Es folgt eine kurze Geschichte über die nobelpreisträchtige Argumentationsweise der Zeugen Jehovas.
Letzten Samstag morgen wurde ich von Zeugen Jehovas aus dem Bett geklingelt. Weil ich im Morgenmantel aufgemacht habe, haben sie eingesehen, dass ich weniger zu Diskussionen aufgelegt bin und haben mir nur ihre aktuelle Ausgabe des „Wachtturm“ (1. April 2012) in die Hand gedrückt. Es sei vorweg geschickt, dass ich grundlegend nichts gegen Zeugen Jehovas habe und mich auch mit Witzen darüber zurück halte, immerhin sind das normalerweise freundliche Leute und sie quatschen einen nicht an um einen zu ärgern, sondern weil innerhalb ihrer Gemeinschaft diese Missionstätigkeit erwartet wird.
Davon abgesehen gibt es Schöneres, als von Zeugen Jehovas an die Wand gequatscht zu werden, aber trotzdem kann man ihnen auch freundlich die Tür vor der Nase zuhauen ^^
Unwiderstehliche Argumentationstaktik
Jedenfalls, wo ich drauf raus will – der „Wachtturm“ lag nun eine Woche irgendwo herum und eben habe ich ihn ausgepackt, weil die ADAC Motorwelt leider verschwunden ist und auch sonst nichts zum Lesen beim Essen da war. Diese Ausgabe trägt den Titel „Antworten auf unsere Fragen“ und beschäftigt sich mit Fragen, die man evtl. berechtigterweise an die Bibel/die Religion hat, wie zB. ob Jesus wirklich gelebt hat, ob er der Messias gewesen sei und ob er wirklich von den Toten auferstanden ist.
Als angehende Historikerin, die sich mit Quellenanalyse und -kritik beschäftigt und somit zwangsläufig ein berufliches Interesse an diesen Dingen hat, und weil diese Fragen mich sowieso schon immer interessiert haben – oder eher natürlich: die Antworten darauf ^^ – musste ich mir das einfach durchlesen.
Ohne jetzt lästern zu wollen oder so, aber die Argumentationen sind wirklich der Hammer. Für mich, weil ich an der Uni meine Argumentationen wirklich sorgfältig untermauern und belegen muss, war das eine echte Lachnummer, und ich kann mir fast nicht vorstellen, dass jemand anderes diese Argumentation glaubhaft akzeptiert. So gut es auch gemeint ist von den Zeugen…
Die Argumentation beruht auf folgender Grundlage: Die Bibel kommt von Gott -> deswegen ist die Bibel wahr und alles was drin steht, war auch wirklich so. Frage und Antwort folgen also diesem Schema: „Stimmt das, was in der Bibel steht? – Ja, es stimmt, weil es in der Bibel steht.“ <- I loled .. ^^
Fragen und ihre Antworten
Frage: „War Jesus der verheißene Messias?“ – „Ja. […] Es gibt drei Beweislinien, die zusammengenommen wie ein Fingerabdruck auf nur eine Person hindeuten.“ Es folgen einige Bibelzitate, in denen „bewiesen“ wird, dass nur Jesus der Messias sein kann, weil verschiedene frühere Prophezeiungen ihn angekündigt haben und weil er auch von Gott bestätigt wurde. Kurz: Ja, Jesus war der Messias, weil es in der Bibel steht oO – Natürlich steht es da, das ist doch ein elementarer Bestandteil der Bibel?
Frage: „Kann man wirklich glauben, dass Jesus von den Toten auferweckt wurde?“ – „Ja. […] Gibt es glaubhafte Beweise für Jesu Auferstehung?“ Wieder das Gleiche, Bibelzitate, in denen steht, dass Paulus sagt, dass Jesus nach seiner Auferstehung mindestens 500 Leuten erschienen sei und man kann doch keine 500 Zeugen ignorieren?! (so schreibts der Wachtturm..) könne. Und außerdem hätten seine Jünger davon berichtet, und die wissen doch wohl, was wirklich passiert ist. … Wie überraschend, sie stellen der Bibel die Frage nach Jesus und stellen fest, dass die Bibel sagt, dass Jesus auferstanden ist oO Damit hätte man ja gar nicht gerechnet.
Und last but not least die folgende Frage:
Frage: „Hat Jesus wirklich gelebt?“ – „Ja, Geschichtsschreiber aus dem 1. Jahrhundert wie Josephus und Tacitus bestätigen Jesu Geschichtlichkeit.“ Also erst mal Applaus für „Jesu Geschichtlichkeit“ – sensationell :D Dann zweitens ein leises Bravo für Tacitus und Josephus. Das sind tatsächlich zwei Geschichtsschreiber, deren Texte zum Teil überliefert sind. Natürlich könnte man auch diese Autoren bzw. ihre Texte anzweifeln, aber der entscheidende Unterschied ist, dass auf Tacitus und Josephus keine Weltreligion begründet ist und die beiden sich auch nicht als Propheten gesehen haben und von Wundern gekündigt haben, also kann man zweifeln oder es auch lassen, es macht keinen großen Unterschied. Jedenfalls – ich hätte mir ja die Mühe gemacht und die entsprechenden Textstellen über Jesus bei den beiden Autoren nachgeprüft, – wenn sie denn angegeben wären. Ein maßloser Faux-Pas – Behauptungen aufstellen und die dann nicht belegen ^^ Leider muss man also die Aussage hinnehmen und entweder glauben oder auch nicht – aber die Glaubwürdigkeit hat mangels Beleg schwer gelitten.
Folgen wir der Argumentation weiter. „Noch wichtiger ist das Zeugnis der Evangelien. Sie liefern überzeugende Beweise, dass Jesus keine fiktive Gestalt, sondern eine historische Person war.“ Ergo: Ja, Jesus hat gelebt, es steht ja so in der Bibel, und Texte außerhalb der Bibel, die Querverweise bieten (?), sind erstens unwichtiger als die Bibel selber und zweitens soll niemand nachprüfen können ob das stimmt.
Fazit
Also ich weiss nicht sicher, wen genau man mit solchen Argumentationen überzeugen will. Vielleicht sind sie ja glaubhaft, wenn man selbst ganz und gar daran glaubt, was in der Bibel steht, aber warum sollte man einen Überzeugten überzeugen? Jemand der nicht daran glaubt, wird nicht grade offener für solche Geschichten, wenn man als einzige Quelle eben jenes Buch heranzieht, das man als nicht gerade objektiv anerkennt…
Mal davon abgesehen, dass der Text der Bibel bis zum heutigen Stand während der letzten 2000 Jahre vermutlich viele hundert Male abgeschrieben und wissentlich oder unwissentlich verändert wurde und man somit allein deswegen jede einzelne Aussage kritisch betrachten muss.
Schreibe einen Kommentar