Selten sind die Fronten zwischen Fachleuten und Laien, die beide Interesse am selben Objekt haben, derart verhärtet wie zwischen Archäologen und Sondengängern mit ihren Metalldetektoren. Das Reizwort für die Archäologen lautet „Schatzsuche“, während Sondler sich häufig zu Unrecht kriminalisiert sehen. Dieser Beitrag behandelt diese tiefe Kluft – als “nicht aktive” Bachelor-Archäologin und wegen meiner Hohlweg-Videos mit vielen Sondler-Abonnenten auf YouTube befinde ich mich irgendwie mitten zwischen den Stühlen und darf mir daher ein Statement erlauben :D
„Das gehört in ein Museum!“ – dieser Ausruf stammt von dem Mann, dem Archäologen noch heute das nicht totzukriegende Vorurteil verdanken, auf Fedoras und Peitschen zu stehen. Indiana Jones ist Filmarchäologe, und wer nichts mit diesem Fachgebiet zu tun hat, dem fällt beim Thema „Archäologie“ immerhin sofort dieser eine Name ein. Indys vehemente Forderung mit dem Museum stammt aus dem Film „Der letzte Kreuzzug“ und zeigt deutlich seinen Anspruch, auf der guten Seite zu stehen. Die „Bösen“ sind gierige Grabräuber und Schatzsucher, die sich nicht um das erbeutete Kulturgut scheren, sondern nur um dessen Geldwert. Indy dagegen beansprucht das Fundobjekt per se und möchte es dorthin bringen, wohin es seiner Meinung nach gehört: Ins Museum, am Besten natürlich daheim in den USA.
Wenn es in der Wirklichkeit so einfach wäre wie in Indiana Jones‘ Abenteuern, dann gäbe es heute keine so tiefe und oftmals unüberbrückbare Kluft zwischen Hobby-Schatzsuchern mit Metallsonden und den Berufsarchäologen. Aber stellen wir die Protagonisten doch mal vor.
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Sondengänger – Moderne Schatzsucher
Mithilfe von Metalldetektoren kann man den Erdboden absuchen. Sie reagieren auf Metall in der Erde und piepsen, wenn sie etwas finden. Das kann weggeworfener Metallschrott sein oder ein Jahrhunderte alter Münzschatz. Sondler sind also die modernen Schatzsucher. Auf Feldern und in Wäldern herumzuspazieren und vielleicht einen echten Schatz zu finden – das ist ein spannendes Hobby.
Was macht man mit den Funden? Man kann sie behalten. Oder man versucht sie zu verkaufen. Indys Idee mit dem Museum ist manchmal auch eher unglücklich, denn in Deutschland ist das Schatzsuchen, bzw. genauer: das Ausgraben von historischem Kulturgut, verboten. Wer die Funde also abgibt, kann unter Umständen mit einer Strafanzeige rechnen. Verkaufen ist auch oft nicht so einfach, denn wer seine Ware zum Verkauf anbietet, der präsentiert sie – auf diese Weise wurden schon viele Verkäufer erwischt.
Berühmte Funde von Sondengängern
Immer wieder landen solche Geschichten in der Öffentlichkeit, weil sie alles beinhalten, was ein guter Abenteuerfilm haben sollte: Böse Schatzgräber, gute Fahnder und Archäologen, vorsichtige Anfragen im Internet, nächtliche Razzien – und natürlich einen Schatz.
Ein paar dieser berühmten Funde aus Deutschland:
- Die Himmelsscheibe von Nebra, eine rund 4000 Jahre alte, verzierte Bronzescheibe, die 1999 bei Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden wurde. Sie ist heute UNESCO-Weltdokumentenerbe.
- Das Schlachtfeld am Harzhorn – 2000 fanden Sondler mehrere Metallgegenstände auf dem Harzhorn, einem Hügel in Niedersachsen. Nachdem sie herausfanden, dass die Teile römisch sind und nicht, wie angenommen, mittelalterlich, schalteten sie selbst das Denkmalamt ein. Es stellte sich heraus, dass hier, tief in Germanien, 235 n. Chr. eine Schlacht zwischen Römern und Germanen stattgefunden hatte. Die Geschichtsbücher mussten neu geschrieben werden.
- Der Barbarenschatz von Rülzheim, ein Hortfund aus dem 5. Jahrhundert mit mehreren Silber- und Goldgegenständen. Gefunden 2014 in Rheinland-Pfalz.
Die bekannte Himmelsscheibe von Nebra
Der Reiz am Sondeln
Was der Reiz am Sondeln ist, kann ich nur mutmaßen. Ich glaube, die Suche nach Schätzen ist für uns alle ein Ausflug zurück in die Kindheit. Als wir vom Schatz im Silbersee lasen, vom Schatz der Nibelungen und deren Gold im Rhein, von Bernsteinzimmern, Nazigold, von Goldtöpfen und Regenbögen und sogar ganzen Piratenschatzinseln. Wir glaubten, dass die Welt diese Schätze für uns versteckt hat und wir sie nur finden müssten, um auf einen Schlag reich zu sein. Schatzsuche ist demnach gleichbedeutend mit der Suche nach dem Glück, nach der Erfüllung von Wünschen und dem Traum, morgen früh nicht in die Schule gehen zu müssen, sondern stattdessen Goldmünzen zu zählen. Ähnlich wie der Traum vom Sechser im Lotto. Vielleicht haben sich manche Sondler noch ein bisschen von diesem Traum erhalten.
Natürlich sind nicht alle Sondler reine Schatzsucher, die nach Gold und Reichtum suchen. Viele erhoffen sich auch, durch das Absondeln von Burgen oder historischen Stätten authentische, historische Gegenstände zu finden – egal, ob wertvoll oder nicht. Andere wiederum betrachten sich selbst als Hobby-Archäologen und wollen mit ihren gut dokumentierten Untersuchungen zur Forschung beitragen.
Allerspätestens mit dem Archäologiestudium fallen jedenfalls alle Illusionen über Schatzsuchen ab. Die Schätze unserer Kindheit sind keine unbefleckten Lottogewinne, sondern historische Überbleibsel. Sie warten nicht einfach darauf, gefunden zu werden und jemandem zu großem Reichtum und Berühmtheit zu verhelfen. Viel eher sind goldene Münzen, genau wie silberne Fibeln, bronzene Münzen, Keramikscherben, Ziegelmauern, Glasstückchen und viele Teile mehr nur Puzzlestücke. Sie tragen dazu bei, eine vergangene Zeit zu rekonstruieren.
Archäologen – Detektive des Erdreichs
Auch, wenn Indiana Jones uns weismachen will, dass Archäologen vor allem für die Bestückung von Museen verantwortlich sind, stimmt das so nicht. In der Archäologie geht es ganz und gar nicht darum, in uralte, versiegelte Kammern einzubrechen, eine goldene Reliquie von ihrem Sockel zu reißen und dann unter Revolverbeschuss vor riesigen Kugeln zu fliehen.
Der Schatz der Archäologen ist der Erkenntnisgewinn. Schätze sind hier relativ – auch eine Keramikscherbe, Pfeilspitzen oder Knochen sind für Archäologen Schätze, da sie Aufschluss über die untersuchte Zeit geben können. Silber und Gold sind eben nur aufsehenerregender. Dazu setzen sich Archäologen also den ganzen Tag auf den Boden und schieben mit kleinen Kellen Erde beiseite. Jede Bodenverfärbung ist ein wichtiger Fund, da er auf eine alte Grube oder ein Pfostenloch hinweisen kann.
Ich muss nun ein wenig ausholen, um deutlich zu machen, warum es für Archäologen so schlimm ist, wenn Sondler ihnen die Arbeit abnehmen. Nachfolgend ein Mini-Crashkurs zur Archäologie :D
Die Stratigraphie: Oben jung, unten alt
Die eigentliche Arbeit der Archäologen ist viel unspektakulärer als im Film. An einer Ausgrabungsstätte untersuchen Archäologen den Boden von oben durch verschiedene Erdschichten nach unten. Die Logik ist simpel: Je tiefer etwas im Boden steckt, desto älter ist es, und alles, was darüber liegt, ist jünger, weil es später verschüttet wurde. Das ist die Stratigraphie, die „Erdschichtenkunde„. Beispiel: Die berühmte Stadt Troja wurde immer wieder zerstört und wie eine Schichttorte auf den Trümmern neu errichtet. So ergibt sich eine relative Chronologie: Funde in tieferen Schichten sind älter als Funde in höheren Schichten. Wie alt genau, das weiß man in einer ausschließlich relativen Chronologie nicht.
Wenn sich in diesen Schichten nun Gegenstände befinden, die eine genaue Datierung erlauben, kommt zur relativen Chronologie noch eine genauere absolute Chronologie. Wertvolle Datierungshilfen sind Münzen: Sie enthalten meist Hinweise auf den Herrscher, der sie prägen ließ, und dessen Regierungszeit ist in der Regel bekannt. So kann beim Fund einer Kaiser Trajan-Münze (Regierungszeit: 98 – 117 n. Chr.) man also sagen: Alles in der gleichen Schicht mit dieser Münze stammt aus dem Jahr 98 oder später. Die Trajan-Münze kann schließlich nicht vor Trajans Herrschaft entstanden sein.
Diese Münze ist also der „Terminus post quem“: Die damit zusammenhängenden Objekte können nur nach diesem Zeitpunkt in den Boden gelangt sein. Das Gegenteil ist der „Terminus ante quem“, der späteste Zeitpunkt der Verschüttung – alle Objekte müssen davor im Boden gelandet sein. Ein Beispiel ist der Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 n. Chr., der z.B. die Stadt Pompeji vollständig mit Asche überdeckte. Alles unterhalb dieser Ascheschicht stammt demnach aus der Zeit vor dem Vulkanausbruch. Logisch, oder?
Während sich Archäologen nun durch ihre Schichten graben, zerstören sie die jeweils oberste Schicht dabei natürlich. Daher dokumentieren sie zuvor alles so genau – so kann man hinterher nachvollziehen, wie der „Tatort Ausgrabung“ in jeder einzelnen Schicht ausgesehen hat.
Kontext oder kein Kontext, das ist hier die Frage!
Stellt euch Archäologen nun wie Kriminologen vor, die einen Tatort untersuchen. Denkt euch einen Raum, in dem drei Leichen liegen, ein Koffer voll Geld, ein Messer und eine Pistole. Was passiert nun? Kriminologen rücken an, fotografieren alles, stellen Beweismaterial sicher, suchen den Raum nach weiteren verdächtigen Gegenständen ab. Sie schauen, wer die Waffen in der Hand hält und wer damit wie getötet wurde. Am Ende können sie rekonstruieren, was passiert ist.
Genau das machen Archäologen auch, wenn sie sich durch die Erdschichten graben. Zwar geht es meistens nicht um einen Mord, aber das Ziel ist trotzdem, herauszufinden, was die Zeitgenossen damals so trieben. Dazu ist der Fundkontext elementar wichtig:
- Eine Leiche kann völlig gleichgültig mit eingeschlagenem Schädel verscharrt worden sein – oder sie wurde liebevoll drapiert und geschmückt, bevor sie ihr Begräbnis erhielt.
- Ein Beutel Münzen kann in einer Kellerecke liegen, weil das Haus wegen eines Erdbebens darüber eingestürzt ist – oder er wurde hastig vergraben, weil der Besitzer Angst vor einem Überfall hatte.
Solche Dinge klären Archäologen im Rahmen einer Ausgrabung. Daher ist es für Archäologen sehr wichtig, diesen Kontext zu kennen. Nur so kann er Fragen wie diese beantworten:
- Was könnte hier passiert sein?
- Wie könnte dieses Teil hierher gekommen sein?
- Wer hat es verloren bzw. abgelegt?
- Könnte der Fund auf größere Ereignisse, wie kriegerische Handlungen oder Naturkatastrophen zurückzuführen sein?
Wenn ein einzelnes Stück also ein Fund ist, stellt das gesamte Fundensemble, z.B. ein Grab, ein Haus oder ein Schlachtfeld mit allen Dingen darin und darauf den sogenannten Befund dar. Diesen Befund legen Archäologen sorgfältig frei, sie dokumentieren alles genau, fertigen Zeichnungen und Beschreibungen an und messen jeden wichtigeren Fund genau ein (Lage, Höhe).
Ein einzelner Fund sagt nichts aus
Bekommt ein Kriminologe nur ein sauberes geputztes Messer vorgelegt, kann er damit kaum darauf schließen, ob, wann und wo es mal als Waffe genutzt wurde. Das gleiche gilt für den Archäologen, wenn ihm jemand eine einzelne Goldmünze vorlegt. Eine römische Münze, die mitten in Rom unter einem Marktplatz gefunden wird, hat eine völlig andere Bedeutung als die gleiche Münze, die in der hintersten Ecke Germaniens auftaucht, wo Römer eigentlich nichts verloren hatten. Eine Münze ist schließlich eine Münze. Man kann ihre Prägung, ihre Abnutzung und ihre Legierung untersuchen – dann hört es aber auch schon auf. Man kann die Münze ganz in Indy’s Sinne im Museum präsentieren, aber der Infotext dazu würde ziemlich schmal ausfallen, weil man eben nichts über den Kontext weiß.
Erkenntnisgewinn vs. Museum vs. Schatzsuche
Kommen wir zurück zu unseren Kriminologen. Nehmen wir an, den oben beschriebenen Tatort hätten fleißige Wichtel aufgeräumt, bevor die Kriminologen aufkreuzen. Die Experten bekommen nur noch eine Tüte mit den beiden Waffen und den Geldkoffer, alles andere ist weg. Dieser Mordfall würde niemals aufgeklärt werden. So gesehen sind Sondengänger die fleißigen Wichtel: Wenn der Detektor Alarm schlägt, graben sie sich durch die Erdschichten und holen den Gegenstand aus seinem Kontext heraus. Alles darüber und drumherum, etwa Keramik, Knochen, Bodenverfärbungen (die etwa auf eine frühere Holzkiste schließen lassen), zerstören sie ganz nebenbei.
Und damit befinden wir uns nun mitten auf dem Schlachtfeld von Archäologen gegen Sondler. Auch, wenn Sondler es gut meinen und ihre Funde – genau wie Indiana Jones – schön geputzt dem Denkmalamt vorlegen, versöhnt das die (echten) Archäologen nicht. Gut gemeint reicht eben nicht, und wer wie Indiana Jones im Film handelt, macht dem Erkenntnisgewinn einen Strich durch die Rechnung.
Besser ohne Befund als gar nicht?
Ein oft bemühtes Argument von Sondengängern ist, dass ohne ihre Metalldetektoren der Fund vielleicht niemals aufgetaucht wäre. Eine Himmelsscheibe von Nebra ohne Kontext im Museum ist doch besser als gar keine Himmelsscheibe von Nebra, oder?
Die Logik dieses Arguments ist nicht von der Hand zu weisen. Ohne die Finder, die die Scheibe beim Ausgraben leider auch beschädigt haben und sie später weiterverkaufen wollten, gäbe es ein UNESCO-Teil weniger. Und dieses spezielle Objekt beschäftigt Wissenschaftler auch ohne Kontext genug. Trotzdem – das Bodenarchiv, also der Befund, ist unwiederbringlich für immer zerstört. Archäologen hätten viel herausfinden können, z.B. Hinweise darüber, wie die Himmelsscheibe an diesen Ort gekommen ist, vielleicht auch, wer sie dort vergraben oder vergessen hat. Vielleicht hätte man noch weitere Gegenstände gefunden, die erklären würden, wozu man die Scheibe genutzt hat.
Sondengänger werfen den Archäologen nun dieses Denken vor: „Wenn die Archäologie das Objekt nicht bekommt, dann soll es keiner bekommen!“. Umgekehrt kann man den Sondlern erwidern: „Bevor ihr beim Ausgraben alle wichtigen Spuren für immer zerstört, das Objekt beschädigt und dann im Internet verscherbelt, soll es wirklich lieber im Boden bleiben – vielleicht wäre irgendwann jemand darauf gestoßen, der besser damit umgeht!“
So verheert ist also die Front.
Die Schatzsuche als rotes Tuch
Ein zusätzliches rotes Tuch für die Amtsarchäologen sind Sondengänger, die den historischen Wert der Funde nicht schätzen, sondern explizit auf Schatzsuche gehen, um einen Gewinn daraus zu schlagen. Hier wird es für die Archäologie schon fast persönlich, denn diese Haltung signalisiert ihnen: „Geschichte und eure Arbeit interessiert mich nicht, mich interessiert nur der materielle Wert“. Das ist so ähnlich wie ein Schmuckräuber, der die Beute einschmelzen lässt, um die Barren gefahrloser verkaufen zu können. Diese Haltung zeugt von mangelndem Respekt gegenüber einzigartigen Gegenständen mit eigener Geschichte.
Lucyda und die Sondler
Wenn ich mich selbst betrachte, tue ich mich mit der Bezeichnung „Archäologin“ schwer, denn ich übe diesen Beruf ja nicht aus. Aber immerhin habe ich meinen Bachelor in Archäologie abgeschlossen und kenne daher die eine Seite der beiden verhärteten Fronten recht gut. Als angehende Archäologin, umgeben von (angehenden) Archäologen war meine Meinung zum Sondeln natürlich klar. Inzwischen betrachte ich das Thema aber differenzierter. Und das ist unter anderem auf mein eigenes Video zurückzuführen.
Es war einmal ein YouTube-Video über Hohlwege
Im September oder Oktober 2016 stellte ich auf YouTube ein Video online, das ich zuvor aufgenommen habe. Es behandelt die Suche nach Hohlwegen mit historischer Karte. Bis dahin war mein YouTube-Account völlig unbekannt, aber aus irgendwelchen Gründen schauten sich immer mehr Leute mein Video an und es entwickelte sich zum Selbstläufer. Auf einmal bekam es Likes und mein Account immer mehr Abonnenten. Völlig überrascht verfolgte ich diese Entwicklung und versuchte herauszubekommen, wer sich meinen Film anschaute. Sondler! An Accountnamen wie Schatzsucher, Treasure Hunter und SuperSondler war das recht leicht zu erkennen.
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Na klar, immerhin zeige ich im Video, wie man alte Wege im Wald findet, und auf alten Wegen kann man alte Sachen finden. Eine Einladung also zum Hohlweg Sondeln. Ich war zunächst entsetzt: Sondler sind schließlich alles Raubgräber! zertrampeln alles und nehmen alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Und ich helfe ihnen auch noch! Was, wenn ein Kommilitone oder Professor von mir das sieht? Kurzzeitig überlegte ich, das Video zu entfernen. Auf der anderen Seite war ich glücklich, dass jemand mein Video mag und sich dafür interessiert, was ich sage. Das brachte mich in eine Zwickmühle und ich musste mir Gedanken machen.
Gedanken zum Sondeln
Das Sondeln im Sinne einer Schatzsuche, also Raubgrabungen ohne jegliches Interesse und Verständnis für den historischen Hintergrund, und ohne Sorgfalt und Vernunft finde ich scheiße. Das ist ganz klar. Wer sogar nachts auf archäologischen Ausgrabungen rumläuft und Funde einheimst, gehört eingesperrt. Zeugnisse aus vergangenen Zeiten sind rar, es darf einfach nicht sein, dass sie unter der Hand irgendwo landen und niemals untersucht werden können. Aber auch eigene Reinigungs- oder sogar Restaurierungsversuche sollten Sondengänger nicht vornehmen – damit könnten sie den Gegenstand stark beschädigen. Diese Schatzsucher sind aber, denke ich, Hardliner. Die gibt es immer – auch beim Denkmalamt.
Bezogen auf meine Videos ist es so, dass es um Hohlwege geht – und dort sollten sich zerstörbare Befunde sowieso in Grenzen halten. In alten Wegen wird man sicherlich interessantes Metall und auch Münzen finden, aber der Aussagewert dürfte relativ begrenzt sein. Hohlwege sind bereits per Definition nicht besonders gut für stratigraphische Fundauswertungen geeignet – graben sie sich doch selbst immer tiefer in den Boden und pflügen das, was es dort evtl zu finden gäbe, immer wieder um. Wenn jemand eine Münze verliert, kann die später hunderte Meter weiter mitgezogen oder weggespült werden. Daher kann ich es mit meinem Gewissen vereinbaren, dass auch Schatzsucher mithilfe meiner Videos Hohlwege finden können.
Wenn ein Sondengänger dagegen grundsätzlich Interesse am Gegenstand und der Geschichte mitbringt und vielleicht nur aus Unwissenheit das Bodenarchiv zerstört, dann kann man aufeinander zugehen. Hier hilft vielleicht die gegenseitige Aufklärung und ein Vertrauensaufbau:
- von Seiten der Amtsarchäologie:
- wie funktioniert Archäologie
- warum sollte man als Sondler vorsichtig sein
- warum sollte man ggf. lieber das Denkmalamt anrufen, bevor man etwas Größeres ausgräbt
- von Seiten der Metalldetektoren-Fraktion:
- Kompromissbereitschaft zeigen und einen freiwilligen Sondler-Ehrenkodex befolgen
- Gesetze, Rechte und Pflichten kennen
- Fundorte vor und während des Ausgrabens per Foto und mit Koordinaten dokumentieren, Funde melden, und vor dem Ausgraben im Zweifel die Experten hinzurufen
Möglichkeiten der Kooperation
Zu bedenken ist, dass man das Sondeln, bzw. eher das nicht genehmigte Ausgraben zwar verbieten kann, das Verbot aber schwerlich durchsetzen bzw. kontrollieren kann. Daher sollten Denkmalämter grundsätzlich offener mit interessierten Sondlern umgehen. Diejenigen, die um Erlaubnis fragen, bzw. die sich melden, sind die, die es gut meinen. Es hilft niemandem weiter, diesen interessierten Sondengängern dann ein rigoroses Verbot auszusprechen. Damit fördert man noch das illegale Sondeln und die Weitergabe von Funden.
Wenn man dagegen offen mit den Hobby-Suchern umgeht, ihnen vielleicht Seminare anbietet und vorsichtige Genehmigungen ausspricht, dann schafft man verantwortungsbewusste Hobby-Archäologen, die ihrerseits wieder zur Aufklärung anderer beitragen können.
Gehen die Fronten einen versöhnlichen Schritt aufeinander zu, können beide Seiten voneinander profitieren. Sondler können mit Genehmigung nach ihren “Schätzen” suchen und bei tollen Entdeckungen offizielle Ehren einheimsen. Die Amtsarchäologen dagegen bekommen im Optimalfall fleißige Helfer, die Funde machen, die sonst so schnell nicht entdeckt worden wären. Der Nachteil ist, dass beide Seiten ein Stück weit vom eigenen Standpunkt abweichen müssen. Das Denkmalamt muss Hobby-Forschern Vertrauen schenken, die Hobby-Forscher können ihre Funde nicht zu Geld machen (falls sie das wollten).
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