Der Internationale Frauentag kommt wie immer mit einem Google Doodle, diversen Kolumnen und jeder Menge oberflächlichen Glückwünschen.
Warum eigentlich „Herzlichen Glückwunsch“ oder „Alles Gute“ zum Frauentag? Wirklich, ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Es reicht dann für ein „Äh, danke?“, gefolgt von irritierten Blicken auf seiner und meiner Seite. Ich bin irritiert, weil ich nichts mit den Glückwünschen anfangen kann. Er ist irritiert, weil ich mich nicht überschwänglich über seine Aufmerksamkeit bedanke.
Der Frauentag ist Anlass für meinen Beitrag, der aber genauso für andere Gedenktage gelten darf. Wie jeder X-Tag (Liste von Gedenktagen) sind Frauentag, Muttertag, Geburtstag, Weltnierentag dazu da, sich Gedanken um etwas zu machen, was man eigentlich als selbstverständlich auffasst. Ob das Menschen, Dinge oder Umstände sind, ist ja egal. Was tatsächlich aber passiert, ist, dass man als „Geehrte“ dieses Tages oberflächlich Glückwünsche an den Kopf geknallt bekommt.
Wozu zum Frauentag gratulieren?
Genau das ist aber das, was wir am Frauentag immer wieder erleben. Männer (oder Frauen?) erfahren in den Nachrichten, dass pauschal der Hälfte der Menschheit gedacht wird. Na, da muss man doch mal gratulieren! Herzlichen Glückwunsch zum Frauentag, Frau!
Aber wozu eigentlich beglückwünschen? Dass ich eine Frau bin? Ist halt so, und so toll ist das auch nicht immer. Zu meiner tollen Leistung als Frau? Welche meinst du denn, bitte erkläre es mir, was ist denn die tolle Leistung, die jede Frau vollbringt? Das „Frausein“ ansich? Ist es nicht sogar ein bisschen herablassend, der Hälfte der Menschheit dazu zu gratulieren, dass sie es vom Fötus zum erwachsenen Menschen geschafft hat (und dabei sogar noch ganz gut aussieht)?
Besonders ignorant finde ich die eher flüchtig eingeworfene Gratulation: „Ach ja, Glückwunsch zum Frauentag!“ Das hat den Beigeschmack von „Ach ja, bevor ich es vergesse, weil es mir so unwichtig ist, Glückwunsch und so. Puh, Pflicht erledigt!“ Dann lass es doch einfach ganz.
Man muss zum Frauentag, zum Muttertag, zum Nierentag nicht gratulieren. Ein Gedenktag wird nicht durch das lapidare Glückwünschen zum gedenkenswerten Tag, sondern durch das Gedankenmachen und die Interaktion. Er ist dazu da, innezuhalten und zu überlegen, warum diesem oder jenem gedacht wird.
Den Frauentag gibt es, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir noch immer in vielen Ländern viel weniger wert sind als Männer. In Deutschland sind wir rechtlich gleichgestellt, schlagen uns aber trotzdem mit
- ungleicher Bezahlung,
- herablassenden Kommentaren im Alltag,
- Klischees,
- Reduzierung aufs Äußerliche,
- häuslicher Gewalt,
- Übergriffen,
- Angst in dunklen Gassen
und weiteren Benachteiligungen in der Karriere und im täglichen Leben herum. Dazu gratuliert man nicht. Man spricht darüber und man versucht es zu ändern. Dein „Alles Gute zum Frauentag“ wirkt da eher höhnisch.
Ätzend finde ich persönlich die übermittelten Glückwünsche auch deswegen, weil sie mich zum Objekt machen. Zu derjenigen, der etwas gegeben wird – nämlich Glückwünsche. Und dafür muss ich mich bedanken. Das gibt dir als Subjekt ein gutes Gefühl, weil ein Dankeschön immer eine Belohnung ist, ein Lob, dass man etwas richtig gemacht hat.
Klingt übertrieben und weit hergeholt? Nehmen wir als anderes Beispiel den Weltnierentag (ebenfalls gestern). An die Nieren denkt man als gesunder Mensch gar nicht, sie sind einfach da und funktionieren. Ohne die Nieren sterben wir. Der Weltnierentag ist dazu da, darauf aufmerksam zu machen, wie lebensnotwendig die Nieren sind und was für eine krasse Arbeit sie jeden Tag leisten. Und wie man sie gut behandelt, damit sie das die nächsten 60 Jahre auch klaglos tun. Das ist gut und wichtig.
Stell dir nun vor, deinen Nieren am Weltnierentag „Alles Gute zum Nierentag“ auszurichten. Die Nieren bedanken sich gezwungenermaßen für die Glückwünsche. Du fühlst dich gut, weil man dir gedankt hat. Aber Moment mal, da stimmt doch was nicht. Die NIEREN bedanken sich? DU solltest dich bedanken, für ihre endlose Arbeit! Und nicht sie dir für deine völlig oberflächlichen Glückwünsche!
Wir können „Nieren“ hier übrigens auch mit „Mutter“ ersetzen. Diese Glückwünsche braucht kein Mensch (und keine Niere).
Am Muttertag brachten wir unseren Müttern Frühstück ans Bett, stellten ihnen Blumen hin und schenkten ihnen Gutscheine für Hilfe im Haushalt (ich glaube, ich habe nie einen einlösen müssen..). Zumindest ich habe das schon im Kindergarten gelernt. Auch dieses Ritual ist eigentlich rein oberflächlich, wenn man es ausführt, ohne zu wissen, warum eigentlich. Eigentlich geht es darum, sich bewusst zu machen, wie wichtig unsere Mama immer war, und ihr das zu zeigen.
Pauschal-Glückwunsch auf Facebook: Reines Fame-Gaining
In den sozialen Medien ist es nicht besser. In den letzten Jahren hat der Frauentag immer mehr an Popularität gewonnen. Wer sich auf Facebook einen virtuellen Blumenstrauß, verbunden mit einem „Glücklichen Frauentag!“ in die eigene Timeline knallt, der will in der Regel zeigen, dass auch er natürlich „die Frauen“ schätzt. Wieso sollte man Frauen auch nicht schätzen?
Für mich ist das reines Fame-Gaining. „Seht her! Ich gratuliere den Frauen! Ich bin ein offener Mensch und gönne ihnen einen Ehrentag!“. Der äußerst geringe Aufwand, der für diese Message nötig ist, zeigt, wie wichtig einem das Thema wirklich ist. Wem etwas am Herzen liegt, der macht sich darüber Gedanken und findet vielleicht etwas, das es tatsächlich wert ist, gesagt zu werden.
Absurd sind auch diese ganz allgemeinen Timeline-Glückwünsche zum Muttertag: „Herzlichen Glückwunsch allen Müttern dieser Welt!“. Es geht doch um die eigene Mutter, und die persönliche Beziehung zu ihr. Wer das auf Facebook auslebt – ok. Aber wer pauschal alle Mütter meint, der entlarvt sich selbst der Ignoranz. Wer bist denn du, dass du Mutter X in Land Y gratulierst, ohne sie zu kennen, geschweige denn zu schätzen? Ihre Mutterschaft geht dich überhaupt nichts an.
Bitte, übermittle den Frauen in deinem Leben keine Glückwünsche zum Frauentag. Wenn du dich nicht für den Frauentag interessierst, sag einfach nichts. Wenn doch, dann frag sie vielleicht eher, wie ihnen geht, was ihre Sorgen sind. Und überlege, wie du dich dafür einsetzen kannst, dass es diese Sorgen nicht mehr gibt.
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