es wurde ein Apokryph in Djosers [Pharao] Namen abgefasst.“ (Religiöser Text, der Djoser als Gott verherrlicht)
Muscheln auf Nippeln?!
Ubisoft beabsichtigt mit dem Entdeckermodus, Interessierten aller Kulturkreise und jeden Alters Informationen bereitzustellen. Das soll auch der Grund dafür sein, warum in der Discovery Tour (nicht im Hauptspiel!) die Brustwarzen von Skulpturen mit Muscheln verdeckt sind..
Darüber kann man streiten. Ich find’s unnötig – wer Interesse an Geschichte und Kultur hat, der sollte mit nackten Skulpturen klarkommen können. Und für Grundschüler sind die Informationen des Entdeckermodus sowieso zu schwere Kost…
Und noch mehr wäre möglich!
Leider nicht möglich: Zugriff auf Entdecker-Touren aus dem Hauptspiel
Es wäre cool, wenn man direkt aus dem Hauptspiel heraus auf Wunsch Zugriff auf die Informationen des Entdeckermodus hätte. Ich bin beispielsweise während des Spielens um die Große Sphinx herumgeschlichen und habe mir gewünscht, irgendwie weitere Informationen zu bekommen. Damals stellte ich mir vor, dass es cool wäre, wenn da ein NPC stehen würde, der einem von der Entstehung der Sphinx berichten würde.
Vielleicht wäre es stattdessen möglich, interessierten Spielern einen fixen Wechsel in die Tour anzubieten. Ich verstehe natürlich, dass das nichts für jeden ist, denn man spielt das Spiel ja in erster Linie, um in das Abenteuer abzutauchen. Da wäre ein Wechsel in einen „Touristenmodus“ schon fragwürdig. Denkbar wäre eine Einstellungsmöglichkeit, die man aktivieren oder deaktivieren kann und dadurch einen unauffälligen Hinweis einzublenden, wenn man einen Ort erreicht, an dem eine Tour verfügbar wäre.
Integration der Touren in die virtuelle Welt
Im Entdeckermodus stehen die Informationen der Touren leider nicht immer in sinnvollem Zusammenhang mit der Umgebung der Tour im virtuellen Ägypten. Teilweise führen die Touren einfach durch die Stadt und es gibt unterschiedliche Stationen, die weitere Infos liefern – aber die Infos sind nicht (sofort?) in der Umgebung zu erkennen. Wenn eine Station schon ein Foto von einem Relief an einem Gebäude zeigt, wäre es doch super, dieses Relief dann auch in der Umgebung finden zu können.
Auch die eingeblendeten Karten sind zwar gut, aber oft nicht beschriftet, so dass man nicht einfach überprüfen kann, wo man sich im Moment befindet.
So sehen wir beispielsweise ein Münze mit Ptolemaios XIII, dem Bruder von Kleopatra. Es gibt aber keinen Bezug zur Umgebung, in der der Spieler gerade steht. Das i-Tüpfelchen wäre, wenn beides besser ineinander integriert worden wäre. Die Station könnte sich beispielsweise an einem Händlertisch befinden, auf dem Münzen herumliegen. Klickt der Spieler auf eine Münze, beginnt der Audio-Kommentar.
Manchmal passt es aber auch ganz gut: Bei der Station über Kleopatras Tod liegt sie beispielsweise blutend und (fast) reglos am Boden (sie greift sich gelegentlich ins Haar.. :D). An der Station zu Djosers Pyramide gibt es eine tolle Überblendung von der Skizze eines Archäologen zur Pyramide in der Assassin’s Creed-Spielwelt, siehe hier:
Fazit zum Entdeckermodus
Auch wenn die Discovery Tour ihr Potenzial noch nicht ganz ausschöpft – Ubisoft ist hier definitiv auf dem richtigen Weg! Und er könnte sich auch für zusätzlich für sie bezahlt machen: Anstatt nur die Spielergemeinde anzusprechen, könnten sie Lizenzen an Schulen und vielleicht sogar Unis verkaufen und somit ganz neue Zielgruppen erschließen.
Während Assassin’s Creed das Interesse am Land und seiner Geschichte weckt, schlägt die Discovery Tour in diese Kerbe und liefert weitere Informationen genau dazu. Der Entdeckermodus macht Geschichte cool :D
Meine Meinung: Die 20 € lohnen sich definitiv! Wer sich für das Alte Ägypten interessiert, Geduld mit „Museumstexten“ mitbringt und einen halbwegs potenten Computer bzw. die entsprechende Konsole hat, der sollte sich das unbedingt anschauen. Die Discovery Tour by Assassin’s Creed ist definitiv kein „Spiel“ mehr, sondern ein cooles Museum – sie lohnt sich daher auch für Leute, die eigentlich kein Interesse an Computerspielen haben.
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