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Anno 1800 angespielt – Großartiger Zeitfresser!

Anno 1800

Kaum zu glauben, aber tatsächlich wahr: Zwar bin ich seit ungefähr immer ein Riesenfan von Aufbau-Strategien aller Art und quasi mit Civilization 1 und Die Siedler 2 aufgewachsen. Aber die Anno-Reihe habe ich nie gespielt. Schande, Schande, Schande!

Jetzt steht aber das neue Anno 1800 kurz vor Release (genauer: morgen!) und ich dachte mir, diesmal lass ich es mir nicht entgehen. Passend dazu gab es jetzt am Wochenende eine große Open Beta, die Interessierte wie ich als kostenlose Spieldemo nutzen konnten. Perfekt, da kann man ja nicht nein sagen!

In diesem Beitrag stelle ich dir kurz meine Eindrücke zum Spiel vor – die basieren immerhin auf 10 oder 12 Stunden Open Beta-Einsatz :D

Anno 1800

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Ganz grob: Um was geht es in Anno 1800?

Wie wir es bei anderen Echtzeit-Aufbaustrategien kennen und lieben, dürfen wir auch in Anno 1800 eine bäuerliche Siedlung aus der grünen Wiese stampfen, die sich dann allmählich zu einer ansehnlichen viktorianischen Stadt mausert.

Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der Industrialisierung und damit der Dampfmaschinen und der dreckigen Luft durch das Verbrennen von Kohle. Und ja, im Spiel können wir so richtig ausgiebig Dreck in die Luft pusten. Was nicht unbedingt toll ist, weil die gutbürgerlichen Touristen mit ihren grazilen Spazierkleidchen und Sonnenschirmen bzw. Stock und Zylinder, die per Raddampfer anreisen, das nicht so ansprechend finden. Deswegen sollten wir neben der ganzen Schwerindustrie auch die kleinen Lustgärten, Parks und auch ein wenig Kultur nicht vernachlässigen.

Schwerindustrie in Anno 1800
Dreck im Wald dank Schwerindustrie

In Anno 1800 steuerst du die Entwicklung vom bäuerlichen Holzfällerdorf zur lebendigen Großstadt mit verschnörkelten Reihenhäusern über die Bedürfnisse der Bewohner. Je niedriger der Status, desto geringer die Bedürfnisse. Sind die aber alle befriedigt, kannst du das entsprechende Wohngebäude auf die nächste Stufe aufwerten. Auf der höheren Stufe verrichten die Bewohner spezialisiertere Arbeit: Statt etwa die Schafe zu hüten, verarbeiten sie als Weber/Schneider Schafwolle zu Kleidung. Später kommen dann auch Fensterbau und Pelzmanufakturen hinzu – und noch weiter bin ich in der Open Beta nicht gekommen, habe aber gesehen, dass es wohl noch zahlreiche weitere Aufstiegsstufen gibt.

Kanal von Lucyda

Interessiert an Let’s Plays und weiteren Videos zu Anno 1800 – Die Passage? Dann schau doch mal auf meinem YouTube-Kanal vorbei, da gibt es einiges dazu zu sehen! Über ein Like oder Abo freue ich mich ganz besonders :-)

Selbstredend haben höherstufige Bewohner auch luxuriösere Bedürfnisse, die es zu befriedigen gibt – und so kommen immer weitere Produktionsketten dazu, für die du weitere Gebäude benötigst. Gleichzeitig darfst du aber auch die Basis nicht vernachlässigen, denn die Grundbedürfnisse bleiben weiterhin bestehen. Menschen wollen nur einfach immer mehr :D

Neben der Industrialisierung ist der Kolonialismus ein weiterer Aspekt des 19. Jahrhunderts. Jede Nation wollte möglichst viel Land auf anderen Kontinenten für sich sichern. Wie gemacht also für ein Spiel wie Anno, in dem wir schließlich Land besiedeln wollen. Wir können daher Schiffe auf gefährliche Expeditionen in die Neue Welt aussenden und auf große Beute (oder eben neues Land hoffen), aber auch bei uns in der Alten Welt gibt es noch viele unbesiedelte Inseln, die sich nach einer neuen Kolonie sehnen. Oder eben besiedelte Inseln, deren Besitzer mit ein wenig Nachdruck per Schiffskanonen von ihren Inseln vertrieben werden wollen. In Anno 1800 gibt es keinen Landkrieg, sondern wir fechten unsere Streitereien ausschließlich mit der Marine aus – oder nutzen diplomatische Mittel, aber das ist ja langweilig.

Anno 1800 - Fregatte
Eine schicke Fregatte direkt nach dem Stapellauf

Erster Eindruck? Auf einmal war der ganze Tag weg!

So weit, so gut. Mein erster Eindruck nach wenigen Stunden war: „Möööh, das Spiel ist ja langweilig“. Mir gefiel beispielsweise die kindliche Kampagne nicht, die mich an die ebenso kindliche Kampagne aus Siedler 7 erinnerte (das wundert nicht, schließlich stammen beide Spiele aus dem Entwicklerstudio Blue Byte). Hier passiert Folgendes: Auf Bitte meiner Schwester kehre ich zurück in die Heimat in der Alten Welt. Hier wurde unser Vater des Verrats gegenüber der Krone beschuldigt, inhaftiert und starb im Gefängnis. Wir sind natürlich überzeugt, dass er unschuldig ist und müssen jetzt eine Stadt aufbauen, um einerseits die Geldforderungen unseres fiesen Onkels nachkommen zu können, und andererseits, um mit Geld und Überzeugung die Verschwörung aufzudecken. Ich kann mir schon vorstellen, wer der Böse ist.

Die Geschichte fand ich also langweilig. Und beim Gameplay verstand ich nicht, was nun so interessant an Anno sein soll. Ich machte in den ersten ein bis zwei Stunden nichts anderes, als meine Insel mit Bauernhöfen vollzukleistern.

Anno 1800 - Kleinstadt
Meine Stadt sieht zwar noch etwas ländlich aus, aber man erahnt eine große Zukunft!

Transport, Reise und Aufbau spielen überhaupt keine Rolle in Anno. Einen Verkehrs- und/oder Transportaspekt wie bei Cities Skylines, Transport Fever und teilweise auch bei Die Siedler gibt es einfach nicht. Waren müssen nicht entlang der gesamten Produktionskette transportiert werden, sondern nur bis/aus dem nächstgelegenen Lagerhaus. Die Lagerhäuser teilen sich nämlich den gesamten Lagerbestand der Insel, egal, wie abgelegen ein Lagerhaus ist. Packt der Holzfäller sein Holz ganz im Osten ins Lagerhaus, ist es umgehend für den Schreiner im Westen verfügbar. Auch die Arbeiter beamen sich irgendwie direkt zu ihrem Arbeitsplatz, sie müssen nicht erst dorthin. Hauptsache, es gibt genügend passende Arbeiter, dann läuft alles. Du musst auch Gebäude nicht erst mühselig aufbauen oder so, wie etwa in Die Siedler oder im Indie-Spiel Foundation. Platziere ich ein Gebäude, ist es sofort fertig. Das hat mich anfangs enttäuscht.

Dann begann ich aber mit einem freien Spiel und konnte schalten und walten, wie ich wollte. Auf einmal war ich mitten im Zeitfresser-Flow, den ich von den anderen genannten Spielen schon gut kenne. Nur noch hier eine Produktionskette fertigstellen. Nur noch dort auf das neue Schiff warten. Och komm, schnell noch das Piratenschiff versenken. Ohje, und jetzt fehlt Kleidung, nun muss ich wieder eine Farm bauen. Und wie komm ich nun an Paprika für Gulasch? Es wird mit der Zeit doch anspruchsvoller, insbesondere, wenn das Geld dann mal knapp wird, weitere Inseln hinzukommen und die eigenen Transporter ständig von Piraten versenkt werden.

Das Spiel meldet sich jede Stunde mit einem dezenten Hinweis dazu, wie lange du schon im Spiel steckst und dass du mal eine Pause machen könntest. Ich habe das … zur Kenntnis genommen. „4 Stunden? Pause? Pff, hab doch grad erst angefangen“ – „5 Stunden? Jaja, nur noch kurz“ – „6 Stunden? Bitch please, es ist Sonntag, lass mich doch“. Auf einmal war es 20 Uhr – eigentlich wollte ich nachmittags nur kurz zocken und dann noch was unternehmen. Und nach dem Essen ging es dann weiter, auf einmal war es Mitternacht. Wo ist die Zeit geblieben?

Künstlerfest in Anno 1800
Auf den Straßen meiner Stadt gibt es was zu feiern!

Diplomatie und Multiplayer

Wie sich das für die Zeit der Kolonialisierung gehört, gibt es auch Diplomatie. Damit kannst du mit anderen Anführern interagieren und Verträge aushandeln, sie aber auch einfach nur beleidigen bzw. dich bei ihnen einschmeicheln. Auch die Möglichkeit, Krieg zu erklären, darf natürlich nicht fehlen! Die diplomatischen Optionen ähneln sehr denen in Civilization, da habe ich mich gleich zu Hause gefühlt.

Leider fehlen diese Optionen im Multiplayer-Modus. Es hat problemlos funktioniert, mit Pierre über Uplay ein gemeinsames Spiel zu starten – aber von Koop war nicht so viel zu sehen. Okay, wir starteten als Team und damit als beste Freunde – aber auch beste Freunde sollten doch mal miteinander reden. Ich würde es toll finden, wenn man auch mit den alliierten Mitspielern die diplomatischen Möglichkeiten hätte und ihnen etwa Geschenke machen oder einen Handel durchführen könnte (letzteres glaube ich jedenfalls gesehen zu haben).

Mit Pierre als Mitspieler hatte ich daher keinerlei Interaktionsmöglichkeiten. Auch der Chat ist dabei nicht sehr hilfreich. Es gibt zwar einen Chat – aber der ist standardmäßig geschlossen und als Spieler fehlt dir jeglicher Hinweis, wenn du im Chat angeschrieben wirst. Wir haben uns also per Schreien über zwei Zimmer halbwegs verständigt. TeamSpeak oder ähnliches ist nur semihilfreich, weil man schließlich beim Ersinnen komplizierter Produktionsketten nicht ständig jemanden im Ohr plappern haben will :D Ich denke, dass Blue Byte da noch nachbessern wird. Oder vielleicht war es auch nur eine Beta-Anomalie ^^

Anno 1800 - Artwork
Ein hübsches Artwork aus dem Ladebildschirm

Aufgaben und Items

Was ich so aus anderen vergleichbaren Spielen nicht kenne (höchstens vielleicht aus Black & White, was primär kein Aufbauspiel war), sind die kleinen Aufgaben, die einerseits Bürger meiner Stadt und andererseits Anführer anderer Fraktionen für mich haben. Gelegentlich erscheint in der Stadt ein kleiner Stern. Dort haben sich einige Bürger versammelt, die irgendwas wollen: Finde meine entlaufenen Schafe, finde meinen betrunkenen Mann, mach ein Foto von irgendwas. Das ist nichts Großes, manchmal braucht es aber auch ein wenig Glück, um das zu finden, was gesucht wird. Als Belohnung gibt es oft ein „Item“, also einen Gegenstand, mit dem du bestimmte Gebäude oder Attribute verbessern kannst. Ein Item kann auch eine Person sein, die irgendein Bauwerk effizienter macht.

Etwas aufwändiger, aber auch lukrativer können die Aufgaben für andere Fraktionen sein. Da heißt es schon mal, man möge dich zwei feindliche Fregatten zerstören. Dafür hat man in der Regel 30 Minuten Zeit, und bis dahin muss man auch wieder zurück im Hafen sein – wenn man bedenkt, dass die Fahrt über die Karte oft schon einige Minuten in Anspruch nimmt und man evtl. Piratennestern oder anderen Feinden ausweichen muss, kann das auch mal knapp werden. Auch Geleitschutz gehört zu diesem Aufgabenrepertoire.

Allgemein scheinen Items in Anno 1800 eine wichtige Rolle zu spielen. Häufig findet man sie auch als Treibgut nach dem Zerstören eines Schiffs. Und wenn man irgendwann neugierig den Zoo baut, genau wie ich, wird man feststellen: Oh! Es gibt ja gar keine Tiere! Stattdessen kann man den Zoo mit gefühlt hundert verschiedenen Tieren bestücken, die man als Items erstmal auftreiben muss. Zum Beispiel während Expeditionen. Leider habe ich noch kein Tier gefunden. Immerhin weiß ich, dass ich bis jetzt nur einen Bruchteil des Spiels gesehen habe.

Anno 1800 - Feuerwehr
Auch Brände kommen vor – früher oder später schafft es die Feuerwehr, den Brand zu löschen. Bis dahin kann das Feuer aber schon längst weitere Gebäude in Schutt und Asche gelegt haben

„Krieg und Kriegführung“

Wenn zwei Begriffe wahre logische Gegensätze bilden, der eine also das Complement des anderen wird, so geht im Grunde aus dem einen schon das andere hervor; wo aber auch die Beschränktheit unseres Geistes nicht gestattet, beide mit einem Blicke zu übersehen und in der Totalität des einen durch den bloßen Gegensatz die Totalität des anderen wiederzugeben, da wird doch in jedem Fall von dem einen immer ein bedeutendes und für viele Theile genügendes Licht auf den andern fallen.

Carl von Clausewitz, 1. Satz des 1. Kapitels des 3. Bandes seiner „Vom Kriege“-Reihe

Was Clausewitz hier passend zu Anno 1800 im Jahre 1832 blumig, aber völlig unverständlich beschreibt, ist der Zusammenhang von Angriff und Verteidigung. Anno 1800 gibt keine so taktischen Raffinessen her wie vor allem die Total War-Reihe oder eben auch der Platzhirsch der rundenbasierten Strategiespiele, Civilization. Aber immerhin können wir relativ schnell schon kleine Kriegsschiffe bauen, zwei weitere Schiffsgattungen – alles Segelschiffe – kommen nur wenig später dazu (abhängig davon, wann du sie bezahlen kannst :D). Ob es später noch weitere Schiffe geben wird, weiß ich nicht, aber ich gehe mal schwer davon aus. Was wäre der Seekrieg in der Industrialisierung ohne Dampfschiffe!

Fregatten auf Feindfahrt
Meine Fregatten (schwarz) zusammen mit Pierres (blau) machen Jagd auf zwei feindliche Fregatten

Dein Hafenkontor, also das Gebäude, das eine Insel in Besitz nimmt, hat schon eine schwere Kanone auf dem Kai stehen, weitere Geschütze und Kanonen kannst du zur Verteidigung am Hafen platzieren. Kanonen sind relativ teuer und es ist eine schwierige Entscheidung, ob man lieber Segelschiffe als mobile Verteidigung mit Kanonen bestückt oder Hafenbefestigungen – aber Hafenbefestigungen können im Zweifel schweren Schaden anrichten, wenn sich mal ein Feind zu nah herantraut, und sie sind nicht so leicht zu versenken wie eine fragile Fregatte.

Ja, ganz wie in Civilization blutet einem das Herz, wenn die teure, nigelnagelneue Fregatte im heftigen Beschuss schnell an „Leben“ verliert und man noch versucht, sie durch eine Kehrtwende zu retten. Irgendeine letzte Salve bricht ihr dann den letzten Mast und zurück bleibt nur ein wenig Treibgut. Ach, das tut weh… Bei den hohen Kosten, die ein Schiff zu Beginn noch verursacht, behandelt man es doch eher wie ein rohes Ei.

Anno 1800 - Fregatten nach einem Kampf
Nach einer unschönen Begegnung mit Piraten (unschön für die Piraten, aber fast auch für meine Fregatte ganz rechts – das war haarscharf!)

Erstes Fazit zu Anno 1800

Wenn ich Anno 1800 charakterisieren müsste, würde ich es mitten zwischen Civilization und Siedler ansiedeln. Hier treffen die Städtebau-Aspekte aus bspw. Siedler auf Diplomatie und Krieg wie in Civilization. Leider kann ich dir nur den Blick aus meinen unschuldigen Anno-Neulingsaugen präsentieren und daher Anno 1800 nicht mit früheren Spielen der Reihe vergleichen.


Anno 1800

Aber im Orchester der anderen großen Strategie- und Aufbauspiele mit ihren unterschiedlichsten Ausrichtungen auf Verkehr/Transport, Krieg, Survival, Wirtschaft und was noch alles kann sich Anno mit seinem Fokus auf Produktion, Stadtbau und Krieg gut behaupten und verspricht lange Abende voller Tüftelei an der neuen Stadt :D

Dazu bietet Anno 1800 eine traumhaft schöne Grafik, wobei wir leider nicht bis runter auf Nasenhöhe unserer Einwohner zoomen können. Aber trotzdem kann man das Treiben in der Stadt wunderbar beobachten.

Mir ist eigentlich gerade gar nicht mehr danach, den Beitrag fertig zu machen und zu posten. Die Notre Dame in Paris steht in Flammen :-( Im Studium hatte ich in einer Gotik-Vorlesung viel darüber gelernt, und schon lange davor interessierte ich mich wegen des historischen Romans Die Säulen der Erde von Ken Follett für Kathedralen und ihre faszinierende schlanke Bogen- und Gewölbe -Bauweise. So sehr, dass ich mich in Blender selbst mal daran versucht habe. Die Notre Dame ist nicht der größte und gewagteste gotische Bau, aber eben einer der frühesten und damit ein wegweisendes Beispiel für gotische Kathedralen, das dann Vorbild für zahlreiche Nachbauten in ganz Europa wurde. Ein so altes, traditionsreiches Symbol brennen zu sehen ist irgendwie unfassbar :-(

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