Nur kurz erzählt: Die Uni Heidelberg ist ziemlich groß, und ihre Bestandteile sind über die ganze Stadt verteilt. Die Geisteswissenschaften, wie zB. auch mein Fach, befinden sich eher in verschiedenen Gebäuden der Altstadt, während Medizin und Naturwissenschaften mehr in einem ziemlich großen Campus-Gelände, dem Neuenheimer Feld (kurz: „Feld“) am anderen Ende der Stadt angesiedelt sind. Und jedes Institut und jedes Seminar hat seine eigene Bibliothek.
Wenn man nun seine benötigten Bücher aus verschiedenen Bibliotheken zusammenklauben muss, kann das unter Umständen mit einer kleinen Weltreise verbunden sein.
Ich hatte schon oft die Freude, in einer der Institutsbibliotheken zu sitzen, einen Hinweis auf irgendein anderes Buch in einer Fußnote zu sehen und dann festzustellen, dass das Buch in einer der anderen Bibliotheken steht. Heisst: Sack und Pack zusammenräumen und in die andere Bibliothek umsiedeln, um dort das Buch anzuschauen. Manchmal ist es nur ein Stockwerk, manchmal ein Gebäude und manchmal die ganze Stadt.
Nun ist es so, dass ich aus der Zeitschrift „Heidelberg. Jahrbücher zur Geschichte der Stadt“ einen Artikel zum Thema Altstraßen in Heidelberg dringend benötigte. Im Online-Katalog der Uni-Bib findet man die Info, wo dieses Buch zu finden ist. Ein Exemplar ist zum Ausleihen, wäre aber die nächsten zwei Monate nicht verfügbar, ergo: zu spät für mich.
Das zweite Exemplar befindet sich – und da trifft mich fast der Schlag – in der Präsenzbibliothek bei den Medizinern im „Feld“.
Ich hatte es schon, dass ein anderes Buch zur Itinerarforschung (Altstraßen) bei den Juristen irgendwo steht. Bisher habe ich mich geweigert, hinzugehen, aber das wird leider auch noch fällig sein :( Immerhin sind die Juristen auch in der Altstadt, und nicht da drüben bei den Naturwissenschaften.
Also heute Zähne zusammengebissen, in den Bus gestiegen und ins „Feld“ gejuckelt. All diese jungen Leute, die zu ihren Medizinvorlesungen strömen, oder zu irgendwelchen Physikexperimenten, oder – Gottt bewahre! – Mathematik! Und überhaupt. Dort ist alles chaotisch, die Gebäude sind alle hässlich und man kann sich kaum zurecht finden. Und fremde Bibliotheken sind sowieso die Hölle.
Nun denn. Glücklicherweise habe ich das Gebäude, das versteckt hinter zwei anderen Gebäuden liegt, recht schnell gefunden. Aber innen war alles sehr suspekt. Ich suchte eine Treppe zum OG, und stellte fest, dass ich falsch bin.
Also wieder zurück. Ah, ein weiteres Schild.
Ja, in genau dieses Institut wollte ich. Fand es schließlich auch, irgendwie sehr abgeriegelt vom Rest des Gebäudes. Ein winziges Institütchen, mit einer Bibliothek, die über Mittag geschlossen ist! Mit 5 Schließfächern, von denen alle frei waren! Na, das sieht bei uns aber anders aus. Kein Mensch dort, nur eine nette Dame, die sich wohl freute, dass sich mal jemand herverirrt, und mir freundlich zur Hilfe eilte.
Zufälligerweise fand ich mein Buch mit dem Titel „Jahrbücher zur Geschichte der Stadt Heidelberg“, ich betone: GESCHICHTE DER STADT, eingezwängt zwischen einer Zeitschriftenreihe zur Geschichte der Tuberkulose und irgendeiner anderen Medizingeschichte. Welchem merkwürdigen Zufall ist es wohl zu verdanken, dass das Buch sich dorthin verirrt hat?
Auf der Suche nach einem Scanner stieß ich auf dieses Relikt der Alten Geschichte und wurde anschließend glücklicherweise von der netten Dame, die sich auf die Suche nach mir gemacht hatte, wieder aus den Buchreihen gefischt und zum Scanner gewiesen.
Fünf Minuten später verließ ich das Gebäude, mit dem Scan im Gepäck und dem Gefühl, dass das „Institut für Geschichte und Ethik der Medizin“ ein ziemlich ungeliebter kleiner Bruder der „echten“ Mediziner ist. Zurück in die Altstadt. Da ist es sicher!
Nachdem ich nun auf diese Weise einem Hinweis aus einer Fußnote derartig „zu Fuß“ nachgegangen bin, bekommt das Wort „Fußnote“ irgendwie eine ganz neue Bedeutung.
Aber ich fasse es als Privileg auf. In 20-30 Jahren gibt es keine Bücher mehr und alles ist online verfügbar. Dann braucht man sich gar nicht mehr bewegen. Niemand wird sich mehr vorstellen können, wie es ist, in echten Büchern zu blättern und in 23 unterschiedlichen Bibliotheken zu sitzen, um dort die Literatur zu durchwühlen. Ungefähr so, wie ich mir heute unter keinen Umständen vorstellen kann, dass man vor 20-30 Jahren komplett manuell gearbeitet hat, ohne Online-Kataloge, sondern mit irgendwelchen „Zettelkatalogen“, von denen ich bis heute nicht verstanden habe, wie sie funktionieren. Damals hatten sie noch richtig Eier :D
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