Kürzlich dachte ich, es wäre mal Zeit für ein „richtiges“ Virtual Reality-Spiel im eigentlichen Sinn. Zuletzt hatte ich mir ausschließlich Anwendungen und Spiele angeschaut, die eher lehrreich sind, bzw. Orte/Situationen zeigen, die man sonst nur schwer oder gar nicht erreichen kann.
Mir fiel dann Raccoon Lagoon, auf deutsch „Die Waschbärlagune“, gleich ins Auge – das Spielt erhielt sehr gute Bewertungen im Oculus-Store und kostet nur 15 €. Etwas skeptisch war ich allerdings schon, sieht ja doch sehr kindlich aus – aber die Bewertungen…!
Also hab ich der Sache mal einen Versuch gegönnt. Und habe es nicht bereut – das Spiel hat mich direkt nach dem ersten Einloggen eingefangen :D
[pullquote align=“alignright“ size=“col-sm-3″ fontfamily=“default“ fontsize=“90″]Raccoon Lagoon ist ein Oculus-Exklusivtitel und wurde von Hidden Path Entertainment entwickelt. Release war der 25. Juli 2019. Hier geht’s zum Spiel im Oculus-Shop.[/pullquote]
Schon von der ersten Sekunde fühlen wir uns mitten in eine Fantasie-Welt versetzt, die sehr an World of Warcraft erinnert. Das war jedenfalls mein erster Gedanke, als ich die Spielgrafik und die Aufmachung sah. Auf einer Steintafel, die von zwei lodernden Flammenschalen eingerahmt und von Efeu umschlungen wird, wählen wir unseren Spielstand aus (oder legen einen neuen an). Das erinnert optisch schon sehr an den alten, aber immer noch aktuellen MMORPG-Platzhirsch World of Warcraft aus dem Jahre 2005 :D
In diesem Beitrag stelle ich euch die Waschbärlagune vor – und warum ich das Spiel schon vom ersten Augenblick an in mein Herz geschlossen habe :D
Ich spiele Raccoon Lagoon in unregelmäßigen Abständen als „Let’s play“ auf YouTube. Wenn du möchtest, kannst du dir hier das Gameplay anschauen, unten siehst du die erste Folge und meine Ankunft auf der Waschbäreninsel.
Um was geht es in Raccoon Lagoon?
Nach dem Start eines neuen Spiels erwacht ihr in einer tempelartigen Höhle am Strand einer kleinen Insel. Ihr seid scheinbar ein guter Geist der Insel – wie oder was genau ihr seid, ist nicht ganz klar. Draußen vor der Höhle herrscht jedenfalls Sturm und ihr seht, dass ein Schiff in Seenot geraten ist. Eine (deutsche!) Stimme aus dem Off lotst euch zu einem Steg am Strand mit einer kleinen Feuerstelle drauf. Ihr sollt Holz sammeln, um ein Feuer zu machen und dem Schiff so die Möglichkeit zu geben, seinen Weg zum Strand zu finden.
Nachdem ihr das gemacht habt, legt der der Sturm weiter zu und ihr findet euch kurz darauf offenbar am nächsten Morgen in eurer Höhle wieder.
Am Strand laufen nun die Schiffbrüchigen umher – niedliche Tiere und Fantasywesen, genannt „Nims“, die euch erwartungsvoll anschauen. Kleine Sprechblasen zeigen euch, was das jeweilige Viech gerne hätte. Das können Muscheln, Äpfel, Holz oder ganz anderes Zeug sein, das ihr in der Umgebung so findet.
Es stellt sich heraus, dass die Nims früher schon mal in einem Dorf auf der Insel gelebt haben. Das Dorf wurde aber durch den Ausbruch des großen Vulkans auf der Insel zerstört und die Bewohner vertrieben.
Ihr sollt nun dabei helfen, das Dorf wieder aufzubauen. Das Prinzip bleibt dabei immer gleich: Die Nims zeigen euch, was sie wollen und ihr treibt das gewünschte Zeug auf. Erfüllt ihr die Wünsche der Nims, geben sie euch häufig ein Herz, das ihr einsammeln solltet. Herzen sind eine Art Währung, die ihr vor allem dazu benötigt, den Durchgang zu neuen Gebieten freizuschalten.
Das klingt simpel und langweilig, stellt aber nur den äußeren Rahmen dazu dar, dass ihr euch auf der Insel umschaut, herumrätselt und neue Gebiete entdeckt. Schnell findet ihr die Sachen auch nicht mehr in der direkten Umgebung, sondern müsst es durch Tauschgeschäfte, auch in anderen Inselregionen, zusammensuchen.
Wie immer bei VR gilt hier ein kleiner Hinweis: Die Bilder und Videos, die ihr hier seht, können nicht das dreidimensionale „Ich bin drin!“-Gefühl wiedergeben, das ihr tatsächlich im Spiel habt. Die matschigen, platten Screenshots haben kaum etwas zu tun mit der lebendigen, bunten ingame-Spielwelt.
Guter Geist mit Axt und Gießkanne
Von manchen Nims bekommt ihr statt Herzen oder anderen Tauschgegenständen auch Werkzeuge, etwa eine Angel, eine Axt, einen Pickel und eine Gießkanne. Was ihr damit macht, ist klar :D Für Edelsteine oder Metalle müsst ihr die entsprechenden Vorkommen wegkloppen, für Bernstein und Holz müssen Bäume das Zeitliche segnen.
Wer sich hier Sorgen um die Natur macht (wie ich :D), der sei beruhigt: In Raccoon Lagoon sind die Tage in „Sonnenschein“ und „Sturm“ unterteilt. Irgendwann zieht immer ein Gewitter auf, das sich zunächst durch leisen Donner und schließlich durch laute Sturmböen und Blitze bemerkbar macht. Im Höhepunkt des Sturms endet der Tag, die Welt wird dunkel und ihr beginnt am Morgen des nächsten Tages. Der Sturm setzt eure Schandtaten an der Natur wieder zurück: Sammelbare Gegenstände sind wieder da, gefällte Bäume und geplünderte Erzvorkommen glitzern wieder an den Felsen.
Mit der Gießkanne dagegen gießt ihr völlig harmlos und gewaltfrei Pflanzensamen, die ihr zuvor gesät habt – manche Nims wollen nämlich Gemüse, und das müsst ihr selber kultivieren :D Also steckt ihr Samen in den Boden – es gibt sogar eine Bauernhofregion mit angelegten Äckern, wo ihr euren grünen Daumen ausleben könnt. Begrenzt jedenfalls. Hier wollen auch Kühe, Schafe, Hühner und andere Bauernhoftiere versorgt werden.
Das Gameplay hat mich an Quests aus „The Legend of Zelda“ erinnert, wo ihr den Einwohnern von Hyrule Gefallen tut und irgendwelche merkwürdigen Gegenstände als Belohnung bekommt, mit denen ihr nichts anfangen könnt. Aber irgendjemand kann das Zeug gebrauchen, und so öffnet ihr euch immer neue Wege.
Ach Gottchen, sind die putzig!
Das Spielprinzip in Raccoon Lagoon ist nicht sehr komplex – aber die Umgebung, die Geräuschkulisse und die unglaublich liebenswert designten Nims machen diese Einfachheit mehr als wett.
Zuerst fällt schon von Anfang an auf, dass ihr als Spieler selbst viel kleiner seid als gewohnt. Eure Beine enden gefühlt am Oberschenkel, so dass ihr selbst nur einen Meter groß seid. Es ist ziemlich interessant, dem Boden mal wieder näher zu sein nach all den Jahren, die seit der Klein-Kindheit vergangen sind :D
Viele Spieler scheinen damit allerdings nicht gut klarzukommen, jedenfalls liest man das in den Foren. Sie vermuten darin einen Fehler oder schlechtes Tracking. Der Entwickler hatte sich jedoch dazu geäußert und geschrieben, dass die „Schrumpfung“ des Spielers Absicht sei. Und ich finde es auch gut, denn so befinden wir uns auf Augenhöhe mit den Nims. Wobei Kaninchen und Frösche natürlich immer noch kleiner sind als ihr ^^
Und die Augenhöhe ist wirklich super. Die Nims sind einfach so unglaublich liebenswert! Da ist zB. dieses rosa Viech im Schlummerwald, das mich derart entwaffnend anschaut, dass ich gar nicht anders kann, als ihm über den Kopf zu streicheln. Alle Wesen in Raccoon Lagoon (außer vielleicht die grimmigen Waschbären) begegnen dir einfach freundlich und voller Unschuld und Vertrauen.
Ein kleiner Hirsch mit Geweih springt umher und schaut mich bittend an (er wünscht sich Nüsse). Ein kleiner Drache ist nach dem Schiffbruch nur ein Strich in der Landschaft, sobald wir ihm eine Beere bringen, legt er gut zu und fängt selbst munter an, Bäume zu fällen.
Zur Niedlichkeit tragen auch die Geräusche viel bei, die die Nims machen. Ich kann das hier kaum niederschreiben, aber schaut einfach mal in mein Let’s Play oben rein, dann wisst ihr, was ich meine :D Allein die „Nim-Sprache“ bringt mich schon zum Lachen.
Die Nims zeigen außerdem Zustimmung und Ablehnung an. Reicht ihr ihnen etwas, was sie nicht mögen, schütteln den Kopf und machen abwehrende Geräusche. Erfüllen wir dagegen ihre Wünsche, freuen sie sich, lachen, zappeln – es ist einfach süß!
Das ganze Spiel strahlt eine Atmosphäre der guten Laune und der „Willkommenheit“ aus, die tatsächlich einfach ein Glücksgefühl auslöst.
Der herzzerreißendste Moment war dann, als ich eine kleine Schildkröte hochgenommen und ins Wasser geworfen habe, um zu sehen, was passiert. Die Schildkröte hat das wohl nicht überlebt: Sie spawnte wieder auf der Wiese und schüttelte traurig heftig den Kopf. Und sie legte ein Häufchen. Ziemlich klar, dass sie wohl nicht schwimmen kann!
Eine Insel mit verschiedenen Regionen
Bis dahin ist das Spiel liebenswert und schön gemacht. Aber sobald ich den Durchgang zum Schlummerwald durchschritten hatte, fühlte ich mich tatsächlich an einen traumartigen Fantasy-Ort versetzt. Ich war glücklich, ich war „woanders“. Der Schlummerwald ist eine Art Elbenwald, ein friedliches Paradies, eine Oase der Harmonie. Er wurde mit Sicherheit inspiriert von Teldrassil, der Heimat der Nachtelfen im Warcraft-Universum, und der wurde inspiriert von der Heimat der Waldeleben in Tolkiens Mittelerde.
Hier stehen riesige Bäume, durch das Dach der Kronen mit ihren rosa Blüten ist kein Himmel mehr zu sehen. Aus allen Richtungen zwitschern Vögel, die Hintergrundmusik ändert sich in sanfte Klavierklänge. Rehe springen mit Wölfen um die Wette, in einer Höhle am Rande sitzt ein Bär, der friedlich brummt.
Normalerweise seht ihr solche Orte auf einem zweidimensionalen Bildschirm, oder von mir aus auf einer Kinoleinwand. Ihr denkt euch vielleicht, wie schön es wäre, so eine friedliche Lichtung mal wirklich zu sehen. Und in Raccoon Lagoon gibt es diesen verzauberten Ort, und ihr steht mitten drin. Es ist der Wahnsinn!
Ähnlich sieht es auch mit dem Minengebiet aus. Auf einmal befindet ihr euch in einer glitzernden Grotte, an deren Decke Edelsteine zu funkeln scheinen. Ihr lauft durch Gänge und könnt in einem weiteren Höhlengang Lava fließen sehen.
Niemals habe ich mich mehr in eine Fantasy-Welt versetzt gefühlt als in Raccoon Lagoon. Neben den unfassbar liebenswerten Nims ist die Umgebung das größte Argument dafür, dass ich sage: Wer eine VR-Brille hat, sollte sich die Waschbärenlagune anschauen!
Wie schafft es Raccoon Lagoon, so fantasy-artig real zu sein?
Es wundert mich selbst, dass ich nach mehr als zwei Jahren mit Oculus-Brille noch immer erstaunt darüber sein kann, mich in einer virtuellen Welt wiederzufinden.
Vielleicht liegt es aber daran, dass ich mich vor allem auf Apps konzentriert hatte, die einen realen Ort wiedergeben, bzw. die versuchen, Realismus darzustellen. Und dort fallen dann Kleinigkeiten auf, an denen man merkt, dass die VR-Version der Wirklichkeit nahe kommen, aber dennoch kleine Fehler hat. Wenn die Texturen etwa nur knapp außerhalb der Sichtweite sehr matschig werden oder die Photogrammetrie-Technik an ihre Grenzen kommt.
In anderen VR-Spielen und -Erfahrungen, wie etwa Orbus VR, das erste MMORPG für Virtual Reality, ist die Grafik wirklich äußerst sporadisch gehalten. Es passt zwar, man sagt sich dann, „ja, ich kann erkennen, was es darstellen soll“, aber die eigene Fantasie ist eben gefragt, um das Gesehene zu ergänzen oder Fehler zu ignorieren.
In Raccoon Lagoon dagegen soll kein Realismus erzeugt werden. Die Nims dort sollen überhaupt keine richtigen Arme und Beine haben. Alles soll irgendwie süß und kindlich wirken. Je weniger man darstellen muss, desto besser kann man alles machen, was der Umgebung Leben einhaucht. Und das ist hier wirklich gelungen.
Raccoon Lagoon – Unbedingt ansehen!
Wer Virtual Reality nicht nur für außergewöhnliche Erlebnisse nutzen möchte, sondern sich auch mit einem in jeder Hinsicht drolligen Spiel anfreunden kann, dem wird „Die Waschbärlagune“ sicher gefallen. Ihr könnt ein wenig rätseln, erfreut euch an den schön gemachten Umgebungen und den freundlichen Nims und findet dadurch Entspannung.
Ich würde sagen, Raccoon Lagoon ist eine traumartige Erfahrung. Hier geht es nicht um Rekorde oder „schnellstmöglich weiter“, sondern um die Atmosphäre und darum, sich mit einer Fantasiewelt und ihren Bewohnern zu befassen.
Allerdings gibt es einen Knackpunkt, der empfindlicheren Spielern die Suppe versalzen könnte: Motion Sickness. Aktuell gibt es keine Teleportier-Möglichkeit. Ihr bewegt euch schwebend durch die Welt, und vielen Menschen schlägt das heftig auf den Magen. Das sieht man auch in den Bewertungen des Spiels. Es gibt sehr viele Äußerungen dazu, dass manchen schon nach wenigen Minuten schlecht wird.
Ich könnte das Spiel auch nicht ewig spielen und nach einer Dreiviertelstunde ist definitiv auch bei mir eine Pause notwendig. Mit einer Teleport-Funktion hätten es viele Spieler vermutlich leichter.
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