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Brandon Q. Morris – Enceladus

Brandon Q. Morris - Enceladus
Details zum Buch

Seitenzahl: 412 + 45 Seiten Anhang mit Erklärungen
Erstausgabe: 2017

Dieses Buch erhielt von Lucyda 4 Sterne

Warum muss man zur Suche nach außerirdischem Leben in der moderneren Science Fiction den Blick immer auf fremde Sterne richten? Man kann doch auch in unserem eigenen Sonnensystem danach suchen. Das dachte sich auch Brandon Q. Morris, der sich die Frage stellt: Was könnten wir auf dem Grund des tiefen Ozeans des Saturnmonds Enceladus Interessantes finden?

Enceladus: Handlung

2031 entdeckt eine Sonde beim Planeten Saturn eindeutige Zeichen für Leben auf dem Saturnmond Enceladus. Der Mond ist von einem kilometerdicken Eispanzer bedeckt, darunter befindet sich ein tiefer Ozean, der den gesamten Mond umgibt. Hier kann sich (tatsächlich!) Leben entwickeln. 15 Jahre nach der Entdeckung startet endlich eine Mission mit sechs Astronauten, die die Funde der Sonde genauer erforschen soll. Eine lange Reise zum Saturn beginnt.

Enceladus: Rezension

Das Buch hat mich schon auf den ersten beiden Seiten durch seinen ungewöhnlichen Anfang gefesselt, ein Zitat gibt es unten :D Ähnliche beeindruckende Ausdruckstricks kommen zunächst nicht mehr vor. Zwar verschachtelt Morris die Handlung in der ersten Hälfte in zwei Stränge, aber die hätte er auch genauso chronologisch beschreiben können. Er springt einfach nur zwischen zwei Zeitsträngen umher.

Gegen Ende beeindruckt mich ein weiterer sprachlicher Kniff, siehe unten im zweiten Zitat. Was zunächst wirkt wie irgendein abgehobener Stephen-King-Spleen, stellt sich sehr schnell als logisch heraus und erklärt gut die Ereignisse. Chapeau :D

Charaktere

Hauptcharakter der Geschichte ist eindeutig Martin Neumaier, ein kompetenter Programmierer, der mehr zufällig an Bord des Raumschiffs gekommen ist. Martin ist Deutscher und nationale Besonderheiten fließen an einigen wenigen Stellen auch mit in die Geschichte ein. Etwa, als Morris schreibt, dass die Crew es witzig findet, wenn Martin den Namen des Raumschiffs, ILSE, (Abkürzung für International Life Search Expedition… oder sowas in der Art) deutsch als „Ilse“ ausspricht. Im Gegensatz zu Das Erbe der Menschheit ist das „Deutsch-sein“ hier aber nicht so nervig. Martin selbst ist mir sehr sympatisch, er ist eine zurückgezogene Persönlichkeit, ohne abweisend zu wirken.

Die weiteren Charaktere der Handlung schildert Morris nicht so genau wie Martin, man erfährt nicht soviel über sie. Aber ich mag es, dass er eine kleine 1,56 m-Frau als Kommandantin der Mission einsetzt und auch immer wieder betont, wie kompetent sie ist :D

Hard Science-Fiction

Das Untergenre „Hard Science Fiction“ beschreibt erfundene Geschichten, aber auf Basis realer Möglichkeiten. Technische Möglichkeiten, wie zB. Reisen per Wurmloch oder mit Überlichtgeschwindigkeiten muss der Autor dann erklären, statt sie einfach vorauszusetzen. Hamiltons Commonwealth-Saga etwa basiert im Gegensatz zu dieser Prämisse auf Wurmlochgeneratoren. Wie sie genau zustande kommen, und wie man sie wie einen Tentakelarm manipulieren kann, erklärt Hamilton nicht. Die Commonwealth-Saga gehört trotzdem zu meinen Lieblingsstorys ^^

Bei lupenreiner Hard Science Fiction müsste sich der Autor genauer überlegen, was möglich ist und was nicht – oder er müsste es verständlich und irgendwie logisch erklären. Im Grunde geht es darum, aus einer Fantasy-Geschichte alle übernatürlichen, magischen Gegenstände auszuschließen und die Story entsprechend anzupassend. Das heißt nicht, dass die Geschichten langweilig sein müssen, wie man an Enceladus oder Der Marsianer sehen kann.

Dieser Aspekt des Realismus ist Morris sehr wichtig, daher hat er im Buch direkt nach dem Ende der Geschichte von Enceladus noch umfangreiche Erklärungen mitgeliefert. Etwa, wie man sich den Mond Enceladus vorstellen kann, ob und wie man dorthin kommen kann und was uns dort erwarten könnte. Auf der Webseite des deutschen Autors Morris, mit dem Namen Hard Science Fiction, finden sich daher auch zahlreiche Texte zu aktuellen Themen der Raumfahrt, Astrobiologie, Astrophysik usw. Man bemerkt seine Leidenschaft für diese Themen und sieht so auch, dass der Mann weiß, wovon er schreibt. Ich glaube, er fühlt sich genauso zu den Sternen gezogen wie ich :D

Morris skizziert in Enceladus außerdem die Lebensfeindlichkeit des Alls ähnlich wie Peterson in Paradox: Es ist eiskalt und Astronauten bewegen sich am Abgrund der Ewigkeit, in der es kein oben oder unten gibt – ungeschickte Bewegungen und keine ausreichende Sicherung führen dazu, dass man wegtreibt und nie wieder geborgen werden kann. In vielen anderen Geschichten ist das Weltall romantisch verklärt: Eine leicht zu überwindende Barriere, hinter der sich so viele zweibeinige, menschenähnliche Außerirdische verbergen, die alle zusammen eine universelle Gemeinschaft bilden können.

Enceladus, aufgenommen von Cassini
Enceladus, aufgenommen von der Raumsonde Cassini (2005)

Fragen an die Handlung und ein wenig Kritik

Meiner Meinung nach schildert Morris zu lange die Vorgeschichte und die Reise. Auch das erinnert an Paradox. Ist hier aber keine schwere Kritik – und ja auch im Grunde logisch. Die Reise zum Saturn dauert eben wesentlich länger als das Herumtapsen auf Enceladus.

Wer sich nicht spoilern lassen möchte, sollte ab hier bitte nicht weiterlesen! Überspringe einfach dieses Unterkapitel und scrolle gleich weiter zur Bewertung :D

SPOILER: Das verloren gegangene Versorgungsschiff

Der Beginn des Buchs, der mich gleich gefangen genommen hat (siehe unten), wirkt sich leider nicht auf die weitere Handlung aus. Dieses erste Kapitel suggeriert, dass das Ereignis fatale Auswirkungen auf die spätere Geschichte nehmen wird. Die Crew ist zwar schockiert, als sie von dem Verlust hört, aber sie hat auch gleich eine Lösung parat. Monate später hat man die Vorräte aus dem havarierten Schiff aufgenommen und niemand spricht mehr davon. Das ist etwas schade. Aber klar, Morris musste sich fragen, ob er nun ein Buch mit lauter Problemen der Crew schreibt, oder eines, in dem sie auch mal am Ziel ankommt und dort ihre Entdeckungen machen kann.

SPOILER: Der Fund auf Enceladus

Die Crew der ILSE kommt recht schnell darauf, was für eine Lebensform sich unter dem Eispanzer von Enceladus verbirgt. Billiarden einfache Lebewesen, Archaeen, ergeben zusammen eine Art Gaia, ein zusammenhängendes Bewusstsein. Hier habe ich kurz an Der Unbesiegbare von Lem gedacht, wobei dort die Voraussetzungen völlig anders sind – und meiner Meinung ist dort diese Evolution auch logischer.

In Enceladus beschreibt Morris selbst immer wieder, dass diese Wesenheit auf dem Mond bislang kein anderes Leben, kein anderes Sein kannte und auch nicht wusste, wo sie ist und was sie ist – und trotzdem ist sie intelligent und lernfähig. Hier versagt sein Hard Science Fiction leider, finde ich. Evolution ist schließlich eine ständige Anpassung an die Umwelt und Verbesserung der Voraussetzungen. Soweit wir von Enceladus im Buch mitbekommen haben, gibt es dort unter dem Eis nichts als Wasser und Stein – und eben diese Archaeen. Ohne natürliche Feinde aber oder sonstige Reize von außen besteht kein Anlass, auf irgendetwas zu reagieren. Jäger bilden in Jahrmillionen Jagdinstinkte und Schnelligkeit aus, um ihre Beute besser fangen zu können, Menschen haben Intelligenz ausgebildet, um Werkzeuge nutzen zu können – alles durch Reize der Umwelt.

Warum sollten sich Archaeen zu einer umfassenden Intelligenz zusammenschließen? Sie haben ja nichts davon, denn sie existieren schon ohne Intelligenz sehr bequem. Im Buch beschreibt Morris ja, dass das Enceladus-Bewusstsein nichts kennt außer sich selbst. Im Grunde ist es ein riesiges Gehirn ohne Inhalt. Wenn ein Gehirn keinen Input bekommt, kann es über nichts nachdenken, es ist also sinnlos. Wie kann das Bewusstsein überhaupt von einem Tag auf den anderen begreifen, dass es anderes Leben geben kann, wie es funktioniert, und wie es Kontakt damit aufnehmen kann?

Enceladus: Bewertung

Bewertung: 4 von 5 Sternen
Trotz der Kritik am Ende gefällt mir Enceladus sehr gut. Hin und wieder gibt es im Buch Rechtschreibfehler, aber das ist gerade noch zu verkraften. Im Oktober 2017 erscheint auch eine Fortsetzung zu Enceladus: Enceladus – Die Rückkehr. Ich weiß noch gar nicht, ob ich sie lesen möchte, denn so, wie Enceladus nun geendet hat, finde ich es gut. Meiner Meinung nach kann jede Fortsetzung nur zu traurigen Handlungen seitens der Menschen führen :D

Enceladus: Zitate

Morris schreibt hier aus der Sicht eines Meteors im Weltall:

„Doch er [der Stein] kreist am falschen Ort um die noch junge Sonne. Während seine Brüder und Schwestern von Zentimetern zu Metern zu Kilometern anschwollen, sich zu Asteroiden, Kleinplaneten oder gar Planeten zusammenfanden, blieb der Stein ein Stein. ‚Meterorit‘ würden ihn die Menschen nennen, von denen er nichts weiß und die ihm auch keinen Namen geben, denn dafür ist er mit seinen 20 Zentimetern Durchmesser zu winzig, zu bedeutungslos. Es gibt Millionen von seiner Größe, und doch ist das All so riesig, dass die Chance, auf eines seiner Geschwister zu treffen, nahe Null liegt.

Aber sie ist nicht Null. Der Zufall will es, dass sich die Bahnen des namenlosen Steins und eines von Menschen ins All geschickten Raumschiffs irgendwo zwischen Erde und Mars treffen. Es ist ein fast unglaublicher Zufall, wie er in der kurzen Geschichte der irdischen Raumfahrt nur selten aufgetreten ist. Er ist ein Zufall, der gleich in zwei Kategorien gehört: ‚wird schon nicht passieren‘ und ‚darf nicht passieren‘. Das Schiff, das sich dem Stein mit über 100 Kilometern pro Sekunde nähert – aus der Perspektive des Steins – ist darauf nicht vorbereitet.“

Erstes Kapitel, erste Seite

Ohne Erklärung, um nichts vorweg zu nehmen:

„Zeitalter der Fragen, Pentaeder

Es gibt:
Das Ich.
Das Nicht-Ich.
Das Nicht-Ich.
(Pause)
Die Nicht-Ichs.

Das Alles.
Das Nicht-Alles.

Einen Leser.
Einen Leser des Ichs.“

S. 355

Kommentare

Eine Antwort zu „Brandon Q. Morris – Enceladus“

  1. Sebastian

    Halli Hallo,
    hab das Buch jetzt fast durch, aber eine Stelle hat mich doch sehr gewurmt.

    Als Martin und Franscesca die Valkyrie verlassen, können sie die Sauerstoffflaschen, welche sich noch an Bord befinden sollten nicht mitnehmen, da sie nicht in die Raumanzüge passen und sie einmal ausgestiegen nicht mehr an sie heran kämen.

    Kurz darauf opfert sich Marchenko mit einem Sprung vom Mutterschiff mit zwei Sauerstoffflaschen im Arm für die beiden.

    Also irgendwie erschließt sich mir nicht ganz wieso die beiden nicht wie Marchenko sich die Sauerstofflaschen aus der Valkyrie sich unter dem Arm geklemmt haben und mit auf den Weg genommen haben.

    Es gibt keine plausible Erklärung dazu. Hab ich was überlesen? Bitte um Hilfe. Das macht dieses doch so schlüssige und mit guten Erklärungen bestückte Buch für mich etwas zu nichte.
    So einen stupiden Fehler zu machen….
    Bitte, bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege.
    LG
    Sebastian

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