Beschäftige mich gerade mit Köln im hohen Mittelalter (Referat am 17.11.), und da stolpert man unweigerlich über Reliquien und die „eigenartige Mentalität der Christenmenschen im Mittelalter„*. Es ist einfach süss, wie die Leute damals drauf waren, man hätte sie alle einfach in die Klapse einweisen können :D
Reliquien sind – wer es nicht weiss – Überreste von Heiligen oder auch „nur“ Märtyrern, also Leuten, die für ihren Glauben gelitten haben. Das Martyrium war eine der höchsten Tugenden, es war das Ziel vieler Missionäre für ihren Glauben von Heiden erschlagen zu werden. Und Jungfrauen, die für ihren Glauben sterben, waren sowieso das Maß aller Dinge. Jedenfalls – den Leichnamen dieser Masochisten schrieb man hohe Heilkräfte und Wundertätigkeiten zu, daher war es gut, möglichst viele davon zu sammeln, ihnen Schreine und Kirchen zu bauen und sie zu verehren. Wenn man nicht den ganzen Körper hat, dann reicht auch nur ein Arm, der Schädel, ein Fingerknöchelchen, gar Knochenstaub oder auch nur ein Gewandfetzen reicht völlig aus.
Ausgrabung für die unsterbliche Seele
Und, weil man, wie erwähnt, nie genug davon haben konnte, hat man im 12. Jahrhundert in Köln sogar eine Grabungskampagne gestartet, die über 10 Jahre dauerte. Es wurden systematisch alte Gräber ausgehoben und die Gebeine verehrt. Man ging davon aus, dass im Grunde alle Toten aus der frühen christlichen Zeit in Köln (also so ab dem Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr.) für ihren Glauben gestorben sind, weil das ja damals so Usus war.
Damit man diese ausgegrabenen Heiligen und Märtyrer aber auch ordentlich verehren konnte, musste man ja deren Namen kennen (ich wüsste nicht, dass man eine Kirche zu Ehren des Sanctus Incognitus gestiftet hätte). Daher fand man zufällig auch kleine Inschriftentäfelchen bei den Toten, auf denen ihre Namen und ein paar Lebensdaten draufstanden. Wie praktisch, dass sie diese Inschriften damals den Toten beigelegt haben!
Jedenfalls. Selbst damals hatte man schon Zweifel daran, dass diese Täfelchen auch wirklich echt sind und nicht etwa von den Ausgräbern gefälscht wurden. Daher führte man eine bewährte Echtheitsprüfung im bewährten Mittelalter-Style durch.
Man sandte die Täfelchen an ein Kloster, in der die heilige Elisabeth wirkte. Sie hatte von Kindheit an schon Visionen und konnte mit den Toten irgendwie sprechen. Sie sollte sich also in die Inschriften vertiefen und Verbindung mit den Märtyrern im Totenreich aufnehmen. Auf diese Weise wäre bestätigt, dass es sich um echte Täfelchen handelt und man die Gebeine wirklich verehren konnte.
Offenbar war sie ein ganzes Jahr mit der „quälenden Visionsarbeit„* beschäftigt, und erschwerend kam hinzu, dass die göttlichen Offenbarungen auch nur an Festtagen, also Tagen des Herrn, erfolgten. Auf jeden Fall konnte durch die vielen neuen Reliquien und deren Echtheitszertifizierungen durch Elisabeth der Ruf und der Ruhm von Köln als heilige Stadt ungemein gesteigert werden :D
* Zitiert aus dem Buch: Legner, Anton: Kölner Heilige und Heiligtümer. Ein Jahrtausend europäischer Reliquienkultur, Köln 2003, S. 38f.
Unterwasser-Exploration
Und noch was anderes, was ich vor ungefähr einem halben Jahr zufällig in einem Schinken aus dem 14. Jahrhundert gefunden habe:
Ich weiss nicht, was der Explorator da macht, vermutlich irgendwie die Wasserwelt erforschen, aber .. wie? Und der typisch mittelalterlich-belehrend erhobene Finger, der einem sagt: „Achtung, göttliche Weisheit incoming!“ <3
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