Details zum Buch
Autor: Cory Doctorow
Titel: Wie man einen Toaster überlistet
Erstveröffentlichung: 2018 (Orig.) / deutsch 2019
Seiten: 173
In diesem Buch gibt es nicht wirklich eine Anleitung, wie du deinen Toaster überlisten kannst ^^ Vielmehr ist es eine Geschichte darüber, welche unschönen Züge die zunehmende Vermarktung jedes Lebensbereichs annehmen könnte.
Beschränkung auf ein einziges Produkt: Dash-Buttons
Nehmen wir als Einleitung mal ein Beispiel aus der Realität. Hast du mal von Amazon-Dash-Buttons gehört? Die waren vor nicht allzu langer Zeit in den Nachrichten, weil sie als rechtswidrig beurteilt wurden.
Kurzer Kontext: Amazon hatte sich was Tolles überlegt, wie sie Menschen das Leben einfacher und sich selbst die Taschen voller machen könnten: Es gibt ja Artikel, die man immer wieder braucht. Z.B. Waschmittel. Anstelle das Waschmittel aber regelmäßig aus dem Supermarkt zu schleppen, könnte man es ja auch bestellen. So ein Dash-Button ist nichts anderes als ein Bestellknopf für ein einziges Produkt. Den klebt man sich an die Waschmaschine, und wenn das Waschmittel zur Neige geht, haut Mutti einmal drauf und einen Tag später wird Waschmittel geliefert.
Soweit, so gut. Amazon setzt hier darauf, dass der Mensch es sich gern einfach macht. Anstatt im Supermarkt vor dem Regal zu stehen und zu überlegen, ob man nicht mal ein anderes Waschmittel ausprobieren könnte, bestellt man sich bequem immer das gleiche nach. Für Amazon ist das gut, weil die Kunden nicht nur nicht beim lokalen Supermarkt kaufen, sondern bei Amazon, und sich außerdem auch noch das teurere Markenwaschmittel gönnen.
Wenn Toaster nur zertifiziertes Brot rösten
In genau diese Kerbe schlägt „Wie man einen Toaster überlistet“. Salima ist ein Flüchtling aus Libyen, die nach dem Flüchtlingslager in den USA endlich ihre eigene richtige Wohnung bekommt. Allerdings eine Sozialwohnung, die weniger Miete kostet. Der Deal dabei ist: Die Wohnung kostet zwar weniger, aber die Mieter verpflichten sich, die vorhandenen installierten Geräte zu nutzen. Z.B. den Boulangism-Toaster und die Spülmaschine von Disher.
Diese Geräte funktionieren aber nur mit zertifiziertem Zubehör: Der Toaster röstet nur teures Boulangism-Brot, die Spülmaschine wäscht nur teures Disher-Geschirr. Auf diese Weise verdienen die Firmen nicht nur an ihren Geräten, sondern auch an deren Nutzung. Und die Vermieter verdienen durch Provision mit und bekommen so einen Teil der verpassten Miete wieder rein. Für die Bewohner bedeutet das, dass ihre Wohnung nur günstiger erscheint, sie aber an anderer Stelle dafür draufzahlen.
Mehr Freiheit durch Toaster-Hack
Salima ist das alles aber zunächst nicht bewusst. Erst, als Boulangism und Disher gleichzeitig Insolvenz anmelden und die Geräte ihren Dienst einstellen, weil sie ihre Server nicht mehr erreichen können, setzt sie sich mit dem System auseinander. Sie recherchiert im Dark Net und findet heraus, wie man die Geräte hackt, so dass ihnen vorgespielt wird, zertifizierte Produkte zu verwenden.
Es war jetzt ein ganz neuer Toaster. Ein Toaster, der Befehle annahm, statt sie zu erteilen. Ein Toaster, der ihr genug Spielraum gab, um sich selbst umzubringen. Sie konnte einen Akku oder eine Haarspraydose grillen, oder was auch immer sie sonst wollte. Vor allem aber unautorisiertes Brot.
Cory Doctorow – Wie man einen Toaster überlistet
Auf einmal wird das Leben besser! Salima spart viel Geld und fühlt sich freier, weil sie kaufen und nutzen kann, was sie will. Sie teilt ihr wissen mit ihren Nachbarn, die alle das gleiche Problem haben.
Alles ist super, bis die beiden insolventen Firmen einen neuen Geldgeber finden und ihren Betrieb wieder aufnehmen. Salimas Hack droht aufzufliegen, weil die Küchengerätegewinne aus den Sozialwohnungen auf 0 gesunken sind. Ihr und ihren Nachbarn würde die Wohnungskündigung drohen, denn die Nutzung der installierten Geräte ist Bestandteil des Mietvertrags.
Und so steht Salima nun vor der Frage: Die neugewonnene Freiheit aufgeben und alle Hacks wieder rückgängig machen, um in Zukunft wieder mehr Geld für zugelassene Produkte ausgeben? Oder nach anderen Lösungen suchen und dabei empfindliche Strafen riskieren?
Alles hat seinen Preis! Doctorow übt Kritik
„Wie man einen Toaster überlistet“ ist Profitgesellschaftskritik pur, kombiniert mit etwas Wissensvermittlung in Sachen IT und Affiliate Marketing. Das Buch ist eine einzige Anklage an die Verhältnisse, auf die wir aktuell zusteuern: Jeder Bereich des Lebens ist eine Marketingnische. Überall gibt es noch etwas Geld rauszuholen. Und wer wenig Geld hat, der muss eben eine Dreiviertelstunde auf den Aufzug hacken – so ist die Welt (bzw. könnte bald werden). Umsonst ist nur der Tod!
Salima ist die personifizierte freie Internetgemeinde – sie vertritt alle die, die nicht einsehen, sich einfach ohne Prostest in jede Marketingmühle einspannen zu lassen. Das Dark Net als letzter Hort des Internets, in dem es nicht um Klicks und Klickauswertung geht, dient ihr dazu, wozu das Internet eigentlich gedacht war: Den freien Austausch von Wissen für jedermann.
Schnell wird klar, dass Doctorow seinen Roman in Kategorien von Gut und Böse unterteilt: Die Konzerne, die alles zu Geld machen und dabei Nutzerfreiheiten einschränken auf der einen Seite und das Dark Net mit seinen Foren, Blogs und Gruppen als „Rebellen für die Freiheit“ auf der anderen Seite.
Und ja, wenn man drüber nachdenkt, dann kann man die Infos aus dem Internet schon als Grundpfeiler des Alltags ansehen. Ich will nicht wissen, mit wie vielen zusätzlichen Anfragen Support-Hotlines rechnen müssten, wenn es auf einmal keine Tutorials und How tos mehr gäbe :D
Lucyda übt auch Kritik
Pluspunkte bekommt das kleine Buch dafür, dass die Hauptrolle eine Frau ist – in einem Buch, in dem es darum geht, sich technisches Know-How anzueignen! Und auch die Flüchtlingsperspektive stimmt mich gnädig. Wie akkurat die allerdings ist, kann ich nicht sagen, denn der Kanadier Doctorow hat, soweit ich das nach einer kurzen Recherche beurteilen kann, eigentlich mit Flüchtlingen nichts zu tun.
Auch am Schreibstil habe ich nichts zu meckern. Dafür aber am Spannungsbogen der Handlung. Das Buch beginnt noch interessant, und die Erwartungen an die nächsten rund 150 Seiten sind hoch. Aber Doctorow erfüllt sie nicht. Denn was auch immer man bei einem Titel wie „Wie man einen Toaster überlistet“ erwartet – das Buch liefert eigentlich genau das, nur eben im fiktiven Sinne.
In diesem Buch überlistet Salima ihrer Toaster. Und dann wird sie sich bewusst, dass das illegal ist und überlegt sich, was sie nun mit ihrem überlisteten Toaster umgeht. Das Buch thematisiert auch, dass aus ihrem anfänglichen Gefühl der Freiheit und Macht (über sich selbst) Kontrollverlust, Angst und Reue wird. Aber viel mehr kommt einfach nicht.
Am Ende folgt kein Gesellschaftsumsturz, falls es weitere raffinierte Metaphern gibt, habe ich sie nicht erkannt, und das Buch ist aber auch keine interessant oder humorvoll geschriebene „Der Weg ist das Ziel“-Geschichte wie etwa Marc-Uwe Klings QualityLand. Im Gegensatz zu Klings umfassender, dystopischer Gesellschaftsdystopie beschränkt sich Doctorow dabei auch nur auf Küchengeräte und Aufzüge.
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Wie man einen Toaster überlistet – Wertung
Das Buch beginnt stark mit einer guten Idee, lässt dann aber nach und verliert sich in Irrelevanz. Zwischendrin habe ich mich trotz der wenigen Seiten sogar ein wenig gelangweilt, weil Salima nur hin und her überlegt oder von A nach B rennt. Oder anders gesagt: Dem Buch fehlt die Pointe.
Der gute Ansatz und die frische Perspektive – ein weiblicher Flüchtling als Geräte-„Hackerin“! – rettet dem Buch noch die drei Bewertungssterne. Die Geschichte selbst mit ihrer Kritik an Konzernen und Gesellschaften würde sonst nur zwei Sterne von mir bekommen.
» So funktioniert die Buchbewertung
Ich bedanke mich bei der Randomhouse-Verlagsgruppe, die mir das Buch zur Rezension überließ. Meine Meinung zum Buch wurde nicht durch das geschenkte Exemplar beeinflusst!
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