Hinter uns liegen schwere Wochen, aber das Schlimmste ist abgewendet: Mein geliebter Kater Lopi, den ich als Kätzchen vor 15,5 Jahren von einem Bauernhof holte, ist schwer krank, aber er ist noch da. Vor nicht mal zwei Wochen waren wir fast sicher, dass er kurz vor dem Einschläfern steht. Und jetzt hüpft er fidel herum und man merkt ihm nichts an. Wären da nicht die vielen Tabletten, die wir jetzt täglich in den Kater bekommen müssen.
Aber von vorne. Eigentlich begann es mit Luna, Lopis gleichaltriger Schwester. Ihr Schicksal gibt gewissermaßen das Drehbuch für Lopis Ärztemarathon vor. Im Juli 2022 bekam sie auf einmal nachts kaum noch Luft und wir fuhren wir zu einem völlig übermüdeten Tierarzt im Notdienst, der Wasser in der Lunge feststellte. Am nächsten Morgen kamen wir für eine richtige Diagnose via Herzultraschall wieder: Es war HCM (Hypertrophe Kardiomyopathie), eine Herzkrankheit im Endstadium. Das Resultat davon war Wasser in der Lunge – daher die Atemnot. Der Arzt riet dazu, sie direkt einzuschläfern, um das Leid zu verkürzen. Damit hatten wir nicht gerechnet und der unerwartete Verlust war furchtbar.
Eine Tierarzt-Odyssee
Zurück ins Jahr 2025. Im Februar begann Lopi häufig zu husten und ich hörte hin und wieder merkwürdige Atemgeräusche. Obwohl es keine so schlimme Atemnot war wie bei Luna, waren wir natürlich alarmiert – die Erinnerung an ihre letzten Stunden ist wirklich traumatisch – und schleppten das kleine Kerlchen bald darauf zum Tierarzt. Der hörte mit dem Stethoskop Herzgeräusche – was wohl auf ein zu schwaches Herz hinweist – und schickte uns mit einem kreislaufstärkenden Mittel wieder nach Hause. Doch es half nicht.
Wenige Tage später bekam Lopi abends Atemnot. Er atmete schnell und mühevoll mit dem ganzen Körper, zuckte und bewegte sich unruhig. Das zu sehen bricht mir das Herz. Wir packten den Kater ein und fuhren mit ihm nachts zur Tierärztin, die das Pech hatte, Notdienst zu haben. Während der Fahrt wurde Lopi immerhin etwas ruhiger – aber die Erinnerung an Luna und die nächtliche Fahrt mit ihr zur Klinik war ständig präsent Die Tierärztin konnte nicht helfen, weil sie ohne ein Röntgenbild keine Diagnose hatte. Sie gab uns Antibiotika mit und meinte, dass wir schnellstmöglich eine richtige Diagnose durchführen sollten.


Lüneburg #1
Das Antibiotika half nicht. In der Nacht darauf machten wir uns gerade bettfertig, ich lag schon in den Federn. Lopi bekam kaum noch Luft und es sah schlimmer aus als am Vorabend. Er lag machtlos auf dem Bett, die Nase an der Matratze. Ich bekam richtig Panik und wir machten uns sofort mit dem armen Tier, das kaum Luft bekam, auf den Weg zur nächsten größeren Klinik in Lüneburg.
Die Fahrt dauert eineinviertel Stunden – genug Zeit, sich schlimme Dinge auszumalen. Luna hatten wir auch wegen Atemnot verloren. Besteht eine Chance, dass Lopi heute Nacht eingeschläfert werden muss? Fahren wir zu seiner letzten Station? Oder sind es vielleicht doch nur Lungenwürmer oder eine Bronchitis?
In der Klinik wurde sofort ein Röntgenbild der Lunge angefertigt und es war …. ein Lungenödem, also Wasser in der Lunge. Wie bei Luna. Ich versuchte, Ruhe zu bewahren, als die Ärztin uns empfahl, den Kater zur stationären Behandlung erstmal dazubehalten. In einer Sauerstoffbox könnte man ihn stabilisieren und das Wasser mithilfe eines Entwässerungsmittels entfernen. Nach einem Herzultraschall wüsste man dann mehr. Schweren Herzens ließen wir Lopi in der Klinik.

Als ich aus der Krankenhaustür trat, war es mit der Haltung vorbei. Auch Luna hatten wir in einer Klinik zurücklassen müssen – endgültig. Wir waren mit den Nerven so fertig, dass wir auf einem Autobahnparkplatz erstmal anhielten, um uns auszuheulen. Erinnerungen an Luna verschwammen mit Lopis aktueller Situation. Ich schreibe das jetzt drei Wochen später und kann mich kaum noch an die Fahrt nach Hause erinnern, und an das Gefühl eines Gewichts auf der Brust: die Angst, Lopi zu verlieren.
Pierre hat Lopi mal als MVP, most valued Player, bei uns im Haus bezeichnet. Das ist ein Sport-Ausdruck und bezeichnet den wichtigsten Spieler im Team. Alles bei uns dreht sich um den kleinen Kater: Ist er da, wenn wir nach Hause kommen? Kommt er abends auf die Couch und später mit ins Bett? Geht es ihm gut? Kommt er zum Zuschauen, wenn irgendwo im Garten gearbeitet wird? Lopi ist einfach immer da, er ist Freund, Stütze, Trost, Racker und Quell der Freude.

Mittel- bis hochgradige Kardiomyopathie
Die Arbeit am nächsten Tag sagte ich erstmal ab – es war halb drei, als wir ins Bett fielen. Am Mittag kam der Anruf aus der Klinik, der erstmal Grund zu Optimismus gab. Lopi gehe es gut, er sei stabil, aber nach dem Herzultraschall sei ein weiterer Tag in der Klinik zu empfehlen. Also konnten wir ihn erst am Freitag Abend holen. Shoutout übrigens an Lüneburg – eine riesige Tierklinik und das ganze medizinische Team, das wir kennenlernten, war sehr herzlich.
Der Arzt gab uns am nächsten Abend einen ausführlichen Bericht in die Hand und erklärte, was Sache ist. Lopi hat eine ganze Reihe an Herzerkrankungen:
mittel- bis hochgradige Mitralinsuffizienz, mittel- bis hochgradige DCM vermutlich als beginnende “Burn-Out Kardiomyopathie”, Saumperikarderguss, mittelgradige Volumenbelastung des linken Atriums.
DCM steht für dilatative Kardiomyopathie, also eine der HCM wie bei Luna sehr ähnliche Herzkrankheit. Die Prognose galt als “vorsichtig” und sie hängt davon ab, wie Lopi mit den Medikamenten klarkommt. In der Regel liegt sie wohl bei ein paar Monaten, manchmal mehr, manchmal auch weniger. Es könne jederzeit wieder schlechter werden, sagte der Arzt. Aber Lopi sei sonst die ganze Zeit über “munter und aufmerksam” gewesen.

Lopi hat nun ein umfangreiches Tabletten-Menü: Morgens je eine Tablette zur Stärkung der Herzpumpkraft und eine zur Entwässerung der Lungen, abends dasselbe. Und die sollte er auch einnehmen, sonst könnte es schnell problematisch werden. Freigang ist jetzt für den gartenliebenden Kater verboten. Wie wir die Terrasse in Windeseile katzensicher machten, damit er wenigstens in der Sonne liegen und Vögeln zuschauen kann, soll an anderer Stelle erzählt werden.
Heute einschläfern lassen oder erst am Montag?
Die ersten Tage nach der Rückkehr aus der Klinik waren eine absolute Erleichterung. Lopi atmete wieder völlig normal, nicht mehr so schnell wie zuvor. Er putzte sich mehr, schlief auch wieder mal auf dem Rücken. Kurz: Er war super entspannt. Doch gegen Ende der Woche nahm die Atemfrequenz wieder zu und stieg auf über 40 in Ruhe an, was deutlich zu hoch ist.

In der Klinik hatten sie uns gesagt, dass wir in Ausnahmefällen bei Atemnot – also ein Zeichen für Wasser in der Lunge – eine weitere Entwässerungstablette geben können. Lopi atmete sehr schnell, aber noch nicht so rasselnd wie in der Woche zuvor. Wir hofften, mit einer Entwässerungstablette gegenzuwirken, bevor es richtig schlimm wurde.
Doch sie schien nicht zu helfen. Am Samstag Abend vor anderthalb Wochen war es dann so weit. Es ging Lopi wieder so schlecht wie eine Woche zuvor. Wir dachten, dass die Entwässerungstablette nicht gewirkt hat, wir dachten, dass das ein solcher Fall ist, bei dem das Tier nicht mit den Medikamenten klarkommt und innerhalb von Tagen stirbt. Wir waren verzweifelt und fühlten uns in die Enge getrieben – die vielen Arztbesuche der vergangenen Wochen hatten ihren Tribut gefordert und wir waren einfach so müde.

Was sollten wir tun? Wieder nach Lüneburg – um was zu tun? Das gleiche Programm nochmal? Der erste Aufenthalt hatte uns mehr als 2100 Euro gekostet. Wie oft kann man das machen, bevor das Konto leer ist? Und mit welchem Ziel? Ihm noch ein paar Wochen Leben ohne Freigang erkaufen? Oder nach Lüneburg, um ihn einschläfern zu lassen – über eine Stunde Fahrt mit einem erstickenden Kater, nur um ihn töten zu lassen? Aber welche Wahl bleibt denn sonst? Ihn leiden lassen und am Montag bei der normalen Tierärztin einschläfern lassen? Dann hat er wenigstens keine so lange Fahrt vor sich (und wir ihn noch ein wenig länger bei uns).
Ich heulte mir die Augen aus und rief mit zitternder Stimme in Lüneburg an, um zu fragen, ob wir hier zuhause irgendwas machen können. “Nein”, sagte die Angestellte. “Leider nicht. Kommen Sie her und wir sehen, was wir tun können.” Den Kater weiter leiden zu lassen, war keine Option. Eine Stunde überlegten wir noch hin und her und versuchten uns dem Gedanken anzunähern, dass dieser Abend der Abend ist, an dem unser Kater sterben wird. Es zerreißt einem das Herz. Ich wiegte ihn in den Armen, streichelte sein Fell, dachte, dass er bald kalt und reglos sein wird. Dann fuhren wir los.
Lüneburg #2
Es war keine schöne Fahrt. Auf dem Navi verfolgte ich die Minuten bis zum Ziel. In sieben Minuten sind wir da, sieben Minuten habe ich mein Tier noch für mich. Noch sechs Minuten. Sein Fell ist so weich. Lopi machte all die Fahrten übrigens gut mit. Ich sitze auf der Rückbank und halte ihn auf dem Schoß. Trotz Atemnot schaut er immer neugierig aus dem Fenster. Er ist so lieb, so lebendig. Hoffentlich haben sie einen kleinen Raum, in dem wir uns von ihm verabschieden können, bevor er die Spritzen bekommt.
In der Klinik angekommen nahm uns eine medizinische Angestellte den Kater sofort ab. “Er hat schon ganz blaue Schleimhäute”, sagte sie – ein Zeichen für Sauerstoffmangel. Vollkommen verstört saßen wir im Wartezimmer. Halte ich die Nachricht aus, die wir gleich vielleicht bekommen? Wie bei Luna: “Ich rate zum Einschläfern, um unnötiges Leiden zu vermeiden”?
Als wir in den Besprechungsraum gerufen wurden, kam es anders. Der Arzt sagte: “Ich habe ihn in der Sauerstoffbox beobachtet. Er hat schwere Atemprobleme, aber er sieht sonst sehr fit aus, nicht wie ein Tier, das man sofort einschläfern müsste.” Nein? Obwohl doch die Medikamente nicht wirken? Er sagte außerdem, dass wir die Entwässerungsdosierung erhöhen müssen. Es gäbe noch Optionen. Er würde ein Entwässerungsmittel spritzen und wir sollten schnellstmöglich einen Herzultraschall vornehmen lassen, um die weitere Dosierung zu checken.

Ein großer Fehler und das Erwachen aus einem Alptraum
Und dann stellten wir im Gespräch fest, dass Pierre und ich am Abend zuvor einen fatalen Fehler gemacht hatten: Wir hatten Lopi keine zusätzliche Entwässerungstablette gegeben, sondern eine zusätzliche Herztablette. Die trieb sein Herzchen noch an, was möglicherweise in den 24 Stunden danach zu einer Verschlechterung des Ödems führte. Ich fiel aus allen Wolken. WIR HATTEN DIE ATEMNOT SELBST VERURSACHT?! Aber das war eine unglaublich gute Nachricht: Die Medikamente wirken! Der Grund für die Verschlechterung waren wir, nicht Katerchens sterbender Körper.
Hatte ich zuvor noch ein Gewicht auf der Brust gespürt, fühlte ich mich auf einmal unglaublich leicht. Wir verließen die Klinik, fuhren nach Hause und ich hatte das Gefühl, wie neugeboren zu sein. Als wäre ich aus einem Alptraum aufgewacht. Als hätte irgendwas mir neues Leben eingeflößt. Lopi schien mir unverwüstlich zu sein. Alle Tierärzte der letzten Jahre hatten uns versichert, dass man ihm sein Alter nicht ansieht und seine Blutwerte seien ein Traum. Lopi ist ein starkes Kerlchen!

Zuhause wurde es allerdings zunächst wieder schlimmer und meine Angst kehrte zurück. Bis weit nach Mitternacht saßen wir beim Kater und zählten seine Atemzüge, die zunächst bei um die 50 pro Minute lagen und langsam, langsam auf unter 40 zurückgingen. Vielleicht war die Fahrt einfach zu viel Stress – und genau das ist Gift für ihn.
“Wir müssen ihn erstmal trockenlegen”
Wie empfohlen bettelte ich beim Tier-Kardiologen Dr. Mischke im Tierzentrum Harsefeld bei uns in der Nähe um einen Herzultraschall-Termin. Herr Mischke, der eigentlich keine Kapazitäten hatte, räumte uns Mittwoch letzte Woche einen Termin während seiner Pause ein. Und so saßen wir – wie mit Luna in ihrer letzten Lebensstunde – wieder mit einem Tier beim Herzultraschall. Herr Mischke nahm sich viel Zeit für uns und bestätigte im Wesentlichen die Diagnose der Kardiologie in Lüneburg.
Nur mit der Dosierung ging er anders um. Wo Lüneburg zurückhaltend war, weil die Entwässerungstabletten bei zu hoher Dosis die Nieren schädigen, ging er in die Vollen: Entwässerung morgens, mittags und abends. Herztablette morgens und abends. Eine weitere halbe andere Herztablette “mit Entwässerung an Bord” morgens und abends. Und wenn möglich noch eine Vierteltablette Blutdrucksenker am Tag. Alles in allem acht einzelne Tablettengaben. Wegen der Nieren meinte er: Ja – aber andernfalls stirbt Lopi an Herz oder Lunge. Ich will nicht zu sehr darüber nachdenken.

Gestern, eine Woche später, waren wir wieder zur Kontrolle beim Herzpapst Herr Mischke. Die Untersuchung machte ihn optimistisch: die Ventrikelweitung, die sich bei DCM wohl zeigt, war von 22 Millimeter auf 20 (oder weniger?) zurückgegangen. Ich habe keine Ahnung, was das genau bedeutet, aber es soll gut sein. Heißt: Lopis Prognose ist besser geworden.
Ich fragte genauer. “Wir werden ihn wohl noch eine Weile behalten können” – Lopi scheint die Medikamente gut zu vertragen. Ein anderer Kater hätte mit einer Weitung von 35 Millimetern (alles über 25 Millimeter sei “sehr schlecht”) noch sieben Jahre gelebt, auch wenn das eine Ausnahme sei. Und Lopis Herz und seine körperliche Gesundheit stehen deutlich besser da.
Wir können die Dosierung vorsichtig zurückfahren und bald hoffentlich die Mittagtablette absetzen. Irgendwann wird er natürlich trotzdem sterben – aber hoffentlich nicht so schnell. Lopi ist ein gesundes kleines Kerlchen, und er hat den Notdienst von Lüneburg überlebt – zwei Mal.
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