Vor etwas über sieben Jahren hab ich meine Masterarbeit an der Uni Heidelberg abgegeben und damit mein Studium beendet. Ich bin schon längst draußen aus dem System, das ganze Ding ist eigentlich Geschichte (haha, ich hab Geschichte studiert ^^).
Und dennoch rege ich mich heute wieder über ein Detail dazu auf: Die Möglichkeit des Bescheißens bei der Abschlussarbeit.
Heute hab ich per Mail eine Anfrage bekommen, ob ich in meinen Hausarbeit schreiben – so geht’s-Ratgebern nicht einen Link zu Ghostwriter-Seiten setzen will. Bei diesem Thema sehe ich wirklich rot. Mittels Ghostwriter können Studierende ihre Abschlussarbeiten für sich schreiben lassen können, statt sie selbst zu schreiben.
Ich habe selbst studiert und meine Bachelor- und Masterarbeit selbstverständlich auch selbst geschrieben. Diese Arbeiten sind die Abschlussarbeiten und sozusagen das „Meisterstück“ für den jeweiligen Studiengang.
Im Gegensatz zum Abitur kann man hier allerdings recht leicht bescheißen (ich schreibe absichtlich nicht „schummeln“, das klingt zu niedlich): Man hat, je nach Studiengang, sechs Wochen bis zu drei Monaten Zeit für die Anfertigung der Arbeit. Am Ende reicht man sie ein und sie wird benotet. Kann man kontrollieren, wer die Arbeit geschrieben hat? Kaum.
Kein Wunder, dass es bei sowas oft Plagiatsvorwürfe gibt, wenn das Abschreiben oder Jemand-anderen-schreiben-lassen so einfach ist. Das Problem liegt einfach in der Natur der Sache.
Wie Doping, nur schlimmer
Aber nun stell dir mal vor: Im Sport ist Doping zurecht verboten. Sonst ist es ja kein fairer Wettbewerb. Und da geht es „nur“ um eine Leistungssteigerung. Beim akademischen Ghostwriting geht es um den kompletten Austausch der Person!
Stell dir mal vor: Jemand schreibt mit Mühe und Not seine Bachelorarbeit, vielleicht mit einem Nebenjob, aber auf jeden Fall unter Stress und Sorgen. Und stell dir vor, derjenige kriegt für seine Leistung eine 2. Und nun stell dir vor, so ein BWL-Justus nutzt sein Papa-Geld und lässt jemand anderen die Arbeit schreiben. Dafür kriegt er eine 1 – weil die Ghostwriter eben viel Erfahrung haben.
Der eine erarbeitet sich durch Leistung, mit allen Strapazen, die damit einhergehen, eine Note. Der andere kauft sich einfach die Bestnote. Das ist problemlos möglich (wenn man das nötige Kleingeld dafür hat).
Und am Ende führt das dazu, dass BWL-Justus ein besseres Abschlusszeugnis und möglicherweise einen besseren Job bekommt? Dafür, dass er tausende Euros Geld für die Scheiß-Ghostwriter ausgegeben hat und IN SEINER GOTTVERDAMMTEN ABSCHLUSSPRÜFUNG BESCHISSEN HAT?!
Das ist im allerhöchsten Maß unethisch und unfair. Ich habe nur Verachtung übrig für alle, die das in Anspruch nehmen, und die als Ghostwriter so einen Betrug ermöglichen. Disclaimer: Ghostwriting ist nicht illegal. Strafbar ist es aber, die Arbeit eines anderen als seine eigene Prüfungsarbeit auszugeben. Streng genommen darf man sie aber als „Mustervorlage“ für seine eigene Arbeit nutzen.
Gründe für einen akademischen Ghostwriter
Es mag Einzelfälle geben, in denen man aus Verzweiflung Hilfe sucht für seine Arbeit. Dafür ist eigentlich der Dozent da, er kann einem Hinweise geben. Es kann auch sowas wie Schreibblockaden geben, oder auch persönliche Tragödien, die während der Bearbeitungszeit für Ablenkung sorgen. Sowas kann es geben, und es kann unter Umständen rechtfertigen, dass man sich einen Anstoß geben lässt. Will ich nicht bestreiten.
ABER: Die Screenshots oben hab ich von einer der Websites, auf der man einen Ghostwriter engagieren kann. Dort steht nichts von persönlichen Tragödien (und auch nichts von strafbar). Stattdessen ist da die Rede davon, dass man sich dank der Ghostwriter aufs Wichtige konzentrieren kann: Freunde treffen, Reisen planen, von der Zukunft träumen (wobei eine gute Note hilfreich sein kann).
Diese Sätze triefen nur so von „Sei kein Proletarier. Du brauchst nicht arbeiten, lass dein Geld arbeiten. Lass dir nicht von einer schlechten Note die Aussicht auf deinen verdienten Managerjob später verderben.“ Ich meine – WHAT THE FUCK. Ich hab da einen dicken Brechreiz.
Eine kleine Einschränkung hab ich noch: Ich hab Geisteswissenschaften (Geschichte & Archäologie) studiert, da schreibt man ständig solche Arbeiten. Wir sind also in Übung. Es gibt Fächer, in denen man das nicht lernt. Da ist die Bachelorarbeit die erste schriftliche Abschlussarbeit im Studium. Ich verstehe, dass das schwierig ist, und sogar unfair. Das ist aber ein Problem des Studienfachs und es betrifft ALLE Studierenden in diesem Fach.
Einen Ghostwriter zu nutzen kann hier also direkt die Konkurrenz ausschalten, weil man sich einen Vorsprung zu den ehrlichen bzw. weniger wohlhabenden Kommilitonen verschafft. Es bleibt also falsch und sehr unfair.
Das System ist nicht mehr zeitgemäß
Das Problem liegt im System. Wo beschissen werden kann, wird das auch gemacht.
In eine ähnliche Richtung geht auch, dass es an manchen Seminaren möglich und üblich ist, die Abschlussarbeit erst dann anzumelden, wenn sie bereits fertig ist. Wer es sich also leisten kann, schreibt einfach in Ruhe monate- oder jahrelang daran, und wenn er fertig ist, meldet er sie an. Dann erst beginnt die offizielle Zeit zu laufen, und dann kann man die Arbeit abgeben.
Ich hab damals Bafög bekommen, aber nur, wenn ich in Regelstudienzeit fertig werde. Also blieb mir nichts übrig, als „nur“, wie vorgesehen, die offiziell nutzbare Zeit für die Arbeiten zu nutzen. Mit allem Stress, allen Versagensängsten, Zukunftssorgen (was kommt nach dem Abschluss?) und natürlich dem Nebenjob dazu. Und konnte zusehen, wie andere einfach wirklich EWIG an ihren Abschlussarbeiten feilen.
Klingt wie Gejammer – aber ich bin stolz darauf, dass ich es gut hinbekommen habe. Nun kann ich mich für den Rest meines Lebens darauf berufen, dass ich mir keine Vorteile verschafft habe. Dadurch hab ich jedes Recht, hier so zu fluchen :)
In Zukunft kommt neben all den bereits bestehenden Möglichkeiten des Betrugs noch die Nutzung von KI-Programmen wie ChatGPT dazu. Am Ende ist die Abschlussarbeit, wie wir sie bisher kennen, einfach nur noch eine ausgehöhlte Nullnummer.
Einige wenige versauen den Ruf aller
Man könnte ja sagen: Mir egal, ich habs ja richtig gemacht. Und gut ist. Aber ich hab schon gemerkt, dass ehrliche Arbeiten unter einen Hut mit Betrügern fallen kann. Vor einer Weile hatte jemand auf Discord darüber geklagt, dass er große Probleme mit seiner Masterarbeit hat. Ein anderer, der nicht an der Uni war, sagte einfach dazu: „Lass doch deine Arbeit einfach schreiben, macht doch eh jeder“.
Das lässt bei mir einige Sicherungen durchbrennen. Die Bescheißerei einiger schwarzer Schafe wertet das gesamte Studium ab, weil nach außen hin die Überzeugung besteht, dass Studenten faul sind und sich alles hinterher tragen lassen. Und am Ende bescheißen sie noch, um eine hochdotierte Stelle zu bekommen und den echten Leistungsträgern Vorschriften machen.
Und deswegen triggern mich solche Ghostwriter-Angebote immer wieder. Und das wollte ich mal stehen lassen ^^
Artikelbild Credits: Depositphotos
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