Auch Tage nach Lunas Tod kreisen meine Gedanken.. Manchmal kommen neue Gedanken dazu, aber meistens kommt immer wieder das selbe auf. Da ich meinen Blog oft auch irgendwie als Tagebuch genutzt habe, halte ich das hier fest. Der Beitrag wird so lange aktualisiert, wie ich das Gefühl habe, noch was schreiben zu müssen.
Tag 2 nach Lunas Tod, Mittwoch
Jeden Tag weine ich weniger. Gestern weniger als vorgestern, heute weniger als gestern. Aber ganz ohne geht es noch nicht.
Gestern hatte ich noch das unwirkliche Gefühl, dass das alles nicht wahr sein kann, und ich fühlte mich mental eigentlich noch wie bei meiner lebendigen Luna kurz vor ihrem Tod. Heute dagegen kommt es mir komisch vor, dass ich mal das Privileg hatte, mit Luna zusammenzuleben. Ich frage mich, warum ich das nicht mehr wertgeschätzt habe.
Dieses wertvolle kleine Leben, dieses liebe Tier, das uns so viel Freude gemacht hat. Bisher war sie einfach da. Jetzt, wo wir sie verloren haben, kommt sie mir vor wie der größte Schatz, den ich jemals hatte. Ich wünschte, ich hätte sie nicht als selbstverständlich angesehen. Vielleicht kann ich das beim Kater und bei Pierre besser machen.
Ansonsten kreisen meine Gedanken sehr viel um die letzte halbe Stunde mit Luna im Ultraschallraum und danach im „Sterberaum“. Ich sehe meine todkranke Katze vor mir und mache mir Vorwürfe wegen allem. Ich hab stark das Gefühl, dass ich zu viele wichtige, unumkehrbare Entscheidungen in zu kurzer Zeit getroffen habe. Mit zu wenig Bedenkzeit. Normalerweise mache ich mir Entscheidungen nicht leicht, und hier war die Frage, ob ich meine Katze einschläfern lassen soll.
Hätte ich nicht nachhaken können, ob es wirklich keine andere Möglichkeit gibt? Ich glaube, der Tierarzt hatte sowas gesagt, er erwähnte einen „Herzpapst“, der aber am Ende auch nicht viel hätte machen können. Aber vielleicht noch ein paar Tage mehr, oder ein paar Wochen? Morgens war sie doch noch vertrauensvoll zu uns ins Bett gesprungen… und ich hab sie .. umgebracht…
In nur wenigen Sekunden habe ich über Lunas Tod entschieden. Was hätte sie gewollt? Meine Entscheidung lässt sich nicht rückgängig machen, und jetzt grüble ich dennoch darüber.
Und die Frage nach dem Körper. Ich hab so stark das Gefühl, dass ich meine Katze zurückgelassen, allein gelassen habe. Wie sie da ausgestreckt und unnatürlich, leblos auf dem Tisch lag. Hätten wir sie nicht doch mitnehmen sollen? Vielleicht hätte ich dann nicht dieses Zurückgelassen-Gefühl. Wäre es besser gewesen, sie dabei zu haben und den Körper in die Erde zu stecken, im Garten einer Mietwohnung? Darf man das überhaupt? Hätten wir sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Wald vergraben sollen?
Pierre hat gelesen, dass eine Tierpsychologin empfiehlt, den Körper mitzunehmen, damit das andere Tier, also unser Kater, selbst erkennen kann, was los ist. Er könne so Abschied nehmen, falls er das will. Aber geht nicht mehr. Vielleicht ist unsere Katze schon eingeäschert worden – ganz und gar getilgt von dieser Welt.
Apropos Kater. Um ihn sorgen wir uns natürlich und beobachten ihn genau. Er scheint in allem etwas lustloser zu sein. Und er scheint Lunas Liegeplätze im Garten zu inspizieren und irgendwie auf sie zu warten. Lopi weiß ja gar nicht, was los ist. Vielleicht bekommt er mit, dass wir immer wieder ihren Namen erwähnen und sehr traurig sind, aber er weiß nicht, was mit Luna passiert ist. Die beiden sind ja Zwillinge und haben ihr Leben miteinander verbracht.
Außerdem habe ich Angst, irgendwas zu vergessen. Lunas „Stimme“, die vielen Geräusche, die sie immer machte zu jeder Gelegenheit. Ihre Angewohnheiten. Noch immer fallen uns alltägliche Erlebnisse mit ihr ein – aber wird das so bleiben?
Heute habe ich auch wieder etwas gearbeitet. Es war sehr schwer – meistens kam Luna irgendwann an, sprang auf den Schreibtisch und stieg von dort auf meinen Schoß, wo ich sie gestreichelt habe. So oft hat sie mich von unten vertrauensvoll und lieb angeschaut. Einfach nur geschaut. Manchmal hat sie meinen Arm mit ihrer Nase angetippt. Heute zu arbeiten und zu wissen, dass sie nie wieder zu mir kommt, hat mich krank gemacht. Ich hab mich wirklich scheiße gefühlt. Es hat ein bisschen geholfen, eine Plüschkatze auf den Schoß zu setzen als Ersatz, aber besonders effizient habe ich heute sicher nicht gearbeitet.
Vorhin waren wir im Wald spazieren und haben einen Stock mitgebracht. Daraus basteln wir ein kleines Kreuz. Wir sind nicht gläubig, aber es würde vielleicht helfen, es an ihren Lieblingsplatz auf der Wiese zu stellen. Ich könnte mich dann an sie erinnern und mir vorstellen, dass ihr Geist vielleicht dort liegt und die Sonne genießt.
Tag 3 nach Lunas Tod, Donnerstag
Körper doch holen?
Gestern Abend hatte ich schlimme Heulkrämpfe wegen des Gefühls, Luna allein zurückgelassen zu haben. Obwohl mir bewusst ist, dass ihr Körper nicht „Luna“ ist. Aber die Katze, bzw. ihren Körper auf dem Behandlungstisch liegen zu lassen, damit sie eingeäschert wird und damit komplett von der Welt verschwindet… Es kam mir doch falsch vor und ich wünschte, wir hätten sie doch mitgenommen. Es war halb 9 abends und hätte der Tierarzt noch offen gehabt, hätte ich angerufen und gefragt, ob der Körper noch da ist, damit wir ihn doch abholen können. Wir hätten ihn im Wald beerdigen können, damit Luna „zur Natur werden kann“.
Eigentlich wollte ich das dann heute Morgen um 8 Uhr gleich machen. Aber heute habe ich nicht mehr das Gefühl, den Körper holen zu müssen. Mal abgesehen davon, dass er vielleicht durch die Fahrt anfangen würde zu riechen … Den völlig steifen Körper zu sehen, der ja auch gar nichts mehr mit unserer Katze zu tun hat, wäre sicher nicht hilfreich gewesen. Aktuell denke ich, es ist ok, dass sie eingeäschert wird. Natürlich verringert sich die Chance, dass wir ihn noch holen könnten, stetig und vielleicht wäre es schon zu spät?
Im Moment habe ich manchmal „stabile“ Phasen. Ich hab heute auch ein neues Let’s Play für YouTube gemacht und es ging. Ich kann dann an Luna denken, ohne in Tränen auszubrechen. Aber das kann sich auch jederzeit radikal ändern. Da reicht schon ein Bild, eine Erinnerung oder sonst was, und schon schluchze ich wieder minutenlang.
Und dann hab ich oft das Gefühl, dass durch all das Denken an Luna sie ja doch irgendwie noch da sein muss, und WENN sie noch da ist, dann kommt sie wieder. Wenn ich mir den Gedanken bewusst mache, weiß ich, dass dem nicht so ist und dass sie für immer weg sein wird. Egal, was ich tue oder sage – Luna wird nie wieder da sein. Das zu realisieren ist dann wieder so hart. So hart, dass ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen kann und keine Motivation für irgendwas aufbringe. Ich habe dann kein Ziel, das ich im Leben noch erreichen will. Alles liegt brach. Kein Antrieb.
Diese schrecklichen letzten Stunden
Auch heute dachte ich wieder, dass ich mir mit der Entscheidung zum Einschläfern mehr Zeit hätte nehmen müssen. Ich habe das Gefühl, wir haben Luna ihr Leben gestohlen. Hätte es nicht noch Möglichkeiten gegeben? Hätten wir sie nicht doch für ein paar Stunden wieder mit nach Hause nehmen sollen – einfach auch als Aufschub UND um alles durchzugehen, vielleicht beim „Herzpapst“ anzurufen? Wie konnte ich ihr Leben so schnell aufgeben? Jetzt ist es zu spät.
Gleichzeitig schaue ich in den letzten Wochen beim Essen die Arztserie „The good Doctor“. Am Freitag, vor Lunas Tod, hatte ich eine Folge angefangen, in der eine Frau an Herzversagen leidet und ohne Transplantation sterben würde. Gestern, nach Lunas Tod, hab ich weitergeschaut. In der Serie passiert der Frau genau das, was auch Luna passiert: Das Herz gibt nach, weil zu viel Flüssigkeit drumherum ist, die Lunge füllt sich mit Wasser. Auch ein Herz-Echo zeigte die Serie .. genau wie bei Luna. Ich dachte ich spinne … Man gab der Frau noch einen Tag zu leben. Einen Tag – hätten wir doch Luna auch noch einen Tag geben können.
Heute schaute ich weiter. Die Frau bekam massive Atemprobleme. Sie atmete schwer und verzweifelt. Tränen rannen ihr aus den Augen. Sie hatte Todesangst. Der Arzt setzte ihr eine Sauerstoffmaske auf und gab ihr Medikamente, damit sie besser atmen kann.
Luna … hatte sie auch Todesangst? Sicher, oder? Die Medikamente halfen nicht bei ihr, und eine Maske bekam sie nicht. Im Gegenteil, wir ließen sie stundenlang in dieser Angst allein. Wir waren im Auto, wir warteten lange in der Praxis, wir ließen sie untersuchen, wir verabschiedeten uns von ihr, und währenddessen lag meine Katze da, vielleicht mit Todesangst. Ja, wir haben mit ihr geredet und sie gestreichelt, aber wir haben ihr nicht GEHOLFEN. Das quält sehr. Ihr zu helfen sollte doch das einzige sein, das zählt…
Pierre hatte den Arzt noch gefragt, ob Luna Schmerzen hat. Schmerzen nicht direkt, sagte er. „Aber keine Luft zu bekommen, das ist kein schöner Zustand. Gar kein schöner Zustand“. Das hat meine kleine Katze nicht verdient… (Ich weine)
Natürlich hilft kein einziger dieser quälenden Gedanken Luna weiter. Für sie ist das Leben vorbei. Endgültig. End-gül-tig. Meine Gedanken, oder mein Selbstmitleid (?), machen für sie nichts mehr aus. Und dennoch, ich kann nicht anders, als immer wieder diese furchtbaren Stunden vor ihrem Tod zu durchdenken. Warum hab ich sie nicht wenigstens in ihr Körbchen (Transportbox) gelegt? Wieso musste sie auf der fremden, kalten Unterlage liegen? Sie hätte sich dort sicherer gefühlt.
Weg von hier?
Außerdem haben Pierre und ich drüber gesprochen, doch bald umzuziehen. Wir haben eine Durchgangsstraße vor dem Garten. Sie ist laut und stört sehr, und natürlich ist sie eine Gefahr für Katzen. Luna und Lopi haben sich weitgehend ferngehalten, aber das muss nicht so bleiben. Lopi kann immer noch überfahren werden. Und vielleicht holen wir für ihn einen neuen kätzischen Gefährten irgendwann – wird er/sie der Straße auch fernbleiben?
Umzug in eine sehr ruhige Gegend.. Das wäre vielleicht ein Projekt. Pierre wünscht sich sehr so ein Projekt, auf das wir zuarbeiten können. Ein Haus, an dem wir was tun können, ein EIGENES Haus? Dort könnten wir auch unserer Kater irgendwann begraben. Und vor allem wäre er sicherer.
Ich selbst wünsche mir das schon sehr lange. Mit Garten und Hühnern, ohne Verkehrslärm. Es wäre sehr schön.
Gleichzeitig hätte ich dann im Moment das Gefühl, dass wir Luna „zurücklassen“ würden. Aktuell „sehe“ ich sie überall. Hier in der Ecke saß sie immer. Dort kam sie immer hergelaufen. Da oben hat sie sich geputzt. All diese Orte und Ecken würden wir zurücklassen. In einer neuen Wohnung wäre Luna nicht mehr so präsent.
Tag 3 nach Lunas Tod, Freitag
Heute geht alles irgendwie besser … oder? Ich fühle mich distanziert und abgestumpft. Vielleicht ausgeheult. Ich kann an Luna denken, ohne schrecklich traurig zu sein. Aber schön ist das nicht, ich bin allgemein irgendwie niedergeschlagen und traurig oder erschöpft, ohne einen genauen Grund dafür zu spüren.
Andererseits bekomm ich es aber auch hin, das abzuschütteln und mich in andere Sachen zu vertiefen. Ich habe ein Video geschnitten und hochgeladen, habe gearbeitet und meinen ersten Stream nach Lunas Tod angekündigt. Ich denke, dass ich das hinkriege. Aber eine gewisse Grund-Traurigkeit ist die ganze Zeit da, ein „Weltschmerz“, nicht unbedingt ein Luna-Schmerz. So im Sinne: Welchen Sinn hat alles, wenn doch auch Kater Lopi irgendwann stirbt, Pierre und ich sterben, wozu sind wir überhaupt da?
Die letzten Stunden mit Luna sind nicht mehr so präsent. Ich denke weniger darüber nach und scheine das alles zu verdrängen: Die Gedanken drängen sich nicht mehr so auf wie die letzten Tage und selbst wenn ich kurz an „die letzten Stunden“ denke, muss ich mich zwingen, ein Bild davon in den Kopf zu bekommen. Ist das gut oder schlecht?
Apropos Bild: Beim Arbeiten hatte ich auf dem zweiten Monitor immer das Bild von Luna weiter oben offen – so würde sie normal auf meinem Schoß sitzen :) Es war hilfreich, auf das Foto zu schauen und so kurz eine vertraute Situation zu haben. Gleichzeitig hab ich ein schlechtes Gewissen, weil das reiner Egoismus ist. Ich nutze ein Bild von Luna, um mich besser zu fühlen, ich nutze sie also irgendwie aus. Es reicht mir schon, ein Bild zu haben, statt sie selbst, und so ist es irgendwie „ok“, dass sie tot ist. Und das ist es nicht.
Werde ich dieses Bild von ihr im Kopf behalten, und alles andere irgendwie vergessen, von dem es kein Foto gibt?
Tag 4 nach Lunas Tod, Samstag
Gestern Abend habe ich übers Einschläfern nachgelesen. Das ist auf jeden Fall schmerzfrei und das Tier bekommt nichts mit. Ich verlasse mich darauf, dass Luna wirklich friedlich eingeschlafen ist und vielleicht dabei sogar erleichtert war, weil die Angst und die Luftnot geringer wurden.
Daher denke ich, dass ich über das Schlimmste hinweg bin. Ich habe nur immer wieder ein schlechtes Gewissen, dass ich „gut“ weiterleben kann, während Luna nicht mehr lebt. Die „schlimmen letzten Stunden“ habe ich nicht mehr vor Augen. Wie gestern schon – ich habs wohl mental irgendwo tief eingemauert und mache gedanklich einen Bogen drumrum.
Ohne die Vorwürfe und das Gefühl, Luna getötet oder zurückgelassen zu haben, ist alles erträglicher, auch wenn sie mir natürlich sehr fehlt.
Ansonsten ist der Alltag wieder da. Im Alltag tauchte Luna natürlich immer wieder auf. Ich sehe sie immer wieder: Gestern nach dem Stream kam ich aus dem Streamzimmer und stolperte fast über eine Kiste Katzenstreu vor der Tür. Im ersten Moment war ich sicher, dass das die Katze ist, die vor der Tür sitzt und wie so oft ins Zimmer wollte. Sowas kommt gerade oft vor. Ich werde dann kurz traurig… aber es ist wie es ist.
Außerdem haben wir vorhin das Gedenkkreuz für Luna gebastelt, wie weiter oben geschrieben. Pierre hatte das Stöckchen aus dem Wald („wild“ wie die Luna) zweimal mit Holzlasur eingestrichen und eben haben wir es fertig gemacht. Es steht jetzt an einem Platz in einer Ecke an der Terrasse, an dem Luna immer gern saß. Wir wollen es immer mitnehmen, wenn wir umziehen. Vielleicht gibt es noch eine kleine Namensplakette, die wir dran anheften können.
Tag 5 nach Lunas Tod, Sonntag
In ein paar Stunden wird es eine Woche her sein, dass ich Lunas Atemnot bemerkte. Vor einer Woche bekam sie nachts ihren ersten „Anfall“ und wir fuhren panisch zum Tiernotdienst. Es war eine schwere Woche, eine sehr gedankenvolle Woche.
Mittlerweile komme ich gut klar. Oft genug kann ich mir vorgaukeln, dass Luna gerade einfach in einem anderen Raum schläft. Ich freue mich dann darüber, an sie zu denken. Ich kann zwar nicht hingehen und sie streicheln, aber ich sehe sie gut vor mir. Oder ich „höre“ und „sehe“, wie sie mit einem kleinen quietschigen Brummen aufs Bett springt und freue mich daran. Das ist ok so.
Komischerweise ist es mit Kater Lopi ein bisschen anders. Er war immer ein Teil eines Zweiergespanns. Lopi war „der Größere“, „Sanftere“, „Zutraulichere“ der beiden – das sind alles Vergleiche, mit Luna als Bezugssystem. (Umgekehrt natürlich genauso, Luna war „die Wildere“, „Kleinere“, etc). Irgendwie stand Lopi nie allein für sich, sondern immer als „der eine von unseren beiden“.
Jetzt ist das „Bezugssystem“ weg. Aber sehe ich ihn, sehe ich auch Luna, genau wie früher, nur dass jetzt Traurigkeit um die verlorene Schwester und auch Sorge um Lopi mitschwingt. Und es tut mir leid für Lopi, dass er nicht für sich stehen kann. Er hat es nicht verdient, nur ein Teil zu sein. Vielleicht legt sich das auch noch… Es ist jedenfalls eine merkwürdige Situation.
Und damit schließe ich dieses Tagebuch hier. Vielleicht werd ich hier und da nochmal „Redebedarf“ haben und schreib dann noch was hier rein, aber täglich ist das nicht mehr nötig. Vielen Dank fürs Lesen :)
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