Ein Film über Vincent van Gogh – im Malstil von Vincent van Gogh und mit den Motiven von Vincent van Gogh? Das ist ist doch einfach genial! Heute stelle ich einen Film vor, der mal etwas ganz besonderes ist. Malerei statt CGI! (omg, das reimt sich…)
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Loving Vincent – Gemälde und Film zugleich
Ein Film und gleichzeitig ein Ölgemälde – wie soll das gehen? Loving Vincent führt es vor. Heraus kommt ein außerordentlicher Film, eigentlich ein Kunstwerk. Kein Zufall, schließlich geht es um einen Künstler.
Man mag von Vincent van Gogh, bzw. seinem Malstil halten was man will – ich bin kein Kunstkenner und mag den Stil auch selbst nicht so richtig. Aber wenn man sich ein wenig mit van Gogh beschäftigt, dann rückt der Kunststil irgendwie in den Hintergrund, weil der Mensch so interessant ist. Und die Malerei rückt zugleich paradoxerweise auch wieder weit in den Vordergrund, weil es eben das ist, was van Gogh ausgemacht hat. Aber es ist nicht mehr so wichtig, ob die Malerei nach dem eigenen Empfinden „schön“ ist oder nicht, Hauptsache ist, dass sie das ausdrückt, was Vincent van Gogh gesehen und gefühlt hat.
Die Szenen wurden vorab mit realen Schauspielern gefilmt und dann von über 100 Künstlern Frame für Frame nachgemalt – und zwar im Stil von van Ghogh’s Malerei selbst. So kamen über 65.000 einzelne Bilder zusammen. Das Ergebnis ist mehr als beeindruckend: Ein Daumenkino aus Ölgemälden und Bleistiftzeichnungen!
Die Handlung von Loving Vincent
Loving Vincent behandelt nicht Vincent van Gogh selbst, und auch der Name spielt mitnichten auf irgendeine schnulzige Liebesgeschichte an. „Loving Vincent“ ist einfach die Grußformel unter seinen Briefen, in etwa wie: In Liebe, Vincent. Van Gogh schrieb viele Briefe, auf deren Grundlage sich sein Leben auch recht gut rekonstruieren lässt. Sie wurden unter anderem im Buch Van Gogh von Henri Perruchot als „Bio-Fiktion“ verarbeitet.
Und genau auf diesen Briefen baut „Loving Vincent“ auf. Die Briefe verschickte van Gogh über den Postmeister Joseph Roulin – und etwa ein Jahr nach Vincents Tod findet dieser einen letzten Brief von Vincent an dessen Bruder Theo. Doch der Brief kann nicht zugestellt werden, er kommt immer wieder zurück. Postmeister Roulin liegt aber viel daran, dass Theo diesen letzten Brief erhält. Und so schickt er seinen widerstrebenden Sohn Armand zusammen mit dem Brief los. Armand, der „Mann in Gelb“, soll Theo finden und ihm den Brief übergeben.
Nachdem Armand zunächst keine große Motivation zeigte, irgendjemandem, den er nicht kennt, einen Brief von jemandem, den er nicht kennt, zuzustellen, ändert sich das recht schnell. Theo van Gogh ist wenige Monate nach Vincent selbst gestorben – deswegen kamen die Briefe nicht an. Armand fragt nach, was passiert ist, und erfährt, dass die beiden Brüder ein sehr enges Verhältnis hatten, und er beginnt sich für die Umstände von Vincents merkwürdigem Tod zu interessieren – er starb an einer Schusswunde.
Und so beginnt Armand, sich an Vincents letztem Wohnort nach dem exzentrischen Maler zu erkundigen. Er kommt dabei nicht nur den Todesumständen näher – die Berichte schwanken zwischen Selbstmord und Mord -, sondern auch dem Maler und seiner merkwürdigen Art selbst.
Ein merkwürdig vertrauter Film
Irgendwie scheint Loving Vincent merkwürdig vertraut zu sein. Das liegt nicht nur am Stil der Bilder, die ja direkt Vincent van Gogh entliehen sind, sondern vor allem an den Orten und Figuren des Films. Alle wichtigen Charaktere aus Loving Vincent kennt man bereits von seinen Gemälden, so z.B. den Mann in Gelb (die Hauptfigur des Films), die Frau am Klavier, Dr. Gachet, den Postmeister und noch mehr. Auch die Umgebung scheint immer wieder ein lebendig gewordenes van Gogh-Gemälde zu sein, da sich viele seiner Motive auch im Film wiederfinden.
Einen Eindruck kannst du dir im Filmtrailer zu Loving Vincent jetzt auch selbst verschaffen.
Tiefe durch Rückblenden und Perspektivwechsel
In den Gesprächen mit verschiedenen Personen aus dem Umkreis Vincent van Goghs sehen wir als Zuschauer diverse Rückblenden. Sie sind als Kontrast zu den farbenfrohen Ölgemälden der Hauptzeitebene als Graufstufenskizzen gut zu erkennen und zeigen auch Vincent van Gogh selbst in der Erinnerung verschiedener Personen. Diese Skizzen sind präziser und schärfer als die dicken Pinselstriche der Hauptzeitebene und zeigen daher Details sogar genauer. Obwohl diese Szenen ohne Farbe auskommen müssen, haben sie dennoch viel Tiefe, wie an dieser Animation gut zu sehen ist.
Durch die aus unterschiedlicher Sicht geschilderten Szenen sehen wir dieselbe Situation oftmals aus mehreren Blickwinkeln: So stehen wir einmal als junge Hotelbesitzerin vor dem Zimmer Vincents, in dem er angeschossen im Bett liegt. Der Arzt kommt und schlägt der jungen Frau die Tür vor der Nase zu. Viel später erleben wir die Rückblende des Arztes, der im Zimmer Vincents steht und dessen baldigen Tod betrauert. Um Vincent vor fremden Blicken abzuschirmen, schließt er die Tür vor der draußen stehenden Hotelbesitzerin.
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Wer war Vincent van Gogh?
Ich kann nicht sagen, wie viel aus dem Film historische Wahrheit ist und was eventuell hinzugedichtet wurde. Aus den überlieferten Briefen ist bekannt, dass Vincent innerlich ein sehr zerrissener Mensch war, der sich voller Schaffenswut in seine Malerei stürzte, aber andererseits auch wieder tief verzweifelt sein konnte.
Loving Vincent zeichnet – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Bild von Vincent, das ihn als freundlichen Menschen zeigt, der Details liebte und in farbenfrohen Bildern ausdrückte. Ein Mensch, der von vielen anderen Menschen geliebt wurde – eben loving Vincent. Auf der anderen Seite jedoch galt er als Sonderling. Andere Künstler in Paris nahmen ihn nicht in ihren Kreis auf, da Vincent erst spät zur Malerei kam und keine klassische Ausbildung durchlaufen hatte. Außerdem passten seine Bilder nicht zum Stil der Zeit.
Und normale Menschen betrachteten ihn mit Argwohn – ein Mann, der immer nur an seiner Staffelei stand. In der Stadt, im Garten, auf den Feldern, sogar im Regen. Dass Vincent sich dann aus Verzweiflung noch ein Ohr abgeschnitten hatte, führte zu noch mehr Unverständnis und Spott.
Empfehlung
Die Story von Loving Vincent ist zwar insgesamt etwas flach und führt auch nicht zu irgendeinem unerwarteten Finale. Aber das war sicher auch nicht die Intention des Films. Intention ist, sich mit Vincent van Gogh zu beschäftigen und sich dem Mann hinter den Bildern ein wenig zu nähern. Und das ist wirklich hervorragend gelungen.
Ich kann den Film auf jeden Fall nur empfehlen – schon allein aufgrund des unverwechselbaren Stils. Loving Vincent ist als Film über einen Künstler selbst ein Kunstwerk geworden und zieht den Zuschauer direkt in seine Gemälde hinein.
Weitere Stimmen zu Loving Vincent
- dercineast.de – „Meilenstein der Filmgeschichte“, 7,5/10
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