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Der Untergang des Abendlandes: „Wir melden uns“

Symbolfoto: Call Center Agent

Zeit für einen kurzen Rant. In den letzten Wochen haben wir uns wegen unseres Wasser-sprudelt-volle-Kanne-ins-Bad-Abenteuers wirklich die Ohren wund telefoniert. Wir brauchten Leute, die anpacken und handfeste Probleme lösen. Da helfen Mails erfahrungsgemäß meist nicht: Anrufen ist das Gebot der Stunde.

Ich tätigte also Anruf nach Anruf, und sooo oft habe ich gehört: “Wir melden uns.” Mittlerweile weiß ich: “Wir melden uns” heißt übersetzt: “Vielleicht melden wir uns, wahrscheinlich aber nicht, rufen Sie in ein paar Tagen nochmal an, um die Dringlichkeit zu verdeutlichen”.

Ist wirklich so. Wenn mir einer am Telefon sagt, er werde sich melden, bin ich mir sicher, dass das das beste Anzeichen dafür ist, nie wieder von ihm zu hören.

Ich will es mal kurz aufdröseln.

Die Sanitärmenschen der Umgebung haben gerade eine harte Zeit. Urlaubszeit und hoher Krankenstand bedeutet: “Ich schau nach und wir melden uns”. Das war so, als wir das akute Problem mit dem Durchlauferhitzer hatten und jemanden brauchten, der das Ding ordentlich abklemmt, damit wir wieder Wasser im Haus haben. Also Wasser, das nicht im Bad rumspritzt und in den Keller sickert.

Der eine sagte ehrlicherweise sofort kategorisch “Nein, keine Zeit”. Mehrere andere: “Wir prüfen, wann wir kommen können und melden uns”. Nur ein älterer Klempnermeister mit Gehstock und „Rücken“ von weiter weg bot an, sofort vorbeizukommen. Bester Mann.

Neuer Durchlauferhitzer: Wir melden uns

Das war auch danach so, als ich dann wegen Angeboten für die Installation eines neuen Durchlauferhitzers rumtelefonierte. “Wir melden uns”.

Symbolfoto: Call Center Agent

Ich hatte bei drei Unternehmen angefragt, einfach, um einen besseren Überblick über die üblichen Preise zu bekommen. Irgendwann dann auch zusätzlich per Mail.

Zwei der drei Firmen sandten uns dann Angebote per Post zu. Ich mein, heutzutage ginge es doch per Mail günstiger und vor allem schneller? Nein, es muss die Post sein. Vielleicht bin ich einfach zu ungeduldig, aber kalt duschen macht nicht sooo viel Spaß und persönlich sehe ich irgendwie keinen Grund, warum man alles so lange rauszögert, wenn man doch einfach eine Mail schreiben kann?

Leider kam das beste Angebot – natürlich per Post – erst an, als wir die Installation tatsächlich schon hatten vornehmen lassen. So bitter.

Wasser in der Zwischendecke: Wir melden uns

Dann die Trocknungsgeschichte. Also sprich, die Nachwirkungen des geplatzten Durchlauferhitzers, siehe oben. Wasser in der Etagendecke ist nie schön. Darum sollte man sich schnell kümmern. Deswegen hat die Versicherung auch umgehend eine Trocknungsfirma informiert, die sich dann wegen eines Termins bei uns melden sollte.

Ein Tag verging, das Wochenende kam und ging, der Montag kam. Nachmittags hatte sich noch niemand gemeldet. Ich rief bei der Versicherung an, was nun Sache sei. “Ich frage nach und melde mich”. Das tat sie wohl auch, denn kurz darauf rief die Trocknungsfirma an und vereinbarte einen Termin zur Begutachtung für den kommenden Tag.

Der Trocknungsmensch kam, maß die Feuchtigkeit und schilderte mir den notwendigen Ablauf der Dinge: “Wir schicken ein Angebot an die Versicherung, die muss das bewilligen”. Per Post, natürlich. “Danach kommen wir mit den Geräten zur Trocknung.”

Mehrere Tage gingen ins Land. Die Versicherung bewilligte – ich hatte angerufen. Ich rief danach die Trocknungsfirma an, das Angebot sei bewilligt. Die Firma: “Wir melden uns”. Drei Tage später rief ich bei der Trocknungsfirma an. Die Firma: ”Wir haben Ihnen das Auftragsschreiben zugeschickt, wir benötigen es unterschrieben zurück”. Per Post hin, per Post zurück.

Okay, das Auftragsschreiben war dienstags da. Ich dachte, komm, versuchs einfach, und scannte das unterschriebene Ding ein. Ab per Mail – vielleicht geht es ja schneller. Mittwochs schickte ich es auch noch per Post ab. Nein, es ging nicht schneller

Freitags rief ich an – mittlerweile zwei Wochen nach dem Wasserschaden. “Ja, Ihr Auftrag ist heute eingegangen. Wir melden uns wegen einem Termin.” 

Der Montag kam und ging, keiner meldet sich. Dienstag rief ich an. Mehrmals. Niemand nahm ab. Kennst du das Frustgefühl, wenn du dich kaum auf deine eigentliche Arbeit konzentrieren kannst, weil du STÄNDIG etwas anderem hinterherrennen musst?

Verzweifelt schrieb ich doch wieder eine Mail. Daraufhin ein schneller Rückruf und ein Termin für den Trocknungstechniker am Freitag.

Am Freitag kam der Techniker und installierte die Trocknungstechnik im Keller. Die lief bis Sonntag, dann nicht mehr. Also Montag wieder Telefonterror bei der Trocknungsfirma. Nur, dass die Störungshotline nach dem Wählton gar nicht weiterroutete und auf der bisherigen Nummer niemand abhob. Also bei zwei Rufnummern kein Erfolg, mehrmals.

Am Dienstag versuchte es Pierre und rief noch eine deutschlandweite Nummer der Firma an. Dort ging jemand ran, und: “Wir melden uns”.

Und oh Wunder! Es meldete sich tatsächlich jemand: Der Techniker, der alles installiert hatte. Das Gerät müsse wohl ausgetauscht werden. Er müsse aber erstmal Rücksprache mit dem Chef halten. “Ich melde mich”.

Er meldete sich nicht. Ich meldete mich am Tag darauf, heute. Was denn nun sei mit dem Austausch. “Hat sich mein Chef nicht bei Ihnen gemeldet?” NEINNEINNEINNEIN hat er nicht, GOTTVERDAMMT. “Okay, ich sag ihm nochmal Bescheid und melde mich”. NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN T_T

Aber doch, tat er wirklich. Kommt morgen vorbei und tauscht aus.

Meine Güte, war das alles frustrierend. Dieses ständige Telefonieren. Keine Infos zu bekommen. Das Warten im Ungewissen, ob jetzt jemand anruft oder nicht (“Kann ich schnell Zähneputzen oder verpasse ich dann den Rückruf?”). Der Frust zu wissen, dass etwas noch immer nicht erledigt ist, obwohl man es schon so oft versucht hat. 

Und natürlich der Frust darüber, dass immer alles auf dem gottverdammten Postweg erledigt werden muss, der nochmal extra Zeit kostet, während es sich das Wasser in der Wand gemütlich macht. 

Kaminholz liefern: Wir melden uns

Dann noch die Sache mit dem Holz. Das ist eher eine Kleinigkeit, aber trotzdem. Darum hatte sich Pierre gekümmert. Er rief bei einem Kleinunternehmen an, das Holz verkauft. “Wir müssen schauen, ob wir das passende Holz haben und wann wir es liefern können. Wir melden uns.” 

Sie meldeten sich nicht. Pierre rief wenige Tage später nochmal an. “Sorry, leider wissen wir noch nicht Bescheid, wir melden uns so schnell es geht”.

Mittlerweile, drei Wochen später, haben wir einen quasi fast benachbarten Landwirt gefunden, der Holz verkauft. Und zwar deutlich günstiger als der andere Anbieter. Ein Hoch auf die Bauern – der kriegt natürlich einen ordentlichen “Schön, dass das auf Anhieb funktioniert!”-Zuschlag :D 

Dann, mehrere Wochen nach den beiden Anfragen beim anderen Anbieter: Er meldet sich. Pierre sagte, das Gespräch wäre ihm unangenehm, aber ein bisschen schadenfroh war er auch. Nach all dem “Wir melden uns” war es schön, auch mal zu sagen: “Wir brauchen nicht”.

Kennst du das Drama auch, wenn du niemanden erreichen kannst und nicht weißt, was denn nun ist? Wenn dir versprochen wird, dass man sich meldet, aber niemand meldet sich? Wenn du die Dinge einfach nicht erledigen kannst und sich alles ewig hinzieht?


Artikelbild Credits: Depositphotos

Kommentare

2 Antworten zu „Der Untergang des Abendlandes: „Wir melden uns““

  1. Maxi

    Hallo Lucyda,
    der Blogeintrag beschreibt, finde ich, sehr gut das, womit ich mich auch als selbstständiger Steuerberater/Buchhalter in krasser Form jede verdammte Woche beschäftigen muss: kurzgesagt BÜROKRATIE im Ganzen.

    Mit Handwerkern/Versicherungen fürs Haus oder sowas wie Holz muss ich mich zum Glück als Mieter noch nicht so viele Gedanken machen, dafür umso mehr mit Ämtern^^

    Bewusst angefangen hat dieses Drama bei mir damals an der Uni mit BAföG. Ich habe da sage und schreibe fast DREI MONATE gewartet bzw. telefoniert, E-Mails geschrieben, mehrmals. Alles wenig geholfen, mir wurde immer gesagt, wir kümmern uns drum, wir geben Bescheid, nie wurde mir Bescheid
    gegeben. Immer hab ich dann nach einiger Zeit selbst nachgehackt und, weil ich noch keinen Nebenjob damals hatte, musste ich dann bei meinen Eltern anklopfen, zu denen ich genau zu der Zeit ein angespanntes Verhältnis hatte aus verschiedenen Gründen.
    Aber nächsten Monat bekomm ichs dann^^
    Tja, und nächsten Monat immer noch nix :( und wieder fragen. Das war ziemlich frustrierend und vor allem nervenaufreibend.

    Als ich dann bei der Arbeit selbstständig wurde, war mir zwar klar, dass man sich viel mit dem Finanzamt beschäftigen muss (liegt irgendwie am Job^^). Aber, wenn ich aktuell am Tag so 6-7h arbeite, verbringe ich locker fast 2h davon rein mit telefonieren und man erwischt oft nie die Person, die man haben will oder hängt in der Warteschleife: „Der Kollege ist grad aktuell für 2 Wochen im Urlaub“ „Die Frist läuft aber Ende der Woche ab.“ da frag ich mich: Ja, Ist etwa der PC des Mitarbeiters absolut unzugänglich für alle anderen Mitarbeiter oder hat einfach keiner die Muße dazu, sich damit zu beschäftigen. Meistens kommt dann sowas wie: „Wir versuchen ihn zu kontaktieren. (im Urlaub, ohne Rechner, NA KLAR, warum nicht???) Und vielleicht meldet er sich dann bei Ihnen.“ Da ist noch nie was zurückgekommen in so einer Situation, wenn man schon „vielleicht“ hört. :(
    Und, wenn was kommt, natürlich per Post. Bei den Grundsteuererklärungen z.B. schickt man sich das dann auch teilweise wochenlang die Zettel hin und her :( wegen Verbesserung, wenn was nicht passt.

    Ich hab auch ne 88 – JÄHRIGE OMA als Mandantin, die mir ALLES per Mail schickt und dann kommt das öffentliche Finanzamt mit FAX und Post um die Ecke. Finde einer den Fehler.

    Sorry, aber ich kann mich das Thema doch ein bisschen aufregen^^
    Beste Grüße

    1. Lucyda

      Hey Maxi!
      Danke für deinen Kommentar :D Poah, was du beschreibst, würde mich in den Wahnsinn treiben. Mir reicht es völlig, 1-2x im Jahr so eine frustrierende Phase mit „Hinterher-Telefonieren“ zu haben. Wenn das täglich so viel Zeit in Anspruch nehmen würde, würde meine geistige Gesundheit sich bald endgültig verabschieden… Du musst ja echt geduldig sein. Also bei all dem frag ich mich wirklich, ob unsere Gesellschaft fit fürs 21. Jahrhundert ist. Viel zu viel läuft noch in völlig veralteten Bahnen, gerade das Hin-und-Her-Gesende von Briefen. Bei manchen Briefen mag es ja halbwegs verständlich sein, wegen Einschreiben und/oder Mail ist zu unsicher. Aber gerade bei sowas wie „Es fehlt noch Unterlage X“ oder „Ihr Antrag ist eingegangen“ – diese Info muss man doch nicht ausdrucken, in einen physischen Umschlag stecken, 80 ct draufkleben (oder 85? ^^), mit LKWs herumfahren lassen und dann von einem Menschen physisch herumtragen lassen. Was das Ressourcen frisst! Eine kurze Mail wäre doch auch gegangen T_T

      Zum Thema Bafög, da sprichst du was an. Ich hatte damals tatsächlich 7 Monate warten müssen. Es war ein Drama und hat unendlich gestresst. Mehrere Monate hab ich nur vom Dispo gelebt und am Ende Nudeln ohne alles gegessen, weil einfach das Geld nicht reichte. Da waren immer wieder Unterlagen verschwunden und Infos über fehlende Unterlagen kamen immer auch einfach Wochen später erst. Ich hab aus der Not eine Tugend gemacht und drüber geschrieben: https://www.lucyda.de/journal/anekdoten/die-bafog-hexe-from-hell/ Liest sich ganz gut ^^

      Bis bald,
      Lucyda

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