Wie kann man leicht völlig sinnlos richtig viel Geld aus dem Fenster werfen? London: Ja, f*ck you :) Das hier ist ein Erfahrungs- und Leidensbericht, der aber vorläufig dank Brexit ein gutes Ende nimmt. Es geht um eine, bzw. um zwei Umweltzonen im Londoner Stadtgebiet. Die Tagespauschale beginnt bei 300 Pfund Sterling, ja, du hast richtig gelesen, bei rund 340 € – für EINEN TAG.
Diese Geschichte wird gefühlvoll, auch mit ein bisschen Mimimi versetzt – wenn du willst, lies dir den Kram durch, du erfährst, warum wir „UK’s most wanted“ sind ^^ Denn wenn wir vor Verjährung dieser Affäre wieder einen Fuß auf britischen Boden setzen, können wir ein- und abkassiert werden.
Okay, ich will hier gar nicht großspurig werden. Wir hatten einfach unglaublich Glück, dass das Vereinigte Königreich aus der EU ausgetreten ist, sonst hätten wir alles bezahlen müssen. Denn theoretisch sind sie im Recht und wir wären selbst schuld gewesen.
Spoiler – Hat Google dich hergeschickt, weil du selbst Post aus London hast und freundlich aufgefordert wurdest, 1200 €, 2400 € oder sogar 3600 € zu bezahlen? Dann atme erstmal tief durch. Seit dem 1.01.2021 kann Großbritannien keine Geldstrafen mehr bei EU-Bürgern einfordern. Das ist auch heute, zwei Jahre später noch so. Ich hatte dazu bei frag-einen-anwalt.de nachgefragt und die beruhigende Antwort erhalten: Aussitzen, bloß nicht bezahlen.
tl;dr
Einführung in die London Low Emission Zone-Thematik
Was ich hier schreibe, hätte dem Geldbeutel sehr weh tun können. Es ist ein Erfahrungsbericht und dient einerseits dazu, andere davon abzuhalten, denselben Fehler zu machen. Und andererseits, dir und andere, die den Fehler schon gemacht habe, Erfahrungen und Erkenntnisse dazu bereitzustellen.
Was war der Fehler?
- Mit einem KFZ zu dicht an London vorbei zu fahren.
- Nicht vorher zu schauen, ob es da Einschränkungen für Autos geben könnte.
- Zu geizig für die Autobahnmaut zu sein.
- Und dann, in der Situation: Zu sagen, okay, wird schon nicht so schlimm sein.
Aber erstmal die Fakten. Wir waren im September mit einem gemieteten Wohnmobil auf großem Roadtrip in Großbritannien unterwegs. Auf der Durchfahrt, bzw. Vorbeifahrt an London vorbei, fuhren wir ungewollt in eine Umweltzone, die Low Emission Zone. Die Details kommen weiter unten.
Jetzt im Januar erhielt die Vermieterin des Wohnmobils Post aus London und wurde aufgefordert, rund 2400 € bzw. 3600 € zu bezahlen. Aufgrund später Zustellung des Schreibens waren unverschuldet quasi alle Fristen zur Zahlung verstrichen.
Und wofür diese Geldstrafe? Für eine rund 20 km lange Strecke, bzw. eine ca. 45 Minuten lange Fahrt durch die Londoner Low Emission Zone. Niemand kam zu Schaden, nichts ist passiert. Wir hätten nur im Voraus die Tagespauschale von 300 Pfund für die Umweltzone zahlen müssen. Wussten wir nicht, haben wir nicht. Und da setzt die Story an.
Wie konnte das passieren? Es sind zwei Abfuck-Geschichten, ein große und eine riesige.
Das Theater um die Low Emission Zone und deren knallharten, nachträglichen Gebühren
London hat zwei Umweltzonen mit Beschränkungen für Fahrzeuge. Die Ultra Low Emission Zone (ULEZ) im Zentrum von London, und die Low Emission Zone (LEZ), die weite Bereiche um die ULEZ herum abdeckt.
Beides wussten wir nicht, als wir im September dort unterwegs waren. Ja, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, das ist mir klar. Wir hätten vorher schauen müssen, was zu beachten ist.
Es gibt zwei Umweltzonen, aber Google zeigt nur eine an
Das hat sich im Voraus aber nicht ergeben: Wir wollten gar nicht nach London, also haben wir auch nicht geschaut, was es in London zu beachten gibt. Wir wollten nur an London vorbei, von Ely im Nordosten nach Canterbury im Südenosten. Wir haben, wie im restlichen Urlaub auch, mit Google Maps navigiert. Am Handy führte uns der kürzeste Weg direkt in die Londoner Innenstadt. Google gibt sogar einen Warnhinweis, dass dieser Weg in die ULEZ führt. Okay, das wollten wir nicht.
Also schauten wir. Etwas weiter östlich hätte es noch die M25 gegeben, eine Autobahn, die Google als mautpflichtig kennzeichnete. Es war ein Fehler, nicht diese Autobahn zu nutzen – im Nachhinein ist man immer schlauer. Es hätte nur 2,50 Pfund gekostet. Aber als wir unterwegs waren, wussten wir das nicht – das hab ich jetzt erst nachgeschaut.
Wir dachten uns nur: Durchs Zentrum geht nicht, da ist Umweltzone. Die östliche Autobahn kostet Maut. Aber wir sind ja Brains, genau entlang der Umweltzone (ULEZ), da führt eine recht große Straße entlang. Der perfekte Kompromiss! Da schleichen wir einfach an London vorbei und weiter geht’s.
Das Problem: Google zeigt die ULEZ an. Aber nicht die LEZ. Wir wussten nicht und wären auch nie drauf gekommen, dass es ZWEI Umweltzonen gibt. Als wir uns London näherten, gab es auch Schilder mit dem Hinweis auf die Low Emission Zone. Wir dachten, das ist die in Google angezeigte Umweltzone, die ULEZ. Und wir dachten, jaja, wenn man da weiterfährt, kommt man in die Umweltzone, aber wir fahren ja nicht rein, wir fahren vorbei.
Absolute Verwirrung vor und während der Fahrt durch die Low Emission Zone
Dann kam zwei- dreimal das Schild: „To avoid Low Emission Zone return via…“ – okay, da kamen uns langsam Zweifel: Gilt das Schild jetzt doch für uns? Aber wir fahren doch gar nicht rein, die Strecke geht vorbei? Ich saß am Steuer und Pierre prüfte auf dem Handy, ob wir noch richtig waren. Waren wir – wir waren auf einer großen zwei-dreispurigen Autobahn unterwegs.
Da war nicht viel Zeit zu denken oder gar zu recherchieren, was nun los ist. Umdrehen würde heißen: Eine neue Route raussuchen, wieder ein ganzes Stück zurück und wohl doch über die Mautstrecke. Ja, das wäre besser gewesen, aber das wussten wir damals nicht.
Wir dachten uns: Ach maaan, dann verlieren wir ne Menge Zeit. Und: Was ist denn überhaupt los, was ist denn das mit Ultra Low und nur Low, was passiert hier? Und: Ok, wir fahren ja definitiv nicht in die ULEZ rein, dann kann es ja nicht schlimm sein, oder? Und ja, auch: Wir fahren ganz fix durch, vielleicht werden wir nicht erwischt.
Auf den Schildern stand NICHT: Die Einfahrt in die LEZ kostet 300 Pfund am Tag. Was meint ihr, wie schnell wir umgedreht hätten, wenn die Schilder nur den kleinsten Hinweis darauf gegeben hätten, wie teuer das ist?
Und auch nochmal zum Verständnis: Man kommt nicht in die LEZ rein, wenn man die Autobahn verlässt. Man kommt automatisch in die LEZ rein, wenn man auf der Autobahn bleibt.
Dann waren wir also drin, in der LEZ. Während ich zügig weiterfuhr, versuchte Pierre herauszufinden, was nun los ist. Er fand heraus, dass es tatsächlich zwei Zonen gibt. Dann versuchte er herauszufinden, was wir tun können, um keinen Ärger zu bekommen. Er durchkämmte mehrere Seiten. Die für die LEZ zuständige Seite Transport for London half ihm nicht weiter. Dort gibt es keine Liste, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um kostenfrei durch die LEZ zu kommen.
Auf der TfL-Seite kann man aber anhand des Nummernschildes sein Fahrzeug prüfen und einordnen lassen. Ja, wenn man da ein deutsches Kennzeichen eingibt, erscheint da, dass es nicht erkannt wird und man möglicherweise bezahlen muss. Wtf? Wie unhilfreich kann eine Website sein?!
Wir erfuhren auch von den extrem hohen Tagespauschalen für die Fahrt in die LEZ. 300 Pfund für EINEN Tag?! WAS? Auch für uns, mit unserem ganz normalen 3,5 t Wohnmobil mit Abgasnorm IV? Neee, das kann nicht sein. Pierre las dann noch, dass es noch viel teurer werden kann, wenn man die Gebühr nicht innerhalb von drei Tagen bezahlt. Ja… aber wir wussten ja noch gar nicht, ob wir betroffen sind. 300 Pfund als Tagesticket für eine Straße..?!
Und: Man wird in der LEZ auf jeden Fall erwischt. Kameras überwachen 24/7 die Straßen. Sie überprüfen jedes Kennzeichen. Pierre registrierte dann das Wohnmobil, während wir durch die LEZ fuhren, als Zeichen des guten Willens.
Pierre googelte weiter. Auf der Seite vom ADAC fand er heraus, dass sich alle Fahrzeuge über 1205 kg, die nicht in UK zugelassen sind, vor der Einfahrt in die LEZ registrieren müssen. Das kann 10 Tage dauern.
Ja, gut. Der Zug war also abgefahren. We are fucked. Vor 10 Tagen hatten wir ja noch gar nicht gewusst, dass wir da langfahren werden. Das hatten wir erst wenige Stunden vorher entschieden.
Nach der Durchfahrt der LEZ: Schnell noch 300 Pfund bezahlen?
Das war dann unser Stand an diesem Tag: Für die Fahrzeugregistrierung war es zu spät. Unser Wohnmobil ist entweder betroffen oder nicht betroffen, das wussten wir nicht. Und wir hatten nun drei Tage Zeit, 300 Pfund zu überweisen.
Wohlgemerkt: Das mit den drei Tagen wussten wir nur, weil wir uns die Information mühsam von der Internetseite zusammengesucht haben. Auf der Straße selbst gab es dazu keinerlei Hinweise.
Wir haben es nicht getan. Wir konnten nicht recht glauben, dass es wirklich so teuer ist, diese Strecke zu fahren. Unsere Urlaubskasse war zu diesem Zeitpunkt am Ende der Reise schon mehr als überzogen. Und wir dachten auch, vielleicht können sie es durch den Brexit nicht durchsetzen.
Wir hatten zudem auch gelesen, dass man manchmal mit einem blauen Auge davon kommt, wenn man der TfL-Gesellschaft höflich schreibt und die Umstände darlegt. Das haben wir dann auch am gleichen Tag noch getan und hofften das Beste. Vergebens, da sind sie gnadenlos. Dumme Touristen.
Hätte man es wissen müssen?
Auf der offiziellen Website von London gibt es eine Kategorie mit Fragen an den Bürgermeister. Eine der Frage lautet:
To ensure the highest level of compliance with the LEZ and to avoid overseas visitors to London not mistakenly facing excessive fines and harming the reputation of London, will you review the level of information that is provided to overseas visitors, especially at ferry ports and on the Eurostar?
Übersetzung: „Damit ausländische London-Besucher nicht versehentlich hohe Strafen erhalten und somit das Image von London beschädigt wird – wird darüber nachgedacht, Touristen besonders an den Fährhäfen und am Eurostar-Tunnel mehr Informationen bereitzustellen?“
Die Antwort darauf lautet – in Kurzform: Nö, f*ck you. Und etwas länger: Die LEZ gibt es seit 2008 und eine Kampagne übermittelte auch Informationen darüber an verschiedene Presseorgane in wichtigen europäischen Ländern. Außerdem stünden auf der Website genügend Informationen bereit. Darüber hinaus gebe es (Warn-)Schilder vor den Zonen.
Ich hab mich echt aufgeregt darüber. JA – man kann sich im Voraus informieren. Wenn man aber spontan unterwegs ist, wie wir – das hat ja ein Wohnmobil-Urlaub an sich -, tut man das evtl. nicht. Und dann findet man sich auf einmal mitten in der Situation wieder und soll über diese völlig bescheuerte Website noch retten, was zu retten ist?
Ein Hinweis auf einem Schild, wie teuer die Einfahrt in die Zone ist, könnte sicher helfen, die Leute aufmerksam zu machen. Das Schild, wie oben zu sehen, sagt nun wirklich nicht aus, dass einen die Einfahrt richtig viel Geld kosten kann.
Kleiner Exkurs: Unverschuldet alle Fristen versäumt & modernes Raubrittertum
Das alles bisher könnte man wohl auch zurecht als „selbst schuld“ bezeichnen. Selbst schuld, dass ihr euch die Mautstrecke sparen wolltet, selbst schuld, wenn ihr euch nicht im Voraus informiert, selbst schuld, wenn ihr die 300 Pfund nicht rechtzeitig überweist. Aber was jetzt kommt, kann ich fast nur als Böswilligkeit bezeichnen.
Bis auf die Mail-Antwort von TfL haben wir lange nichts mehr aus London gehört. Bis zum 4. Januar 2023, also gut drei Monate später. Mir schrieb abends die Vermieterin des Wohnmobils, dass sie als Halterin Post aus London bekommen hatte. Und was da drin stand, war ungeheuerlich.
Verspätete Zustellung an die Wohnwagenvermieterin
Absender ist das Inkassounternehmen European Parking Collection PLC mit Sitz in London. Das Unternehmen sei von TfL bevollmächtigt, Verwarnungsgelder einzuziehen. Das Schreiben ist datiert auf den 10.11.2022. Das war fast zwei Monate her.
Und nun der Knaller: Das Schreiben listet nüchtern verschiedene Fristen auf, anhand derer die Höhe der Geldstrafe gestaffelt ist:
„Sie haben ab dem Datum der Zustellung dieser Zahlungsaufforderung 14 Tage Zeit, um das ermäßigte Verwarnungsgeld von 1196,25 € zu zahlen.
Wird das Verwarnungsgeld nicht bis zum 23.12.22 gezahlt, wird die volle Summe von 2392,51 € zur Zahlung fällig. Sollten Sie das Verwarnungsgeld nicht zahlen oder bis zum 5.01.2023 keine Darstellung abgeben, kann eine Zahlungsaufforderung mit dem höheren Verwarnungsgeld von 3588,76 € ausgestellt werden.“
Nochmal zum Verständnis, das Schreiben kam am 4.01.2023 an, einen Tag vor Ablauf der allerletzten Frist, oder in Zahlen, 1 Tag vor 3588,76 €. Der Brief ist kein Einschreiben. Er wurde in Salzburg, Österreich, frankiert und von der Österreichischen Post befördert. Der Umschlag hat keinen Poststempel mit Datum.
Gut, nun steht da, dass man ab Datum der Zustellung 14 Tage Zeit hat. Auf Seite 2 steht noch Folgendes:
Wenn nicht das Gegenteil nachgewiesen wird, gilt die Zustellung dieses Bescheides als am fünften Arbeitstag nach dem Tag der Ausstellung [10.11.20222] als erfolgt.
Die Zustellung hat fast ZWEI MONATE gedauert! Der Brief kam aus London irgendwie nach Salzburg und wurde dann dort erst frankiert. Wie haben sie das gemacht? Ich kann es nur vermuten, aber warum auch immer haben sie womöglich Briefe gesammelt und dann als größeres Paket warum auch immer nach Österreich geschickt. Dort erst wurde der Brief erst der Post übergeben. Vielleicht, weil die britische Royal Mail 2022 stark bestreikt wurde.
Wir haben hier also mehrere Angaben zu den Fristen: 14 Tage nach Zustellung gilt die „Ermäßigung“ – 1200 €. Aber das wird ad absurdum geführt durch den Zusatz, dass der Brief nach fünf Tagen als zugestellt gilt. Und daher werden schon feste Fristen angegeben, die bei Nichteinhaltung das Verwarnungsgeld verdoppeln und dann auf 3600 € erhöhen.
Kein Einschreiben, keine Sendungsnummer – Pech
Der Empfänger des Briefes muss beweisen, wann der Brief angekommen ist, um dieser Strafensteigerung zu entgehen. Es gibt aber keine Poststempel. Die Wohnwagenvermieterin hat in ihrer örtlichen Postfiliale nachgefragt, ob es irgendeinen Nachweis für diesen Brief gibt. Die Dame dort sagte, dass sie nicht mal sagen kann, welcher Zusteller dafür zuständig war. Danach rief die Vermieterin bei der Österreichischen Post und bei DHL an, um dort nachzufragen. Auch hier konnte niemand Angaben machen, da es keine Sendungsnummer gibt.
Ist das nicht ein Mega-Riesen-Abfuck?!
Der Brief kommt am Tag vor Ablauf der allerletzten Frist an. Es gibt keinerlei Nachweis oder Bestätigung, dass der Brief erst so spät ankam. Ich denke, dass man das auch juristisch anfechten könnte irgendwie.
Das hier kann ich nicht fett genug drucken, weil es so unfassbar dreist ist (stell dir vor, dass ich sehr laut spreche und ziemlich rot im Gesicht werde): Mit minimalstem Aufwand fordert diese Inkassogesellschaft Gelder, die locker 1-2 Monatsgehältern entsprechen und schicken den Brief nicht nur nicht per Einschreiben, so dass der Empfänger irgendeine Chance hat, sich zu wehren. Nein, sie schreiben drauf, dass das Schreiben nach fünf Tagen als zugestellt gilt, und schicken den Brief dann wissentlich auf Umwegen über ein drittes Land los.
So wie das hier läuft, würde ich sogar in den Raum stellen, dass dahinter eine Absicht steckt. Wer sagt denn, dass das Schreiben wirklich Mitte November verschickt wurde, und nicht erst Mitte oder Ende Dezember? Es gibt ja keinen Nachweis!
Davon abgesehen: Wir waren erstmal ziemlich fertig. Aktuell standen 2400 € als Strafe im Raum für die Vorbeifahrt an London. Verstört ging ich streamen und beschäftigte mich erst am nächsten Tag, also dem letzten Tag der Frist, wieder mit dem Thema.
Einspruch der Wohnwagen-Vermieterin
Wir baten die Vermieterin, erstmal Einspruch zu erheben. Immerhin hatte ja nicht sie die Ordnungswidrigkeit begangen, sondern wir. Aktuell waren wir eigentlich ja noch gar nicht gefragt, sondern sie als Halterin. Wir wollten aber nicht, dass sie womöglich die 2400 € oder sogar 3800 € bezahlt, um weitere Probleme zu vermeiden, und dann von uns das Geld einfordert.
Auf der Inkasso-Website gibt es ein Einspruch-Formular. Es listet vor allem auch erstmal auf, welche Gründe alle nicht zählen:
- Wusste nicht, dass es die LEZ gibt
- Wusste nicht, welches „Scheme“ auf mich zutrifft (also „Tarif“)
- Bin ein Tourist
Also all die Gründe, die wir hatten – Verwirrung, wussten nichts von der Zone, weil das Navi sie nicht anzeigte, von der Situation überfordert – werden von vornherein „wahrscheinlich abgelehnt“.
Wenn man weiterklickt, kann man aber angeben, dass es sich um ein Mietfahrzeug handelt. Das machte die Vermieterin und mit etwas „Glück“ bekommen wir nun ein neues/eigenes Schreiben mit neuen Fristen. Weiter unten siehst du, wie es weitergeht mit der Geschichte.
Wir überlegten dann ein paar Tage lang, ob wir auch ohne Schreiben einfach die 1200 € bezahlen. Damit könnten wir vorbeugen, dass wir auch ein so verspätetes Schreiben bekommen und am Ende 2400 oder noch mehr bezahlen müssen.
Und dann blieb eben die Möglichkeit, sich Rechtsberatung zu suchen. Das geht recht günstig auf frag-einen-anwalt.de – das hier ist keine Werbung ^^ Wir stellten unseren Fall dar und boten 75 € für die Beantwortung unserer Frage. Allzu viel erwartete ich mir nicht davon, aber zum Glück haben wir es gemacht.
Der Anwalt sagte – wie oben erwähnt -, dass das Vereinigte Königreich durch seinen Austritt aus der EU keine Geldstrafen bei uns vollstrecken kann. Wir sind offenbar aus dem Schneider. Weitere Schreiben werden wir einfach nicht beantworten. Der Anwalt fügte aber hinzu, dass wir davon absehen sollten, nach Großbritannien einzureisen – weil dort ist die Strafe ja vollstreckbar.
Und damit bin ich jetzt Lucyda, wanted dead or alive :D
Uns soll das eine Lehre sein. Die Lust aufs Reisen ist uns sowieso vergangen. Aber wir haben riesig Glück gehabt, dass der Brexit so chaotisch verlaufen ist und wir die Strafe nun nicht zahlen müssen.
Kleines Schmankerl hinterher: Nachdem ich dem Anwalt eine gute Bewertung für die Beantwortung für seine Antwort gab, hat er sich nochmal kurz geäußert:
Der Mann will die Welt brennen sehen :D Aber ich hoffe, dass außer Briefen aus London nichts mehr kommt…
Zusammengefasst: Die London Low Emission Zone als Falle für Ausländer
Also, Umweltzonen haben sicher ihre Berechtigung, und selbstverständlich können Städte die Zonen so ansetzen, wie es ihnen passt. Das zweifle ich gar nicht an.
Das Problem ist meiner Meinung nach die mangelnde Kennzeichnung der Low Emission Zone. Wer die Regelung nicht kennt und sich wie wir sozusagen versehentlich im Umfeld der Stadt aufhält, der sieht sich mit wirklich unverhältnismäßig hohen Kosten konfrontiert.
Die Registrierung der Durchfahrt zehn bis 14 Tage vorher ist für manche Urlaubsreisende nicht wirklich sinnvoll. Das funktioniert auch nur, wenn man dann schon weiß, dass es eine Low Emission Zone gibt. Klar, wir hatten ungefähr eine Route im Kopf, aber gerade bei Wohnmobil-Reisen können die sich auch ändern. Schon Wochen im Voraus zu recherchieren, was einen wo an lokalen Besonderheiten erwarten könnte, finde ich ziemlich unrealistisch.
Wenn man dann unregistriert durch die LEZ gefahren ist, schauen manche (andere vielleicht nicht) vielleicht nach, was einen dann erwartet. Die Infos dazu muss man sich mühselig auf der Internetseite zusammenkratzen. Es gibt keine klare Info für Fahrer von nicht im UK zugelassene Fahrzeuge.
Dann erfährt man über Umwege auf irgendwelchen FAQ-Seiten, dass man drei Tage lang die Tagespauschale von ca. 340 € bezahlen kann. Das ist schon wirklich deftig.
Und wer nicht nach Infos sucht, weil er denkt, ach, wird schon nicht so schlimm sein – der verpasst die drei-Tages-Frist, vielleicht sogar die 14-Tages-Frist. Die Strafen staffeln sich schon hoch, bevor man überhaupt erfährt, dass man einen Verstoß begangen hat. Und dann ist man bereits bei 1200 €.
Die Tagespauschale gilt übrigens von Mitternacht bis Mitternacht an einem Tag. Wer in die LEZ fährt, dort übernachtet, und am nächsten Morgen wieder raus – der zahlt dafür schon ganz regulär 680 €.
Ich finde es zudem sehr bedenklich, dass auf den Straßenschildern kein Hinweis zu diesen hohen Pauschalen steht. Nichts dazu. Sehr viele Leute würden sicher lieber erstmal umdrehen und das klären, bevor sie weiterfahren, wenn auf den Schildern was von 300 Pfund stünde.
Das nächste ist, dass das Schreiben zu einer derart hohen Strafe nicht per Einschreiben kommt – zur beiderseitigen Versicherung, dass und wann es ankommt. Ohne Sendungsnummer nimmt man doch dem Empfänger jegliche Möglichkeit, sich gegen die weitere Erhöhung der Strafe zu wehren.
Am Ende bleibt bei mir eine große Unsicherheit. Ich dachte, dass wir in Europa ungefähr nach ähnlichen Regeln spielen. Halte dich an die Verkehrsregeln und alles ist gut. Dass man derart in die Bredouille kommen kann, weil man in eine Umweltzone einfährt, hätte ich nie gedacht.
Updates zu unserem Fall: Wie ging es weiter?
Diesen Beitrag habe ich geschrieben, als es noch gar kein an uns gerichtetes Schreiben gab. Der Bescheid ging erstmal nur an die Vermieterin des Wohnwagens. Sie hatte dann Einspruch eingereicht: Das Fahrzeug war vermietet an uns. Dem wurde stattgegeben.
Und jetzt geht es dann für uns weiter. Ich werde hin und wieder Updates posten.
Hilft dir mein Beitrag?
Mit einem Kaffee würdest du mich sehr glücklich machen! :D
Erste Zahlungsaufforderung: 28.01.2023
Unser „eigenes“ Schreiben, ein „Verwarnungsgeldbescheid“ mit Zahlungsaufforderung, kam am 28.01.2023, Ausstellungsdatum 8.01.2023. Es kam laut Frankierung aus Paris.
Das Schreiben war das gleiche wie das an die Vermieterin, nur diesmal an mich gerichtet. Absender war „London Low Emission“, die das Inkassounternehmen „Euro Parking Collection plc“ zur Eintreibung beauftragt.
Auch die Fristen waren enthalten:
- 14 Tage ab Zustellung: „ermäßigtes Verwarnungsgeld“ von 1186,77 €
- bis 20.02.2023: „volle Summe“ in Höhe von 2373,55 €
- danach: „höheres Verwarnungsgeld“ von 3560,32 €
(Nochmal: Es ging um das Durchfahren der Umweltzone, nicht um einen Bombenanschlag auf den King…)
Wir haben nochmal gegoogelt, die Infos des Anwalts durchgelesen etc – und das Schreiben dann ignoriert. Noch immer gibt es kein Abkommen mit UK zur Vollstreckung von Bußgeldern.
Außerdem gibt keine Möglichkeit, mit LEZ selbst zur Klärung in Verbindung zu treten, und auf der EPC-Website kann man sich nicht zum Sachverhalt äußern, sondern nur Haken setzen. Dass unsere Einspruchgründe (Touristen, Versehen, großes Sorry) nicht gelten, steht auch gleich dabei.
Zweite Zahlungsaufforderung: 1.04.2023
Die zweite Zahlungsaufforderung kam am 1.04.2023. Ausgestellt war es am 18.03., ebenfalls von London Low Emission Zone. Er erreichte uns aus Malmö per Nachsendeauftrag der Post, weil wir zwischenzeitlich umgezogen sind (…. nicht deswegen :D). Es ging also recht schnell.
Das Schreiben informiert uns, dass wir die Gebühr von 2373,55 € nicht bezahlt haben und sich das Bußgeld somit auf 3560,33 € erhöht. Zahlbar innerhalb von 14 Tagen.
Auch dieses Schreiben haben wir ignoriert.
Drittes Schreiben: 6.06.2023
Diesmal direkt von EPCplc, gesendet über Malmö, Schweden. Betreff: Schreiben vor Schuldeneintreibung. Fälliger Betrag: 3560,33 €.
„Ignorieren Sie dieses Schreiben nicht. Wenn Sie den ausstehenden Betrag nicht zahlen, kann Ihr Fall an einen Schuldeneintreiber weitergeleitet werden.“ Wir haben nun 28 Tage Zeit für die Zahlung.
Klar, der Arsch geht einem auf Grundeis. Aber dennoch … Ich habe wieder gegoogelt und keine neuen Infos gefunden. Im Schreiben steht klar und deutlich: „Land des Verstoßes: Great Britain„. Bußgelder aus Nicht-EU-Ländern können nicht vollstreckt werden.
Wichtig: Nur Behörden dürfen polizeiliche Geldbußen und -strafen eintreiben, zuständig in Deutschland ist hierfür ausschließlich das Bundesamt für Justiz. Ausländische Kommunen und Behörden müssen hierfür das Bundesamt um Vollstreckungshilfe bitten.
ADAC-Website, abgerufen am 7.06.2023
In diesem Beitrag finden sich ein paar Angaben zur EPC, die wohl als „Raubritter“ gelten. Übrigens: Für Österreich gibt es wohl irgendein Abkommen, über das EPC wohl vollstrecken darf? – Nur als Hinweis für Leser aus Österreich, ich hab mich damit nicht weiter beschäftigt!
Auch hier gibt es eine Info, dass EPC auf die Nase fällt, wenn sie unrechtmäßig Gelder vollstrecken wollen.
Und zum Thema Schuldeneintreiber: Schuldeneintreiber können zwar Mahnungsschreiben verschicken. Aber einen Vollstreckungstitel, also die legale Möglichkeit, das Geld einzutreiben, gibt es nur mit gerichtlichem Vollstreckungstitel. Und den gibt es eben nicht.
Also: Wir ignorieren auch dieses Schreiben, und ich bin gespannt, ob wir noch etwas von einem Schuldeneintreiber hören werden.
Vierte Zahlungserinnerung
Ende November erhielt ich ein neues Schreiben, diesmal von der Firma eCollect mit Sitz in der Schweiz und Filiale in Berlin. Im Schreiben werde ich zur Zahlung von 3829,08 EUR aufgefordert, da sonst die Vollstreckung „auf Grundlage des EU-Rahmenbeschlusses 2005/214/JI“ erfolge. Das ist der Beschluss, nach dem Forderungen aufgrund von Verkehrsdelikten aus dem EU-Ausland auch innerhalb Deutschlands eingetrieben werden können.
Wie immer wurde ich nervös und googelte erneut. Dabei traf ich auf diese noch sehr frische Anfrage auf frag-einen-anwalt.de. Der Anwalt gibt ganz unten an, dass ein Einfordern vor Gericht am Ende möglich wäre, wenn man dem Mahnbescheid nicht widerspricht. Was genau das ist, und ob die „Bescheide“ aus England schon dazu zählen, ist mir nicht klar. Ich habe nun jedenfalls auf diese Zahlungserinnerung (kein Mahnbescheid) reagiert und sowohl per Mail als auch mit einem Einschreiben Widerspruch eingereicht. Der Inhalt: Der Rahmenbeschluss ist nur für EU-Staaten gültig.
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