Westworld beschäftigt sich spielerisch in letzter Konsequenz damit, was eigentlich ein Mensch ist. In einem Western-Freizeitpark können gut zahlende Gäste alles tun und lassen, was sie wollen – auf Kosten der Statisten, die allesamt Roboter sind. Viel Mindfuck ist vor“programmiert“!
Die neue Serie Westworld von HBO (Game of Thrones, Rome) startete 2016. Die erste Staffel ist auch in deutscher Synchro bereits verfügbar. Wir haben sie angeschaut. Nachfolgend kannst du lesen, um was es geht, und auch ein paar Gedanken dazu liefere ich gleich mit :D
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Rahmenhandlung von Westworld
Die Menschheit hat alle drängenden Probleme der Weltgeschichte gelöst, es gibt keine Krankheiten, Armut und Krieg mehr, und jeder Mensch kann ein gutes Leben führen. Das reicht allerdings den Reichen nicht: Ein gutes Leben ist schließlich zu langweilig. Daher hat ein Konzern im Westen der USA, zwischen Wüste, Fluss und roten Felsformationen einen riesigen Freizeitpark mit dem Namen Westworld errichtet. Der Gast schlüpft hier in die Rolle eines Menschen im Wilden Westen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Westworld bietet alles, was der Westernheld sich wünscht: Saloons, Schießereien, Bankräuber, Zugüberfälle, Indianer, Sheriffs und natürlich Bordelle.
Als Gast erhält man die gesamte erforderliche Ausrüstung, gerne auch inklusive Waffen, und wird mit einem Dampfzug in die Westernstadt Sweetwater geschickt. Ab hier kann der Besucher tun und lassen, was er will. Ob man nur im Saloon pokert und trinkt, seine Zeit im Bordell verbringt, den Bösen spielt und Farmer überfällt oder sich auf die unzähligen Quests einlässt – wie zB. Kopfgeldjagden oder Schatzsuchen, ist jedem selbst überlassen.
Freizeitpark oder Real Life-Rollenspiel für kleine Götter?
Das besondere an Westworld ist die perfekte Illusion eines klischeehaften Wilden Westens. Die Statisten im Park sind keine bezahlten Schauspieler – sondern extrem lebensechte Roboter, sogenannte Hosts. Diese Hosts sind – das wird in der Serie auch thematisiert – im Grunde nicht von „echten“ Menschen zu unterscheiden. Die Körper sind weitgehend gleich, geistig sind sie uns überlegen. Der einzige wirkliche Unterschied ist, dass Westworld die Hosts kontrolliert. Man kann ihre Speicher löschen, Updates aufspielen, ihre Charakterattribute verändern und sie selbstverständlich per Sprachbefehl steuern.
Die Gäste können mit den Hosts im Grunde machen, was sie wollen. Dass es ständig tote Hosts gibt, ist klar und wird billigend in Kauf genommen – solange die zahlenden Gäste nur zufrieden sind. Ob Westworld also mehr ein Park ist oder ein Video-Rollenspiel, in dem der Spieler Gott sein darf, muss jeder selbst entscheiden.
Western und Business Men
Die Serie spielt sich auf zwei getrennten Ebenen ab: Im Westernsetting des Parks und in der futuristisch gestalteten, auf einem Berg gelegenen Zentrale.
Im Park bekommen wir einen Einblick in das „Leben“ der Hosts und ihre Interaktionen untereinander und mit den Gästen. In der Zentrale dagegen findet alles statt, was zum Betrieb des Parks notwendig ist. Der Gründer von Westworld, die Graue Eminenz Robert Ford (toll gespielt von Anthony „Hannibal Lecter“ Hopkins), ist hier der unangetastete Herrscher. Er beaufsichtigt alles, was vorgeht und setzt seine eigenen Interessen auch wenn nötig mit Gewalt durch. Darüber hinaus gibt es verschiedene Abteilungen in der Zentrale:
- Es werden neue Handlungen/Geschichtgen (engl. Narratives) für die Besucher geschrieben
- eine Qualitätssicherung passt auf, dass alles stimmig ist
- die Abteilung Sicherheit kontrolliert jederzeit die Vorgänge im Park
- Programmierung und Verhalten entwickeln neue Hosts
- und natürlich müssen die unzähligen erschossenen, erstochenen und sonst wie umgekommenen Hosts täglich wieder instand gesetzt und wieder ins Spiel geschickt werden
Charaktere und Handlung in Westworld
Ein Gast, der Westworld seit 30 Jahren besucht, ist der „Schwarze Mann„, ein älterer Abenteuer-Suchender, der alles im Park schon gesehen und gemacht hat und nun nach der „letzten Quest“ sucht, die für normale Besucher kaum zu finden ist.
Ebenfalls Gast ist William, ein junger Mann, der von seinem Arbeitskollegen und späteren Schwager Logan mit in den Park gebracht wird. William ist vom Konzept des Parks nicht besonders überzeugt und interessiert sich weder für Saufgelage noch für die Bordelle. Er lässt sich erst auf Westworld ein, als er der jungen, unschuldigen Dolores begegnet – einem Host, die eine einfache Farmerstochter darstellt.
Auch die Bordellleiterin Maeve spielt eine wichtige Rolle. Sie leidet, obwohl sie ein Host ist, an unerklärlichen Alpträumen. Durch einen fehlgeschlagenen Patch können Maeve und andere Hosts sich unbeabsichtigterweise an frühere Erlebnisse erinnern, die Maeve hier als Träume erscheinen. So merkt sie immer mehr, dass ihre Western-Welt nicht das ist, was sie immer dachte.
In der Zentrale von Westworld liegt der Fokus vor allem auf dem Gründer Robert Ford und Bernard, Leiter der Abteilung für Verhalten.
Durch die „Lebensechte“ der Hosts kommt es auch für den Zuschauer immer wieder zu überraschenden Momenten, in denen wir merken, dass eine Person gar kein Mensch ist, oder umgekehrt, ein Host kein Host.
Idee und Besetzung von Westworld
Die Idee zu Westworld stammt von Jonathan Nolan, Bruder von Christopher Nolan (dem wir unter anderem Interstellar und Dunkirk zu verdanken haben). Jonathan Nolan schrieb auch teilweise das Drehbuch und führte Regie. Als Produzent beteiligt ist auch J.J. Abrams, der sich als Regisseur zweiter Star Trek-Filme derzeit an den neuen Star Wars-Filmen abarbeitet.
Westworld bringt eine ziemlich hochkarätige Palette bekannter Personen mit. Die wichtigen Charaktere haben lange Listen an weiteren Auftritten und viele kennt man schon aus anderen Serien oder Kinofilmen.
Anthony Hopkins und Ed Harris (der „schwarze Mann“) gehören zur alten Riege Hollywoods. Auch Jeffrey Wright (Bernard) kennt man aus zahlreichen Shows, wie etwa aus zwei jüngeren James Bond-Filmen und „Die Tribute von Panem“. Thandie Newton (Maeve) spielte 1994 in „Ein Interview mit einem Vampir“ mit und ist seitdem immer wieder in Filmen und Serien in Erscheinung getreten.
In den Filmographien von Evan Rachel Wood (Dolores), Shannon Woodward (Nebenrolle Elsie), Angela Sarafyan (Nebenrolle Clementine) finden sich einige bekannte Serien. Nicht zuletzt kennt man James Marsden (Nebenrolle Teddy) als Cyclops aus X-Men und zumindest den Namen Luke Hemsworth als Bruder von Chris „Thor“ Hemsworth.
Menschliche Abgründe
Das Westernsetting des Parks ist nur die Leinwand, auf die der menschliche Charakter projiziert wird. Genauso gut könnte der Park „Mittelerdeworld“ oder „Spaceworld“ oder sonst was heißen – es kommt schließlich nicht darauf an, wo der Mensch seinen dunkelsten Begierden freien Lauf lassen kann. Wir erhalten einen Blick in die Abgründe des Menschen und seine Lust, Gott zu spielen und Leben zu beenden. Ein Richtig und Falsch gibt es hier eigentlich nicht.
- Es gibt Gäste in Westworld, die die Hosts als das behandeln, was sie sind: Geschaffene, nicht-echte Menschen, um den Park lebendig zu gestalten
- Es gibt aber auch Gäste, die die Hosts so behandeln, was sie ebenfalls sind: Bewohner einer Welt, die diese Welt erleben, die Angst und Freude kennen, Träume haben und sich Gedanken über ihr Leben machen
Beide haben eigentlich Recht. Ich betrachte NPCs in Spielen neuerdings etwas nachdenklicher :D Wenn ich in Skyrim aus Langeweile mal ein ganzes Dorf mit Feuer und Flamme vernichte, tue ich das, weil ich weiß, dass es sich um reine NPCs handelt. Denen ist egal, ob ihre gescriptete Existenz „lebt“ oder „stirbt“. Es ist dieses Wissen, das mir sagt, dass meine Handlung völlig okay ist. Genau diesen Punkt übernimmt auch die Serie. Es gibt menschliche Charaktere, die die Hosts als auf „menschlich“ gescriptete Gegenstände betrachten, die man bedenkenlos und ohne über den Haufen schießen oder missbrauchen kann.
Aber das ist menschlich gefährlich. Es scheint völlig egal zu sein, wie lebensecht sich die Hosts verhalten und ob sie Gefühle wie Angst und Trauer zeigen – durch das Attribut „künstlich“ darf man ihnen ihr Menschsein absprechen und sie wie einen Zellhaufen in Videospielen behandeln. Die Aberkennung des Menschseins hat es in der Geschichte schon oft gegeben. Ob es „Ungläubige“ sind, „Juden“ oder „Slawen“, „Wilde“ oder „Sklaven“ – es ging immer nur darum, diese Menschen nicht als „richtige Menschen“ zu sehen und dementsprechend unterdrücken zu können.
Den Turing-Test zum Frühstück gefuttert
Der Turing-Test bezeichnet eine Situation, in dem eine Chatsoftware den menschlichen Chatpartner glauben lassen soll, ebenfalls ein Mensch zu sein. Er wird immer wieder in Büchern und Filmen erwähnt, in denen es darum geht, ob KIs als Menschen durchgehen können. Der Test wurde bislang noch nicht eindeutig bestanden – die Mehrheit der Testteilnehmer konnten Chatbots als Bots identifizieren.
Westworld futtert den Turing-Test aber zum Frühstück und spuckt ihn dann lachend wieder aus. Die Hosts hier gehen in jeder Hinsicht als Menschen durch. Ohne das Zugriffsinterface sind sie nicht von Menschen zu unterscheiden. Weiter noch – sie halten sich selbst für Menschen. Ihnen wurden Lebensläufe und Erinnerungen daran programmiert.
Wenn man eine KI so programmiert, dass sie vorspielt, ein Mensch zu sein, sich aber selbst nicht für einen Menschen hält, dann ist sie auch kein Mensch. So etwas kennen wir aus Ex Machina. Wenn sie aber so programmiert ist, dass sie sich für einen Menschen hält und auch (falsche) Erinnerungen an ein früheres Leben hat – wo ist dann der Unterschied zum Menschen? Westworld tangiert also eine zukünftig wichtige Frage: Wie lange ist eine künstlich geschaffene Existenz geringer zu bewerten als ein Menschenleben?
Mit dieser Frage werden wir unter anderem auch in Asimovs Büchern über Roboter, zB. Die Rückkehr zur Erde oder „Der Zweihundertjährige“ (mit Robin Williams als „Der 200 Jahre Mann“ verfilmt) und in der Serie Battlestar Galactica [habe leider kein Review, aber ein Meme Battle] mit ihren Zylonen konfrontiert. Westworld beschäftigt sich allerdings nicht nur theoretisch mit dieser Frage, sondern lebt völlig verschiedene Perspektiven und Handlungsweisen aus. Ohne die Frage konkret zu stellen oder die Handelnden darüber diskutieren zu lassen – zumindest nicht in Staffel 1, kann sie selbst formulieren und sich eine eigene Meinung bilden.
Wenn es darum geht, dass Roboter sich selbst für Menschen halten, und ihre simulierte Umgebung für real – dann denke ich auch gleich an Theorien, nach denen auch wir Menschen selbst und das gesamte Universum einfach nur eine Simulation sein könnte. Leben in der Matrix!
Fazit zu Westworld
Wenn ein Roboter aussieht und sterben kann wie ein Mensch, sich verhält wie ein Mensch und sich selbst für einen Menschen hält, ist er dann ein Mensch? Über dieses Thema könnte man lange, interessante Diskussionen führen :D
Ein Bekannter sagte, auf Westworld angesprochen, „Ach, das ist die neue Blood & Sperm-Serie von HBO, oder?“. Blood & Sperm kommt vor, ja – nach Game of Thrones geht es wohl nicht mehr ohne. Aber diese Beschreibung wird der Serie bei weitem nicht gerecht. Westworld regt zum Nachdenken an. Warten wir noch 20 Jahre, dann wird die Beschäftigung damit, wie man mit KIs und Robotern umgeht, sicher sehr aktuell werden.
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