Ein Hohlweg ist ein unbefestigter Weg, der sich durch lange Nutzung mit Fahrzeugen und Erosionsprozesse tief in das Gelände eingeschnitten hat. Da im Mittelalter Straßen nicht befestigt waren, sind Hohlwege oft Relikte historischer Straßen, die man heute noch sehr häufig in Wäldern sehen kann. Auf dieser Seite erfahrt ihr, was ein Hohlweg ist und wie sie aussehen, wie sie entstehen, wo man sie findet und vieles mehr.
[toc]
Einleitung: Warum sind Straßen und Hohlwege so spannend?
Ok, mich muss das Thema interessieren, schließlich habe ich meine Masterarbeit über Straßen im Mittelalter geschrieben. Aber – Warum sollte sich überhaupt jemand mit Straßen beschäftigen? Was ist daran so interessant?
Museen und die Distanz zur Geschichte
Museen sind interessant, man lernt dort viel und bekommt faszinierende Funde präsentiert. Dennoch sind und bleiben die Exponate eine durchdachte Präsentation: Sie wurden hergerichtet und befinden sich in der Regel nicht an ihrem ursprünglichen Ort, sondern optimal ausgeleuchtet in Vitrinen.
Das schafft eine Distanz zwischen mir, dem Interessenten, und dem Objekt, dem Vertreter historischer Realität. Neben dem zeitlichen Abstand steht oft die räumliche Distanz zum Herkunftsort, der Archäologe, der Restaurator, der Bearbeiter und natürlich die Glasscheibe dazwischen.
Geschichte erfahren
Straßen bedeuten immer Leben, egal zu welcher Zeit. Hier waren Menschen mit unterschiedlichsten Absichten unterwegs. Sie machten sich in der Regel wenig Gedanken darüber, dass sie sich auf einer Straße befanden, sondern sie nutzten sie einfach. Und gerade, weil Straßen in den Köpfen der Menschen so profan sind, so wenig bewusst, repräsentieren sie sehr gut das ungefilterte Leben. Straßen sind da, weil sie gebraucht werden, weil die Menschen woanders irgendwas wollen. Sie wurden nicht, wie manche Schmuckgegenstände, nur dazu hergestellt, um sie mit ins Grab zu geben. Steht man auf einer historischen Straße, ist die Distanz zur Geschichte geringer. Es steht nur die Zeit dazwischen, selten ein Restaurator oder jemand, der sich einen guten Text für ein Objektschild überlegt.
Viele historische Straßen sind aber heute nicht mehr als solche erkennbar. Häufig befindet sich auf ihnen Bebauung, Felder oder auch eine moderne Straße – auch so ist die Distanz zur Geschichte gering, aber dennoch ist einem das nicht bewusst. Teer, Stau, Stress, Ampeln und überfahrene Tiere lassen uns vergessen, dass es hier einmal anders ausgesehen hat.
In den Wäldern kann man aber oft die alten, ursprünglichen Straßen wiederfinden. Sie haben sich häufig in Form von Hohlwegen erhalten, werden nicht gehegt, gepflegt und restauriert und sind ohne Absperrungen frei zu betreten.
Hier ist die Abgrenzung zwischen Wald und Acker im Lidar-Scan überdeutlich zu sehen.
Der Screenshot stammt aus dem BayernAtlas (Link direkt zur Location).
Der Hohlweg als sichtbares Relikt mittelalterlicher Wege
Was ist ein Hohlweg?
Ein Hohlweg bildet sich durch die Nutzung von Fahrzeugen an unbefestigten Strecken mit ausreichendem Gefälle. Durch die Beanspruchung wird der Untergrund aufgelockert und durch Regen, Wind und nicht zuletzt durch die Nutzer abgetragen. Dadurch schneidet sich der Weg immer tiefer in den Boden ein, bis metertiefe „Straßenschluchten“ entstehen können. Je nach Untergrund und Nutzung bilden sich Hohlwege tiefer oder weniger tief aus.
Wie entsteht ein Hohlweg?
„Hohlwegfreundlicher“ Untergrund sind Löss-Schichten und nur gelegentlich Keuper oder Muschelkalk. Lössboden ist relativ lockeres Tongestein, das leicht erodiert. Hohlwege bildet sich sehr schnell an Gefällestrecken, können aber auch – wesentlich langsamer – auf Hügelkämmen entstehen. Auch hier erodiert der Boden, durch geringere Wasserauswaschung jedoch in geringerem Ausmaß. Das Material wird durch die Nutzung langsam abgetragen. In Talsohlen dagegen kommt von den Hängen immer mehr Material nach, als abgetragen werden kann.
Ein Hohlweg „in Benutzung“ bildet sich in der Regel kastenförmig aus, mit einer geraden, etwas über wagenbreiten Sohle und steilen, je nach Material geraden oder nach außen geneigten Wänden. Ein schönes Beispiel dafür ist die Rennweghohle im Foto oben (Lössboden mit steilen Wänden); Sie ist aber mit erst 80 Jahren noch recht jung und dementsprechend besser erhalten, sie wird aber gepflegt und das Erosionsmaterial entfernt. Überlässt man einen Hohlweg sich selbst, überwächst er langsam, die Ränder brechen durch stetige Auswaschung und Unterwurzelung ein, verbreitern sich und schütten die Hohle zu. Es bilden sich die eher V-förmigen Schneisen bzw. nur leicht eingetieften Gräben, die man so häufig im Wald findet.
Durch das allmähliche Einschneiden des Wegs während der Nutzung wurde er gleichzeitig auch schwieriger zu befahren: Man konnte nicht nach außen ausweichen und musste bei nassem Wetter matschigen Untergrund in Kauf nehmen. Daher begannen die Reisenden häufig, einen Hohlweg zu meiden und nebenher zu fahren – wodurch ein weiterer Hohlweg entstand. So bildeten sich öfter Hohlwegbündel, die sich an weniger steilen Strecken wieder zu einem einzigen Weg vereinten. Man sieht das im nachfolgenden Foto und auf den Lidar-Screenshots weiter oben.
Wie alt sind Hohlwege?
Das lässt sich nur vom bloßen Anschauen nicht sagen. Die Tiefe eines Hohlwegs ist nicht ausschlaggebend für das Alter! Genauer kann man nur mit einer geologischen Untersuchung des Untergrunds datieren. Schneidet sich ein Hohlweg tief in den felsigen Muschelkalk ein, ist er in der Regel wesentlich älter als Hohlen in Lössgestein.
Auch der historische Hintergrund bzw. die Archäologie ist zur Datierung wichtig, hierzu finden sich aber nicht immer Quellen. Die Schriftlage zum historischen Straßenverlauf ist im Mittelalter außerordentlich dünn und moderate Karten mit ausreichender Genauigkeit kommen frühstens im 17., eher im 18. und 19. Jahrhundert auf.
Dem Buch „Hohlwege“, herausgegeben von Wolf und Hassler (1993) (genaue Angabe siehe unten), entnehmen wir auf S. 80f zu „Altersklassen“ von Hohlwegen:
- Alte Ortsverbindungen mit jahrhundertelanger Tradition, die teilweise auf römische Wege zurückgehen. Bei manchen dieser Wege ist ein Mindestalter von 500 Jahren nachgewiesen.
- Ortsverbindungen von geringerer Bedeutung und alte (land/forstwirtschaftliche) Gewannerschließungen mit V-Profil sind in der Regel älter als 100 Jahre. Auf Katasterkarten des 19. Jahrhunderts sind sie bereits als Hohlweg eingezeichnet.
- Gewannerschließungen und aus unterschiedlichen Gründen auf einmal vielgenutzte Wege können auch in weniger als 100 Jahren eine große Tiefe und Länge erreichen. Sie sind dann auf Karten des 19. Jahrhunderts noch nicht zu sehen. Gerade die sehr markanten Hohlwege mit steilen Wänden sind wohl eher als relativ jung einzuschätzen, da spätestens nach 50 Jahren Erosionsprozesse das langsame Abbrechen der Wände bewirken.
Das Werk bezieht sich auf den Kraichgau und lässt sich wahrscheinlich mit leichten Verschiebungen auf andere Regionen übertragen.
Die Ziegelhausener Hohlwege (siehe Foto oben) gehören zu den älteren Hohlwegen. Sie sind Bestandteil der mittelalterlichen Verbindung zwischen Kloster Schönau und Ziegelhausen, wo die Mönche eine Ziegelhütte besaßen. Darauf weist auch der Straßenname „Schönauer Abtweg“ in Ziegelhausen hin. Das Kloster wurde Mitte des 16. Jahrhunderts aufgegeben.
Wo gibt es Hohlwege?
Mittelalterliche Straßen gab es überall. Daher kann man theoretisch auch überall in Deutschland und Europa Hohlwege finden. Manche sind recht berühmt und vor Ort auch gekennzeichnet, wie zB. die Hohlwege bei Zeutern (s.o.).Die allermeisten liegen aber relativ unbeachtet im Wald und kaum ein Spaziergänger weiß, dass die tiefen, markanten Gräben alte Straßen sind. Vielleicht läuft man auch mehrmals daran vorbei, ohne sie überhaupt zu beachten, wie ich selbst.. Selbstverständlich führten historische Wege nicht immer nur durch die Wälder – aber durch den Wald wurden die Hohlwege in moderner Zeit geschützt.
Je nach Verwitterung und Erosion ist manchmal auch nicht mehr allzu viel von einem Hohlweg übrig. Historisch haben sie dennoch oft überlebt: Da Hohlwege lange, tiefe Rinnen darstellten, die gut im Gelände sichtbar waren und gleichzeitig nicht so einfach überquert werden konnten, galten sie oft später als Gemeinde- oder Gewanngrenzen. Manche Gewannnamen weisen darauf hin.
Wie kann man alte Hohlwege finden / suchen?
Die Hohlweg-Suche ist auch eines meiner Hobbys :D Dazu gibt es mehrere Ansätze. Grundsätzlich sei gesagt, dass es keinen Mangel an Hohlwegen gibt und man in der Regel nicht allzu weit fahren muss, um ein Hohlweg-Gebiet zu finden. Dafür braucht man nur bewaldete Hügel mit alten Ortschaften drumherum. Dann kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass es hier auch alte Wege gibt. Nun muss man nur noch wissen, wo man genau suchen muss.
- Wenn das Gelände gescannt wurde und diese Daten zur Verfügung stehen, kann man Hohlwege sehr einfach finden und erkennen.
» Hier geht es weiter zur Hohlweg-Suche mithilfe von Lidar-Scans - Vielleicht kennt man schon den Verlauf alter Straßen, zB. durch eine historische Karte? Dann kann man das als Ansatzpunkt nutzen.
» Hier geht es weiter zur Hohlweg-Suche mithilfe historischer Karten - Mithilfe des Wissens über den Straßenverlauf im Mittelalter kann man auch ins Blaue schießen.
» Hier geht es weiter zur Hohlweg-Suche mithilfe moderner Karten - Oder vielleicht ist ein früherer Straßenverlauf auch allgemein bekannt, wie etwa zwischen Schönau und Ziegelhausen? Oft gibt es hier noch Wander- oder Forstwege. Einfach spazierengehen und an den Steigen nach auffälligen Gräben Ausschau halten!
Die Suche nach Hohlwegen hängt sehr eng mit dem Wissen zusammen, wie im Mittelalter Straßen verliefen. Während wir heute steile Anstiege an Berghängen vermeiden, waren sie früher üblich. Wenn man sich also näher mit mittelalterlichen (Fern)Straßen und Hohlwegen beschäftigen möchte, sollte man wissen, wie Straßen im Mittelalter verliefen und warum sie so verliefen.
Weiterführende Infos und Tipps gibt es auf den jeweilig verlinkten Seiten!
Woran erkennt man einen Hohlweg?
Das ist eine Frage, die mir schon oft gestellt wurde: Woher weiß man denn, ob man nun einen alten Hohlweg vor sich hat oder einfach irgendeinen Graben? Woran erkennt man nun sicher einen Hohlweg? Leider gibt es keine pauschale Antwort, mit deren Hilfe man einfach und sicher klären kann, ob der Graben im Wald nun ein Hohlweg ist oder nicht. Oft kann man am Ende auch nur eine Wahrscheinlichkeit angeben.
Wenn du diese Seite bis hierher gelesen hast und dir vielleicht auch meine verlinkten Videos und die Seite zum mittelalterlichen Straßenverlauf angeschaut hast, dann weißt du schon ziemlich gut, worauf es bei (alten bzw. mittelalterlichen) Hohlwegen ankommt. Ein paar Fragen und Anzeichen für mittelalterliche Hohlwege:
Anzeichen für alte Hohlwege vor Ort
- Verläuft der Graben gegen ein Gefälle?
- Lässt er sich ein Stück weit verfolgen? Gibt es vielleicht sogar langgezogene Kurven?
- Gibt es an steilen Strecken mehrere Gräben nebeneinander?
- Hat der Graben eine gewisse Mindestbreite? Oder ist es nur eine „Rutsche“?
Karten und historische Quellen als Hilfe
- Würde ein Weg hier Sinn ergeben? Würde er irgendwelche mittelalterlichen Orte verbinden?
- Verläuft der Graben in der Verlängerung eines „Ortsnamenswegs“? Könnte es eine alte Ortsverbindung sein?
- Könnte der vermeintliche Hohlweg auf größere Kreuzungen im Wald oder auf einen Pass/Bergsattel zuführen?
- Gibt es auf dem Bergrücken, zu dem der Graben führt, eine eingezeichnete Hochstraße?
- Gibt es auf Karten des 18. und 19. Jahrhunderts hier eingezeichnete Verbindungen?
- Weiß man aus schriftlichen Quellen von einer alten Verbindung in dieser Gegend?
Wenn du einige dieser Fragen bejahen kannst, hast du schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit, einen alten Hohlweg gefunden zu haben. Auch das eine oder andere „nein“ heißt nicht, dass der Befund negativ ist. Oftmals kann man es einfach auch nicht wissen, bzw. die geologischen Begebenheiten vor Ort können Spuren verwischen.
Literatur
Hier nur eine ganz kleine Auswahl von Literatur über Hohlwege.
Hassler, Dieter – Wolf, Reinhard (Hrsg.): Hohlwege. Entstehung, Geschichte und Ökologie der Hohlwege im westlichen Kraichgau, Beihefte zu den Veröffentlichungen für Naturschutz und Landschaftspflege 72 (Karlsruhe 1993)
Mumm, Hans-Martin: Am jähen Steig. Altstraßen und Hohlwege im Stadtwald. Erwägungen zu den Verkehrsbeziehungen Heidelbergs in Mittelalter und früher Neuzeit, Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 9, 2004, 79–101
Schreibe einen Kommentar